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Ein verfehltes Gemälde.
Der Metzger schüttelte den Kopf. „Die Herrschaft wird
erst in ein paar Monaten wiederkommen."
„Aber cs wird Alles oben im Schlosse neu hergerichtet.
Ich hab's von meiner Frau, die gestern dort war. Ein wahrer
Staat soll's sein. Die Decken werden sogar gemalt. Läßt
sich's was kosten, der junge Graf!"
„Wird auch eine Kinderstube hergerichtet?" fragte jener
in trockener Weise.
Der Nachbar lächelte. „Eine richtige Bemerkung! Es
wird wohl dahinaus wollen. Der junge Graf wird eine Frau
mitbringen. Nun, er kann's schon. Geld genug hat ihm der
Alte hinterlassen."
Der Fleischermeister klopfte seine Pfeife auf die Straße
aus. Da sie sich nichts Besonderes weiter mitzutheilen hatten,
und der junge Mensch nicht mehr näher kam, zogen sich die Beiden
vom Fenster zurück. Aber kaum war dieß geschehen, so bogen zwei
Frauengcstalten in die Straße ein. Der junge Mann bemerkte dieß
sofort am entgegengesetzten Ende derselben, und mit großen Sätzen
eilte er heran. Die Beiden gingen ans das Haus des Metzgers zu.
Jener stand in einiger Entfernung und nahm den Hut ab; die
Frau Metzgcrmeisterin bemerkte ihn nicht, aber die Tochter, ein
junges hübsches Mädchen mit röthlichen Haaren, neigte ein wenig
den Kopf zur Seite, und eben als sie nach ihrer Mutter in
das Haus cintrat, blickte sie erröthend nach ihm hin.
Die Dämmerung war eingetreten. Der Langhaarige rührte
sich nicht von der Stelle. Geduld war ihm nicht abzusprechen;
! denn er /harrte ans, bis er hörte, daß der Fleischer das Hans
! verschloß.
Am nächsten Abend stand er wieder auf seinem Posten.
Diesmal waren Mutter und Tochter zu Hanse geblieben. Die
Letztere öffnete mehrmals das Fenster und schaute prüfend nach
dem Himmel hinauf; ob die Augen dabei auch ein wenig ans
die Erde sich verirrten, war in der Dämmerung nicht zu erkennen.
Der Fremdling hustete weder, noch pfiff oder sang er, um
ihre Aufmerksamkeit ans sich zu ziehen, — er wartete.
Nach einiger Zeit wurde die Hausthürc geöffnet, und die
j Tochter, mit einem Korb am Arme, kam etwas zögernd heraus.
Als sie einige Schritte gemacht hatte, traf sic zufällig auf
! den jungen Mann, der den Hut in der Hand hielt und ihr
i „Guten Abend" wünschte.
Sic war darüber sehr erschrocken und stolperte ein wenig,
j Sic mußte deßhalb einen Augenblick anhaltcn.
„Wohin wollen Sie, Fräulein?" fragte er.
„Ich muß einen Gang machen", antwortete sie schüchtern.
„Darf ich Sie begleiten?"
„Es ist ganz in der Nachbarschaft. Dort drüben!" —
Sie zeigte auf einen Bäckerladen.
Im Hause des Fleischers mochte wohl keine Hungersnoth
zu befürchten sein; — sic hatte wenigstens nicht allzugroße Eile,
über die Straße zu kommen. Jedoch diese war nicht breit, und
i man gelangt auch mit sehr kleinen Schritten an's Ziel.
„Werden Sie lange im Bäckerladen bleiben?"
„Nein, gar nicht lange."
„Gut, dann tvill ich hier warten."
Das Warten war offenbar seine stärkste Seite.
Sie kehrte mit gefülltem Korbe zurück, und er besaß die
Keckheit, sie bis an ihre Hausthürc zu begleiten. Lange Haare
gelten schon seit Simsons Zeiten als ein Zeichen der Kraft
und des Muthes.
Aus ihrem Gespräch ließ sich entnehmen, daß sie bereits
mehrmals sich getroffen, und daß sie Röschen und er Georg hieß.
Bor der Hausthürc machten sie Halt; sic hatten noch
mehrere ivichtigc Dinge einander mitzutheilen.
Aber der Metzger kam gerade zu dieser Zeit aus seinem
Laden, der ans der andern Seite des Hausflurs lag, und
erblickte durch die offene Thüre das Pärchen. Es schien nicht,
als ob er sehr befriedigt sei durch die Entdeckung, daß der
junge Mann, dessen ausdauernde Höflichkeit er gestern aus-
drncksvoll bewundert, mit seiner Tochter ein leises Gespräch führe
und ihr die Hand drücke. Er nahm seine Pfeife aus dem
Munde und trat näher.. „Röse!" ries er.
Sie fuhr zusammen und wagte nicht, sich umzudrehen.
„Was treibst Du hier?"
„Ich habe Brod geholt, Vater", erwiderte sic und machte
mit Anstrengung eine halbe Wendung nach ihm hin.
„Brauchst Du Begleitung dazu? Wer ist der Musje?"
Dieser hielt schon längst wieder seinen Hut in der Hand.
Er schien großen Respekt vor dem Vater Röschen's zu hegen.
Die Tochter zögerte mit der Antwort.
„Run, wer ist's?" wiederholte jener.
„Ich heiße Georg Kreiling", antwortete der junge Mann
und schüttelte seine Mähne.
„Kreiling? Es gibt keine Kreilings in der Stadt."
„Ich befinde mich erst seit einem Monat hier."
„So? Wozu?"
„Als Arbeiter auf dem Schlosse."
„Was arbeiten Sie?"
„Ich arbeite als Maler."
„Was malen Sic?"
„Die Zimmer im Schlosse."
Der Metzger that mehrere lange Züge aus seiner Pfeife
und dachte darüber nach, welche Arbeit der junge Mann betreibe.
„Also Tüncher", sprach er nach beendigter Ueberlegung mit vieler
Entschiedenheit und stolz daraus, daß er zu diesem Resultat
gelangt war.
„Entschuldigen Sie, ich bin kein Handwerker, sondern
Künstler", erwiderte Herr Kreiling mit einigem Selbstbewußtsein.
„Es ist nicht so leicht, tvie Sie sich vorstellen, Zimmer zu
malen."
„Schon recht. Dem Einen wird's halt schwerer als dem
Andern." Der Metzger blickte etwas mitleidig ans den jungen
Mann.
„Es gehört Studium und Geschmack dazu", sprach Kreiling
eifrig; — er wollte nun einmal in den Angen des Vaters seiner
Schönen nicht als gewöhnlicher Handwerker erscheinen. — „Ich
war ein Jahr lang auf der Akademie und habe dort studirt;
aber dann wurde es meinen Eltern zu viel, mich zu er-
nähren, deßhalb mußte ich dem Wunsche entsagen ein wirklicher
Ein verfehltes Gemälde.
Der Metzger schüttelte den Kopf. „Die Herrschaft wird
erst in ein paar Monaten wiederkommen."
„Aber cs wird Alles oben im Schlosse neu hergerichtet.
Ich hab's von meiner Frau, die gestern dort war. Ein wahrer
Staat soll's sein. Die Decken werden sogar gemalt. Läßt
sich's was kosten, der junge Graf!"
„Wird auch eine Kinderstube hergerichtet?" fragte jener
in trockener Weise.
Der Nachbar lächelte. „Eine richtige Bemerkung! Es
wird wohl dahinaus wollen. Der junge Graf wird eine Frau
mitbringen. Nun, er kann's schon. Geld genug hat ihm der
Alte hinterlassen."
Der Fleischermeister klopfte seine Pfeife auf die Straße
aus. Da sie sich nichts Besonderes weiter mitzutheilen hatten,
und der junge Mensch nicht mehr näher kam, zogen sich die Beiden
vom Fenster zurück. Aber kaum war dieß geschehen, so bogen zwei
Frauengcstalten in die Straße ein. Der junge Mann bemerkte dieß
sofort am entgegengesetzten Ende derselben, und mit großen Sätzen
eilte er heran. Die Beiden gingen ans das Haus des Metzgers zu.
Jener stand in einiger Entfernung und nahm den Hut ab; die
Frau Metzgcrmeisterin bemerkte ihn nicht, aber die Tochter, ein
junges hübsches Mädchen mit röthlichen Haaren, neigte ein wenig
den Kopf zur Seite, und eben als sie nach ihrer Mutter in
das Haus cintrat, blickte sie erröthend nach ihm hin.
Die Dämmerung war eingetreten. Der Langhaarige rührte
sich nicht von der Stelle. Geduld war ihm nicht abzusprechen;
! denn er /harrte ans, bis er hörte, daß der Fleischer das Hans
! verschloß.
Am nächsten Abend stand er wieder auf seinem Posten.
Diesmal waren Mutter und Tochter zu Hanse geblieben. Die
Letztere öffnete mehrmals das Fenster und schaute prüfend nach
dem Himmel hinauf; ob die Augen dabei auch ein wenig ans
die Erde sich verirrten, war in der Dämmerung nicht zu erkennen.
Der Fremdling hustete weder, noch pfiff oder sang er, um
ihre Aufmerksamkeit ans sich zu ziehen, — er wartete.
Nach einiger Zeit wurde die Hausthürc geöffnet, und die
j Tochter, mit einem Korb am Arme, kam etwas zögernd heraus.
Als sie einige Schritte gemacht hatte, traf sic zufällig auf
! den jungen Mann, der den Hut in der Hand hielt und ihr
i „Guten Abend" wünschte.
Sic war darüber sehr erschrocken und stolperte ein wenig,
j Sic mußte deßhalb einen Augenblick anhaltcn.
„Wohin wollen Sie, Fräulein?" fragte er.
„Ich muß einen Gang machen", antwortete sie schüchtern.
„Darf ich Sie begleiten?"
„Es ist ganz in der Nachbarschaft. Dort drüben!" —
Sie zeigte auf einen Bäckerladen.
Im Hause des Fleischers mochte wohl keine Hungersnoth
zu befürchten sein; — sic hatte wenigstens nicht allzugroße Eile,
über die Straße zu kommen. Jedoch diese war nicht breit, und
i man gelangt auch mit sehr kleinen Schritten an's Ziel.
„Werden Sie lange im Bäckerladen bleiben?"
„Nein, gar nicht lange."
„Gut, dann tvill ich hier warten."
Das Warten war offenbar seine stärkste Seite.
Sie kehrte mit gefülltem Korbe zurück, und er besaß die
Keckheit, sie bis an ihre Hausthürc zu begleiten. Lange Haare
gelten schon seit Simsons Zeiten als ein Zeichen der Kraft
und des Muthes.
Aus ihrem Gespräch ließ sich entnehmen, daß sie bereits
mehrmals sich getroffen, und daß sie Röschen und er Georg hieß.
Bor der Hausthürc machten sie Halt; sic hatten noch
mehrere ivichtigc Dinge einander mitzutheilen.
Aber der Metzger kam gerade zu dieser Zeit aus seinem
Laden, der ans der andern Seite des Hausflurs lag, und
erblickte durch die offene Thüre das Pärchen. Es schien nicht,
als ob er sehr befriedigt sei durch die Entdeckung, daß der
junge Mann, dessen ausdauernde Höflichkeit er gestern aus-
drncksvoll bewundert, mit seiner Tochter ein leises Gespräch führe
und ihr die Hand drücke. Er nahm seine Pfeife aus dem
Munde und trat näher.. „Röse!" ries er.
Sie fuhr zusammen und wagte nicht, sich umzudrehen.
„Was treibst Du hier?"
„Ich habe Brod geholt, Vater", erwiderte sic und machte
mit Anstrengung eine halbe Wendung nach ihm hin.
„Brauchst Du Begleitung dazu? Wer ist der Musje?"
Dieser hielt schon längst wieder seinen Hut in der Hand.
Er schien großen Respekt vor dem Vater Röschen's zu hegen.
Die Tochter zögerte mit der Antwort.
„Run, wer ist's?" wiederholte jener.
„Ich heiße Georg Kreiling", antwortete der junge Mann
und schüttelte seine Mähne.
„Kreiling? Es gibt keine Kreilings in der Stadt."
„Ich befinde mich erst seit einem Monat hier."
„So? Wozu?"
„Als Arbeiter auf dem Schlosse."
„Was arbeiten Sie?"
„Ich arbeite als Maler."
„Was malen Sic?"
„Die Zimmer im Schlosse."
Der Metzger that mehrere lange Züge aus seiner Pfeife
und dachte darüber nach, welche Arbeit der junge Mann betreibe.
„Also Tüncher", sprach er nach beendigter Ueberlegung mit vieler
Entschiedenheit und stolz daraus, daß er zu diesem Resultat
gelangt war.
„Entschuldigen Sie, ich bin kein Handwerker, sondern
Künstler", erwiderte Herr Kreiling mit einigem Selbstbewußtsein.
„Es ist nicht so leicht, tvie Sie sich vorstellen, Zimmer zu
malen."
„Schon recht. Dem Einen wird's halt schwerer als dem
Andern." Der Metzger blickte etwas mitleidig ans den jungen
Mann.
„Es gehört Studium und Geschmack dazu", sprach Kreiling
eifrig; — er wollte nun einmal in den Angen des Vaters seiner
Schönen nicht als gewöhnlicher Handwerker erscheinen. — „Ich
war ein Jahr lang auf der Akademie und habe dort studirt;
aber dann wurde es meinen Eltern zu viel, mich zu er-
nähren, deßhalb mußte ich dem Wunsche entsagen ein wirklicher