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Die drei Rathschläge König Salomo's.

Eine talmudische Erzählung.

Als König Salomo auf dem Gipfel seines Ruhmes stand,
und seine Weisheit weit und breit im Munde aller Menschen,
Könige wie Hirten, gepriesen war, da erließ er eines Tages
eine Kundmachung au seine getreuen Unterthanen, daß er von
nun an zu einer gewissen Stunde des Tages Jedwedem Gehör
gäbe, und jedem Rathsnchenden einen Rath ertheilen werde.
Es konnte nun nicht fehlen, daß der königliche Palast um diese
Zeit von Rathsbedürstigen belagert und erfüllt war. Doch nicht
lang dauerte dieser Andrang, die Menge blieb bald weg ■—
denn der König befahl einem Jeden, möglichst kurz zu sein, und
sein Rath war noch kürzer, der Sinn der Worte, die er spendete,
so dunkel, daß die Wenigsten befriedigt von dannen gingen.
Trotzdem erhielt sich der Brauch, daß, wer sich nicht mehr zu
helfen wußte, das Audienzzimmer des Monarchen aufsuchte, um
dort sein Heil zu versuchen.

So trafen sich eines Tages im Vorsaäle des Palastes
drei Männer, auf deren Gesicht der Mißmuth so deutlich zu
lesen war, daß ihre Absicht, aus deni Born der unerschöpflichen
Weisheit Salomo's zu schöpfen, jedem Beobachter klar werden
mußte. Da Niemand leichter geneigt ist, sein Herz auszuschütten,
als der bekümmerten Gemüthes ist, so kann es nicht Wunder
nehmen, daß wir sie jetzt einander ihre Bekümmerniß anstauschen
hören.

-„Ich habe", Hub der Eine — ein reich gekleideter,
behäbiger Mann — zu erzählen an, „von meinem Vater ein
großes Gut geerbt. Der Himmel segnete stets meine Ernte,
mein Vieh war immer das schönste im Landstrich, mein Wein
und mein Oel von allen Kaufleuten Jerusalem's wegen ihrer
Vortrefflichkeit noch bevor sie im Fasse waren, gekauft. Und
trotzdem, wenn ich zu Ende des Jahres meine Bilanz zog, so
war ich nicht reicher geworden, eher fand ich, daß etwas abging.
Wohin soll das führen? Ich fürchte schier, es lastet ein ge-
heimer böser Zauber aus meinem Anwesen."

Der Zweite sprach: „Ich bin ein Arzt, und habe den
größten Theil meines Lebens mit dem Studium meiner Wissenschaft
zugebracht. Ich war sogar auf der hohen Priesterschnle Egyptens,
und habe dort mich abgemüht, das Geheimniß der Heilkunst
zu erforschen. Und trotzdem will weder der vornehme noch der
arme Jernsalemitaner von mir etwas wissen, man ignorirt mich,
und während Charlatane sich Häuser erwerben, nage ich am
Hungertuch. Wenn nur der König mir hülfe!"

„Ei", sagte 'der Dritte, „ich bin der Elendeste von Euch.
Wie glücklich war ich vor einem halben Jahr! Da bestimmte
mich der Satan, ein Weib zu nehmen. Sie war und ist so
schön, daß sie das Staunen und die Bewunderung Aller erregte,
die sie sahen. Aber sic ist so böse und zänkisch, verbittert mir
jede Stunde des Tages und der Nacht, daß ich, wenn das so
fortgeht, unfehlbar dem Wahnsinne verfallen muß. Und wenn
ich sie ansehe, möchte ich doch nicht von ihr lassen, denn sie ist
so schön!" Und der Aermste zerdrückte eine Thräne.

In dem Moment öffnete der wachthabende Cavalier die
Pforte zum königlichen Gemache, und der Ersterzählcndc trat
ein. Salomo saß ans seinem Divan, würdigte den Kommenden '

keines Blickes, denn er war im Anschauen einer griechischen
Sclavin versunken, die seine erhabene Freundin von Saba ihm
vor Kurzem geschenkt hatte. Sic ruhte zu seinen Füßen, blickte
zu seinen Augen empor und schien Liebe ans seinen Mienen .
zu trinken. Zerstreut hörte der König den Erzählenden an,
doch als dieser geendigt hatte, da streifte ein flüchtiger Blick
Salomo's das Antlitz des Mannes, und er brach in die Worte
aus: „Geh', kaufe Dir einen Schlafrock!"

Verwirrt schlich der Mann von dannen, draußen vor
dem Thore die Leidensgefährten erwartend.

Als diese zurückkamen, sagte der Arzt höhnisch: „Fürwahr,
er spottet unser. Mir sagte er: Geh' nicht mehr zu Kranken!
Welch unsinniger Rath!" Der Dritte sprach: „Das Dümmste
hat er mir gesagt: Laß Dein Weib eine Nacht allein und geh'
in eine Mühle schlafen."

Mißmuthig trennten sich die Drei. —

Der reiche Mann, der nicht reicher werden konnte, ging
nach Hause, natürlich unbefriedigt. Doch wollten ihm die
Worte des Königs nicht aus dem Kopfe- Endlich dachte er:
Nutzt's nichts, so schadet's auch nicht, und kaufte im elegantesten
Laden der Residenz den schönsten Schlafrock, der aufzutreiben war
und verwahrte ihn sorgfältig im Schranke. Doch gingen seine
Angelegenheiten dadurch nicht besser, und als er eines Nachts
schlaflos auf seinem Bette lag und sich bekümmert hin und her
wälzte, da erhob er sich plötzlich, und gedachte in seinem Garten
einen Spaziergang zu machen, um sich von der kühlen Luft den
heißen Kops umwehen zu lassen. Da fiel ihm der Schlafrock
ein, flugs war er umgelegt, und behaglich umschloß das faltige
Gewebe die Glieder des Reichen. Der Spaziergang that ihm

wohl und aus dem Garten ging er vor sein Gehöfte, da wo die
Scheunen und Vorrathskammern standen. — Welch ein Anblick
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Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Die drei Rathschläge König Salomo's"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Hof <Motiv>
Haus <Motiv>
Spaziergang <Motiv>
Getreideernte
Knecht <Motiv>
Schlafstörung
Kaufmann
Karikatur
Diebstahl <Motiv>
Turban
Satirische Zeitschrift
Thema/Bildinhalt (normiert)
Schlafrock <Motiv>

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Alle Rechte vorbehalten - Freier Zugang
Creditline
Fliegende Blätter, 60.1874, Nr. 1499, S. 114
 
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