B o v o.
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weder an Intelligenz noch liebenswürdiger Lebhaftigkeit
fehlte. Benvenuto nnd seine Schüler bemerkten dies alles nur
"N Finge, denn die Augen dieser kompetenten Richter der
Frauenschönheit waren mit einem Male voll Bewnndernng auf
ftsw Mädchen haften geblieben, das bescheiden zwei Schritte
hinter ihren Eltern zurückgeblieben war.
Marguerite Barrot war in der That das schönste Geschöpf,
"As nur die Phantasie eines Künstlers ersinnen konnte. Dem
herrlichsten Körper war ein Haupt vermählt, das Alles, was
Fellini an antiken Gebilden und den Schöpfungen seiner besten
-Aiidsleute ans der Leinwand gesehen hatte, weit übertraf, und
Aus dem von dunklem Haare eingerahmten schönen Antlitz blickten
"uter langen Wimpern ein paar große schwarze Sammtangen
ȟt ebensoviel Geist als Unschuld hervor.
„Meister Barrot ist von heißer Sehnsucht erfüllt, die
Bekanntschaft des größten Bildners der neuen Zeit zu machen,
und seine Werke zu bewundern," wendete sich Pepin zu Cellini.
„®ÖAnt ihm die Freude, er verdient sie mehr, als die Herzoge
und Cardinäle, welche Euer Atelier besuchen."
„Erlaubt mir zuerst, in Euch einen Künstler zu begrüßen,
öor den: ich den Hut tief abziehen muß", sprach Benvenuto,
!>ch dem Buchhändler nähernd.
„Welch ein Scherz, wie soll ich das verstehen", stammelte
-öarrot j» einiger Verlegenheit.
„Ihr habt mich weit übertroffen", fuhr Cellini fort, indem
Auf die schöne Marguerite wies. Die Spannung löste sich
J11 allgemeine Heiterkeit. Cellini führte die Gäste in seine
Werkstatt und ließ sie alle seine Arbeiten sehen, welche Barrot's
Aufrichtige Bewunderung erregten. Indes; hatte sich Aseanio
'■'Ai schönen Mädchen genähert und spielte mit ebensoviel
Dcmuth als Witz den Cicerone desselben: Ein Blick hatte
! über sein Schicksal entschieden, die Liebe mit der ganzen vul-
kAiuschen Gewalt südlicher Leidenschaft von seinem Herzen Besitz
"'griffen. Als Marguerite mit ihren Eltern das Castell verließ,
!‘%e er ihnen von Weitem bis zu ihrem Hause und umkreiste
us>elbe „och lauge Zeit gleich einem Falken, der auf ein
Täubchen lauert.
In derselbe» Nacht ertönte plötzlich ein wunderbares Lied
dem Garten unter Margueriten's Fenster, — eine männliche
tinnne von seltenem Wohllaut wiegte sich in einer Melodie
aa süßem bezauberndem Charakter und holde einschmeichelnde
vrte sprachen von Liebe, von Liebesqual und Seligkeit.
Das schöne Mädchen öffnete das Fenster, aber sie konnte
I CI1 ©anger nicht entdecken.
Am nächsten Tage ging Aseanio vorüber und als sie sich
crausbeugte, grüßte er sie ehrerbietig, und dies geschah nun
Aglich. Ein stummes und doch beredtes Einverstündniß entstand
ö vischeu den Beiden und begann die Eltern des Mädchens zu
"mruhigen. Als sie Sonntags zur Kirche gingen, schien der
lunge Künstler sie au der Thüre zu erwarten; er bot Marguerite
!n j"Acr Hand Weihwasser an, sie tauchte lächelnd ihre Finger
JA Asselbe und berührte so die seinen. Vater Barrot ließ ein
j wildes: „Hm! hm!" hören.
| „Der Italiener scheint Dir zu gefallen", sagte er auf
dem Rückwege, „nimm Dich bei Zeiten in Acht. Jeh werde
niemals zugeben, daß sich meine Tochter an einen Unbekannten
hängt, der vielleicht nur ein genialer Landstreicher ist."
Marguerite schwieg, als Aseanio aber am nächsten Tage
wieder vorüberging, nahm sie eine rothe Rose aus ihrem dunklen
Haar, und warf sie ihm zu.
Cellini war indes; durch ein eigenhändiges Schreiben des
Königs von Frankreich nach Fontainebleau, wo derselbe eben
Hof hielt, berufen worden. Franz l. hatte die Absicht, die
Stempel aller Münzen seines Reiches durch den Künstler an-
fertigen zu lassen, und ihm Zeichnungen, welche seine Absichten
andeuteten, zugeschickt. Cellini hatte nach denselben seine Ent-
würfe gemacht und kam selbst, sie seinem hohen Müeen vorznlegen.
Da nahm ihn der Schatzmeister, der ihm das nöthige Material
auszufolgen hatte, bei Seite, und sagte ihm im Vertrauen: „Ben-
vennto, der Meister Giovanni Bologna hat vom König den Auf-
trag erhalten, Eueren großen Coloß zu machen, und die sümmtlichen
schönen Bestellungen, welche der König für Euch bestimmt hatte,
sind alle aufgehoben und nun ans ihn gerichtet. Es ist dies
das Werk der Marquise, welche diesen Bologna nur zu dem >
Zwecke an den Hof gebracht hat, um an Euch Rache zu nehmen.
Es kömmt uns vor, daß Euer Landsmann sich sehr verwegen
gegen Euch beträgt, denn Ihr hattet schon die Bestellung der
Werke durch die Kunst Eurer Modelle und Eurer Bemühungen
erhalten, nun nimmt sie Euch dieser durch die Gunst der
Madame d'EstamPes weg. Der König hat ihm die Arbeit
nicht geben wollen und mir allein durch die Emsigkeit der
Marquise ist es ihm gelungen." (Fortsetzung folgt.)
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weder an Intelligenz noch liebenswürdiger Lebhaftigkeit
fehlte. Benvenuto nnd seine Schüler bemerkten dies alles nur
"N Finge, denn die Augen dieser kompetenten Richter der
Frauenschönheit waren mit einem Male voll Bewnndernng auf
ftsw Mädchen haften geblieben, das bescheiden zwei Schritte
hinter ihren Eltern zurückgeblieben war.
Marguerite Barrot war in der That das schönste Geschöpf,
"As nur die Phantasie eines Künstlers ersinnen konnte. Dem
herrlichsten Körper war ein Haupt vermählt, das Alles, was
Fellini an antiken Gebilden und den Schöpfungen seiner besten
-Aiidsleute ans der Leinwand gesehen hatte, weit übertraf, und
Aus dem von dunklem Haare eingerahmten schönen Antlitz blickten
"uter langen Wimpern ein paar große schwarze Sammtangen
ȟt ebensoviel Geist als Unschuld hervor.
„Meister Barrot ist von heißer Sehnsucht erfüllt, die
Bekanntschaft des größten Bildners der neuen Zeit zu machen,
und seine Werke zu bewundern," wendete sich Pepin zu Cellini.
„®ÖAnt ihm die Freude, er verdient sie mehr, als die Herzoge
und Cardinäle, welche Euer Atelier besuchen."
„Erlaubt mir zuerst, in Euch einen Künstler zu begrüßen,
öor den: ich den Hut tief abziehen muß", sprach Benvenuto,
!>ch dem Buchhändler nähernd.
„Welch ein Scherz, wie soll ich das verstehen", stammelte
-öarrot j» einiger Verlegenheit.
„Ihr habt mich weit übertroffen", fuhr Cellini fort, indem
Auf die schöne Marguerite wies. Die Spannung löste sich
J11 allgemeine Heiterkeit. Cellini führte die Gäste in seine
Werkstatt und ließ sie alle seine Arbeiten sehen, welche Barrot's
Aufrichtige Bewunderung erregten. Indes; hatte sich Aseanio
'■'Ai schönen Mädchen genähert und spielte mit ebensoviel
Dcmuth als Witz den Cicerone desselben: Ein Blick hatte
! über sein Schicksal entschieden, die Liebe mit der ganzen vul-
kAiuschen Gewalt südlicher Leidenschaft von seinem Herzen Besitz
"'griffen. Als Marguerite mit ihren Eltern das Castell verließ,
!‘%e er ihnen von Weitem bis zu ihrem Hause und umkreiste
us>elbe „och lauge Zeit gleich einem Falken, der auf ein
Täubchen lauert.
In derselbe» Nacht ertönte plötzlich ein wunderbares Lied
dem Garten unter Margueriten's Fenster, — eine männliche
tinnne von seltenem Wohllaut wiegte sich in einer Melodie
aa süßem bezauberndem Charakter und holde einschmeichelnde
vrte sprachen von Liebe, von Liebesqual und Seligkeit.
Das schöne Mädchen öffnete das Fenster, aber sie konnte
I CI1 ©anger nicht entdecken.
Am nächsten Tage ging Aseanio vorüber und als sie sich
crausbeugte, grüßte er sie ehrerbietig, und dies geschah nun
Aglich. Ein stummes und doch beredtes Einverstündniß entstand
ö vischeu den Beiden und begann die Eltern des Mädchens zu
"mruhigen. Als sie Sonntags zur Kirche gingen, schien der
lunge Künstler sie au der Thüre zu erwarten; er bot Marguerite
!n j"Acr Hand Weihwasser an, sie tauchte lächelnd ihre Finger
JA Asselbe und berührte so die seinen. Vater Barrot ließ ein
j wildes: „Hm! hm!" hören.
| „Der Italiener scheint Dir zu gefallen", sagte er auf
dem Rückwege, „nimm Dich bei Zeiten in Acht. Jeh werde
niemals zugeben, daß sich meine Tochter an einen Unbekannten
hängt, der vielleicht nur ein genialer Landstreicher ist."
Marguerite schwieg, als Aseanio aber am nächsten Tage
wieder vorüberging, nahm sie eine rothe Rose aus ihrem dunklen
Haar, und warf sie ihm zu.
Cellini war indes; durch ein eigenhändiges Schreiben des
Königs von Frankreich nach Fontainebleau, wo derselbe eben
Hof hielt, berufen worden. Franz l. hatte die Absicht, die
Stempel aller Münzen seines Reiches durch den Künstler an-
fertigen zu lassen, und ihm Zeichnungen, welche seine Absichten
andeuteten, zugeschickt. Cellini hatte nach denselben seine Ent-
würfe gemacht und kam selbst, sie seinem hohen Müeen vorznlegen.
Da nahm ihn der Schatzmeister, der ihm das nöthige Material
auszufolgen hatte, bei Seite, und sagte ihm im Vertrauen: „Ben-
vennto, der Meister Giovanni Bologna hat vom König den Auf-
trag erhalten, Eueren großen Coloß zu machen, und die sümmtlichen
schönen Bestellungen, welche der König für Euch bestimmt hatte,
sind alle aufgehoben und nun ans ihn gerichtet. Es ist dies
das Werk der Marquise, welche diesen Bologna nur zu dem >
Zwecke an den Hof gebracht hat, um an Euch Rache zu nehmen.
Es kömmt uns vor, daß Euer Landsmann sich sehr verwegen
gegen Euch beträgt, denn Ihr hattet schon die Bestellung der
Werke durch die Kunst Eurer Modelle und Eurer Bemühungen
erhalten, nun nimmt sie Euch dieser durch die Gunst der
Madame d'EstamPes weg. Der König hat ihm die Arbeit
nicht geben wollen und mir allein durch die Emsigkeit der
Marquise ist es ihm gelungen." (Fortsetzung folgt.)
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Bovo"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 60.1874, Nr. 1501, S. 131
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg