Ein verfehltes Gemälde.
ersten Tag zeichnete er, den zweiten malte er frisch drauf lvs.
Der Zimniermaler bat seine ganze Geschicklichkeit auf, um damit
in dieser kurzen Zeit zu Stande zu kommen. In der darauf
folgenden Nacht schon konnte der Metzger zurückkehren.
Als die letzten Sonnenstrahlen ans dem Raume geschwunden
waren, legte er den Pinsel weg und erklärte sein Bild für
vollendet. Es war die höchste Zeit; er fühlte sich derart
ermattet, daß er kaum mehr stehen konnte. Aber seine Absicht
war glücklich zu Ende geführt. Die Farben prangten ihm
glückverheißend entgegen.
Röschen war leuchtend vor Wonne. Von einem Manne,
der so Schönes auszuführen vermochte, geliebt zu sein! Auch
die Mutter, die bisher möglichst sich zurückgehalten, konnte nicht
umhin, ihn wegen seiner Geschicklichkeit zu beloben. Freilich,
welche Ansicht ihr Gatte aussprcchen werde, wenn er das Bild
erblicken würde, darüber ließ sich nichts Bestimmtes angcbcn.
Es kam nach ihrer Meinung sehr viel darauf an, was für
Geschäfte er auf dem Markt gemacht hatte.
Derselbe kehrte erst am nächsten Mittag wieder heim und
> saß bald bei den dampfenden Schüsseln am Tische. Er hatte
, offenbar sehr billig eingckanft; die gute Laune, die er mitgc-
| bracht, bezeugte es.
Nach dem Essen ruhte er ein wenig. Röschen wich nicht
> ans dem Zimmer; sie mußte zugegen sein, wenn er nach dem
Laden sich begab.
Endlich erschien der bange Augenblick. Er verlangte nach
dem Schlüssel zum Laden. Sic sprang voran, um ihm auf-
zuschließen.
Die Leinwand entzog noch das Bild seinen Augen, als
er eintrat.
Er fragte verwundert, was dies bedeuten solle.
Röschen lachte, aber antwortete nicht.
Mit einem Rucke schob der kräftige Mann das Gestell
bei Seite. Sie beobachtete gespannt sein Gesicht.
Er riß die Augen auf und lächelte sodann. Da war
er selbst, in seiner vollen Größe ans der Wand, ein Messer in
der einen Hand haltend. Er drehte sich nach seiner Tochter
' herum.
„Was ist denn das? Wer hat's gemacht?"
„Ich weiß cs nicht."
„Dein — der Zimmermaler?"
Sie nickte.
„Ihr habt mich überraschen wollen. Nun, cs ist nicht
übel. Er muß doch kein Tüncher sein. Ein Tüncher kriegt so
'was nicht fertig."
„Er ist ein Künstler, Vater."
„Ein verdorbener Student. Wie steht's aber mit der
Ähnlichkeit? he?"
Er hatte sein Bildniß wieder betrachtet.
„Nun, Vater, es gleicht Dir gar sehr. Schau nur hin!
Ganz Deine Haare, und Nase und Mund treffen auch zu.
Sogar die Kleidung. Er hat Dich in Deinen Alltagskleidern
gemalt."
„Darin bin ich auch am liebsten. Es gefällt mir von ihm."
67
Röschen war jetzt keck in den Laden hineingetreten und
stand zur Seite ihres Vaters.
„Wahrhaftig, cs ist 'ne Ueberraschung!" fuhr er fort.
Röschens Gesicht war mit dunklem Roth Überflossen. „Und
schau' nur das schöne Thier, auf das Du die Hand legst!"
sagte sie.
Er erwiderte nichts, aber er blickte sehr aufmerksam nach
dem schönen Thiere. Plötzlich zog er die Stirne in tiefe Falten.
Er begann heftig zu athmen und ging näher an das Bild heran.
Sie trat scheu von ihm hinweg.
„Der infame Kerl!" rief er nach einer Weile und ballte
die Faust. „Wenn ich ihn hier hätte!" Er schaute wild um
sich her.
Röschen zog es vor, hinter dem Ladentische Schutz zu
suchen. „Was gibt's denn, Vater?" fragte sie sehr eingeschüchtert.
„Der infame Kerl!" wiederholte er. „Ja, ja, das hat
man davon, wenn die Kinder keinen Gehorsam kennen. Was
hast Du Dich an den elenden Menschen zu hängen?"
Er drohte dem Bilde mit seiner Faust. Sein Gesicht
wurde purpurn gefärbt. An dem hastigen Athemholcn ließ
sich erkennen, daß er in eine immer größere Wuth gerieth.
„Ha, der Schurke!" stieß er mühsam hervor. „Will er
mich zum Kindergespött machen? Werd's ihm lehren!"
Er schlug mehrmals mit aller Kraft wider das Gemälde,
und die Wand dröhnte unter den schweren Schlägen der wuch-
tigen Faust, aber das Bild blieb unverletzt.
„Du bist schuld daran!" schrie er drohend seiner Tochter
entgegen und ging auf sie zu.
Röschen rief in ihrer Scelenangst mit gepreßter Stimme
um Hülfe. Die Mutter war eben in die Thürc getreten.
„Na, was hast Du denn?" fragte sie den zornigen Gemahl.
„Du Gans! Meinst Du, daß ich mir solchen Schimpf
im eigenen Hanse anthun lasse?"
Die Frau kannte ihren Gatten zu gut, als daß sie irgend
eine Erwiderung gemacht hätte. Sie bewegte sich ein paar
Schritte in den Hausflur rückwärts.
Der Metzger ließ sich auf einem Stuhle nieder und wischte
sich den Schweiß von der Stirne. Er ächzte und stöhnte dabei,
als wenn er die mühsamste Arbeit zu verrichten hätte.
„Mein Gott, sie meinten Dir eine Freude zu bereiten",
sprach die Mutter nach einiger Zeit.
„Er sprang wieder auf, eilte zu ihr hin und zog sic ge-
waltsam in den Laden herein vor das Gemälde.
„Eine Freude?" schrie er. „Wenn mich einer höhnt, soll
mir's eine Freude sein?"
Die Frau zitterte am ganzen Körper. Sie hatte ihren
Gatten noch nie so wüthend gesehen.
„Es ist ja nur Dein Bild", sprach sic besänftigend.
„Mein Bild? Ist das Ding da vielleicht auch mein
Bild?" Er zeigte nach dem Thiere, dann schlug er wieder mit
aller Wucht dagegen.
Die Tochter hatte jetzt ihren Furchtaufall überwunden; sic
schritt bis zum Vater hin und hielt ihm den Arm, als er
wieder einen Schlag führen wollte.
9*
ersten Tag zeichnete er, den zweiten malte er frisch drauf lvs.
Der Zimniermaler bat seine ganze Geschicklichkeit auf, um damit
in dieser kurzen Zeit zu Stande zu kommen. In der darauf
folgenden Nacht schon konnte der Metzger zurückkehren.
Als die letzten Sonnenstrahlen ans dem Raume geschwunden
waren, legte er den Pinsel weg und erklärte sein Bild für
vollendet. Es war die höchste Zeit; er fühlte sich derart
ermattet, daß er kaum mehr stehen konnte. Aber seine Absicht
war glücklich zu Ende geführt. Die Farben prangten ihm
glückverheißend entgegen.
Röschen war leuchtend vor Wonne. Von einem Manne,
der so Schönes auszuführen vermochte, geliebt zu sein! Auch
die Mutter, die bisher möglichst sich zurückgehalten, konnte nicht
umhin, ihn wegen seiner Geschicklichkeit zu beloben. Freilich,
welche Ansicht ihr Gatte aussprcchen werde, wenn er das Bild
erblicken würde, darüber ließ sich nichts Bestimmtes angcbcn.
Es kam nach ihrer Meinung sehr viel darauf an, was für
Geschäfte er auf dem Markt gemacht hatte.
Derselbe kehrte erst am nächsten Mittag wieder heim und
> saß bald bei den dampfenden Schüsseln am Tische. Er hatte
, offenbar sehr billig eingckanft; die gute Laune, die er mitgc-
| bracht, bezeugte es.
Nach dem Essen ruhte er ein wenig. Röschen wich nicht
> ans dem Zimmer; sie mußte zugegen sein, wenn er nach dem
Laden sich begab.
Endlich erschien der bange Augenblick. Er verlangte nach
dem Schlüssel zum Laden. Sic sprang voran, um ihm auf-
zuschließen.
Die Leinwand entzog noch das Bild seinen Augen, als
er eintrat.
Er fragte verwundert, was dies bedeuten solle.
Röschen lachte, aber antwortete nicht.
Mit einem Rucke schob der kräftige Mann das Gestell
bei Seite. Sie beobachtete gespannt sein Gesicht.
Er riß die Augen auf und lächelte sodann. Da war
er selbst, in seiner vollen Größe ans der Wand, ein Messer in
der einen Hand haltend. Er drehte sich nach seiner Tochter
' herum.
„Was ist denn das? Wer hat's gemacht?"
„Ich weiß cs nicht."
„Dein — der Zimmermaler?"
Sie nickte.
„Ihr habt mich überraschen wollen. Nun, cs ist nicht
übel. Er muß doch kein Tüncher sein. Ein Tüncher kriegt so
'was nicht fertig."
„Er ist ein Künstler, Vater."
„Ein verdorbener Student. Wie steht's aber mit der
Ähnlichkeit? he?"
Er hatte sein Bildniß wieder betrachtet.
„Nun, Vater, es gleicht Dir gar sehr. Schau nur hin!
Ganz Deine Haare, und Nase und Mund treffen auch zu.
Sogar die Kleidung. Er hat Dich in Deinen Alltagskleidern
gemalt."
„Darin bin ich auch am liebsten. Es gefällt mir von ihm."
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Röschen war jetzt keck in den Laden hineingetreten und
stand zur Seite ihres Vaters.
„Wahrhaftig, cs ist 'ne Ueberraschung!" fuhr er fort.
Röschens Gesicht war mit dunklem Roth Überflossen. „Und
schau' nur das schöne Thier, auf das Du die Hand legst!"
sagte sie.
Er erwiderte nichts, aber er blickte sehr aufmerksam nach
dem schönen Thiere. Plötzlich zog er die Stirne in tiefe Falten.
Er begann heftig zu athmen und ging näher an das Bild heran.
Sie trat scheu von ihm hinweg.
„Der infame Kerl!" rief er nach einer Weile und ballte
die Faust. „Wenn ich ihn hier hätte!" Er schaute wild um
sich her.
Röschen zog es vor, hinter dem Ladentische Schutz zu
suchen. „Was gibt's denn, Vater?" fragte sie sehr eingeschüchtert.
„Der infame Kerl!" wiederholte er. „Ja, ja, das hat
man davon, wenn die Kinder keinen Gehorsam kennen. Was
hast Du Dich an den elenden Menschen zu hängen?"
Er drohte dem Bilde mit seiner Faust. Sein Gesicht
wurde purpurn gefärbt. An dem hastigen Athemholcn ließ
sich erkennen, daß er in eine immer größere Wuth gerieth.
„Ha, der Schurke!" stieß er mühsam hervor. „Will er
mich zum Kindergespött machen? Werd's ihm lehren!"
Er schlug mehrmals mit aller Kraft wider das Gemälde,
und die Wand dröhnte unter den schweren Schlägen der wuch-
tigen Faust, aber das Bild blieb unverletzt.
„Du bist schuld daran!" schrie er drohend seiner Tochter
entgegen und ging auf sie zu.
Röschen rief in ihrer Scelenangst mit gepreßter Stimme
um Hülfe. Die Mutter war eben in die Thürc getreten.
„Na, was hast Du denn?" fragte sie den zornigen Gemahl.
„Du Gans! Meinst Du, daß ich mir solchen Schimpf
im eigenen Hanse anthun lasse?"
Die Frau kannte ihren Gatten zu gut, als daß sie irgend
eine Erwiderung gemacht hätte. Sie bewegte sich ein paar
Schritte in den Hausflur rückwärts.
Der Metzger ließ sich auf einem Stuhle nieder und wischte
sich den Schweiß von der Stirne. Er ächzte und stöhnte dabei,
als wenn er die mühsamste Arbeit zu verrichten hätte.
„Mein Gott, sie meinten Dir eine Freude zu bereiten",
sprach die Mutter nach einiger Zeit.
„Er sprang wieder auf, eilte zu ihr hin und zog sic ge-
waltsam in den Laden herein vor das Gemälde.
„Eine Freude?" schrie er. „Wenn mich einer höhnt, soll
mir's eine Freude sein?"
Die Frau zitterte am ganzen Körper. Sie hatte ihren
Gatten noch nie so wüthend gesehen.
„Es ist ja nur Dein Bild", sprach sic besänftigend.
„Mein Bild? Ist das Ding da vielleicht auch mein
Bild?" Er zeigte nach dem Thiere, dann schlug er wieder mit
aller Wucht dagegen.
Die Tochter hatte jetzt ihren Furchtaufall überwunden; sic
schritt bis zum Vater hin und hielt ihm den Arm, als er
wieder einen Schlag führen wollte.
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