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„Der Traumichnit."
Von Emile Mario Darmio.
(Schluß.)
„Ach warum denn weit!" sagte der Toni d'rauf. „In
dreiviertel Stunden bist dort, Cilli, und dann gehst ja immer durch
den Wald. Also gute Verrichtung, Sufi!" Und er rückte das
Hütet, und nickte, und drehte sich um auf dem Absätze und
ging hinter dem Garten herum gegen die Mostbaumallecn zu.
Die Cilli schaute ihm nach mit einem Gesichtet, welches
sich nicht beschreiben läßt: war's traurig oder zornig oder
Beides zusammen? Ihr seidenes Buseutüchcl mit der goldenen
Brache daran zitterte unter ihrem fliegenden Athen:. Und wie
sie ihn nicht mehr sah unter den Bäumen, da ging sie nicht
den Weg weiter gegen Winklern, sondern lief in den Portenhof
hinein, in die untere Stube an's Fenster, lehnte sich über's Fenster-
brett und erschaute ihn da wieder in den Alleen. Die alte
Kreszenz, die Wirthschasterin, trat ans dem Knödeldampfe der
Küche über's Vorhaus in die sonntägliche blanke Stube herüber
mit zwei großen Schritten, den Kochlöffel i>: der Hand, und
guckte herein. „Was, Du bist's, Cilli?" sagte sie, und wischte
; sich den Heerdschweiß von den alten Runzelwangen. „Jetzt Hab'
ich g'mcint. Du gehst nach Winklern hinüber, und der Trad-
^ hoftoni wird Dich begleiten; — war's nit so ausg'macht?"
„Ja, und schön ist's aus'gangcn!" rief die arme Cilli
i weinerlich. „Um'kehrt is er da am Thor und Glück auf den
Weg hat er mir g'wünscht, und steh'n hat ec mich 'lassen!
! Da müßt' ich ein Narr sein, daß ich allein hinüberzotteln thät'!
| Und da sagt der alte Tradhofer immer, wie gern mich der
I Toni hat, und daß schon alles richtig is , und — und —
{ Aber jetzt ist's aus, ganz aus! Ich werd' ihm nit nachlaufen,
dem talketcn Buben, dem!"
„Aber schau, Cilli!" beschwichtigte die Creszenz, „daß er
nit mitgehcn hat wollen, das is, weil er gar so scheu is, das
hat ja der Alte selber g'sagt — er is halt ein Traumichnit . .!"
„Ein Traumichnit?" flüsterte die Cilli halblaut, und neigte
sich hinaus zum offenen Fenster, und schaute ihm nach, wie er
den Feldweg einschlug, der in den Graben führte — in dci:
stillen Graben, wo nur eine einzige verfallene Keuschen stand
zwischen wilden Haselnußbüschen. „Das thät's noch! Aber
so wahr ich die Cilli bin, wenn ich bemerk', daß er sich bei
einer Andern mehr traut, als bei mir — dann ..." Sie
redete nicht aus. Sie schloß nur fest die energischen Lippen,
und die Thräne in ihrem Auge war versiegt.
Im Bratenrock, den schönen Stock mit dem geschnitzten
Hundskopfe in der Hand, ganz feierlich aussehend, stand am
Nachmittage dcs folgenden Tages der Tradhosbauer in seiner
Wohnstube vor seinem Sohne. „So geht's nit weiter," sagte
er fest, entschieden. „Wenn Du ein solcher Hasenfuß bist, so
kann die Verständigung zwischen Dir und der Cilli ganz wcg-
bleiben. Du wirst's dach nie dazu bringen, daß Du der Dirn'
recht schön thnst, aus lauter Scheu und Dummheit. Die Hcirath
aber is einmal bestimmt und sicher. Es handelt sich nur noch
um das Wann. Das Madel g'sallt Dir, ja sie g'fallt Dir
nur zu wohl, so daß D' ganz paff bist vor ihr, und sie is
Dir auch gut, mehr braucht's nit. Ich und ihr Vater, wir
hätten freilich wollen, daß Ihr jungen Leut' früher selber über-
eins werdet. Aber da's nit is, so is's nit. Ich geh' jetzt
zum Portenbaucrn, und bered' mit ihm die Hochzeit und das
Wann. In einer kleinen Viertelstund' konuust Du nach,
verstehst? Und wenn ich statt Dir red', ' so is Alles in der
Ordnung. Hörst, Bub', hätt' mir aber nit gedacht, daß Du
einmal ein solcher „Lacherl" wirst, daß Dein eigener Vater
für Dich reden muß bei der Braut, um ihr zu sagen, daß Du
verbrennt bist in sie. Also 's bleibt dabei. In einer Viertel- i
stund'. Heut' Abend muß noch Alles in Richtigkeit sein.
Hast mich verstanden?"
„I — ja, Vater," sagte der Toni, und kratzte sich hinter
dem Ohr.
Und der Tradbauer ging in den Portenhof. Der Toni
aber stopfte sich seine Pfeife, steckte sie in den Mund, verzog
das Gesicht, als ob er Galle gekostet hätte, klopfte sie wieder
aus, ging in der Stube auf und ab, versetzte dem ahnungslosen ]
unter der Ofenbank schlummernden Waldl einen Tritt, ging bis
zur Kellerthür mit einem leeren Mostglasc, ließ aber die kann:
geöffnete Fnllthüre wieder nicderfallen, stellte das Mostglas fort,
trat wieder in die Stube, und stellte sich vor den Wandkalender,
auf welchen: er mit beiden Zeigefingern den Kathrein-Tag auf-
suchte, van wo an keine Hochzeiten niehr gehalten werden
durften. Und wie die Viertelstunde »»: war, da machte er sich
auf den Weg zun: Portenhof hinüber.
„Der Traumichnit."
Von Emile Mario Darmio.
(Schluß.)
„Ach warum denn weit!" sagte der Toni d'rauf. „In
dreiviertel Stunden bist dort, Cilli, und dann gehst ja immer durch
den Wald. Also gute Verrichtung, Sufi!" Und er rückte das
Hütet, und nickte, und drehte sich um auf dem Absätze und
ging hinter dem Garten herum gegen die Mostbaumallecn zu.
Die Cilli schaute ihm nach mit einem Gesichtet, welches
sich nicht beschreiben läßt: war's traurig oder zornig oder
Beides zusammen? Ihr seidenes Buseutüchcl mit der goldenen
Brache daran zitterte unter ihrem fliegenden Athen:. Und wie
sie ihn nicht mehr sah unter den Bäumen, da ging sie nicht
den Weg weiter gegen Winklern, sondern lief in den Portenhof
hinein, in die untere Stube an's Fenster, lehnte sich über's Fenster-
brett und erschaute ihn da wieder in den Alleen. Die alte
Kreszenz, die Wirthschasterin, trat ans dem Knödeldampfe der
Küche über's Vorhaus in die sonntägliche blanke Stube herüber
mit zwei großen Schritten, den Kochlöffel i>: der Hand, und
guckte herein. „Was, Du bist's, Cilli?" sagte sie, und wischte
; sich den Heerdschweiß von den alten Runzelwangen. „Jetzt Hab'
ich g'mcint. Du gehst nach Winklern hinüber, und der Trad-
^ hoftoni wird Dich begleiten; — war's nit so ausg'macht?"
„Ja, und schön ist's aus'gangcn!" rief die arme Cilli
i weinerlich. „Um'kehrt is er da am Thor und Glück auf den
Weg hat er mir g'wünscht, und steh'n hat ec mich 'lassen!
! Da müßt' ich ein Narr sein, daß ich allein hinüberzotteln thät'!
| Und da sagt der alte Tradhofer immer, wie gern mich der
I Toni hat, und daß schon alles richtig is , und — und —
{ Aber jetzt ist's aus, ganz aus! Ich werd' ihm nit nachlaufen,
dem talketcn Buben, dem!"
„Aber schau, Cilli!" beschwichtigte die Creszenz, „daß er
nit mitgehcn hat wollen, das is, weil er gar so scheu is, das
hat ja der Alte selber g'sagt — er is halt ein Traumichnit . .!"
„Ein Traumichnit?" flüsterte die Cilli halblaut, und neigte
sich hinaus zum offenen Fenster, und schaute ihm nach, wie er
den Feldweg einschlug, der in den Graben führte — in dci:
stillen Graben, wo nur eine einzige verfallene Keuschen stand
zwischen wilden Haselnußbüschen. „Das thät's noch! Aber
so wahr ich die Cilli bin, wenn ich bemerk', daß er sich bei
einer Andern mehr traut, als bei mir — dann ..." Sie
redete nicht aus. Sie schloß nur fest die energischen Lippen,
und die Thräne in ihrem Auge war versiegt.
Im Bratenrock, den schönen Stock mit dem geschnitzten
Hundskopfe in der Hand, ganz feierlich aussehend, stand am
Nachmittage dcs folgenden Tages der Tradhosbauer in seiner
Wohnstube vor seinem Sohne. „So geht's nit weiter," sagte
er fest, entschieden. „Wenn Du ein solcher Hasenfuß bist, so
kann die Verständigung zwischen Dir und der Cilli ganz wcg-
bleiben. Du wirst's dach nie dazu bringen, daß Du der Dirn'
recht schön thnst, aus lauter Scheu und Dummheit. Die Hcirath
aber is einmal bestimmt und sicher. Es handelt sich nur noch
um das Wann. Das Madel g'sallt Dir, ja sie g'fallt Dir
nur zu wohl, so daß D' ganz paff bist vor ihr, und sie is
Dir auch gut, mehr braucht's nit. Ich und ihr Vater, wir
hätten freilich wollen, daß Ihr jungen Leut' früher selber über-
eins werdet. Aber da's nit is, so is's nit. Ich geh' jetzt
zum Portenbaucrn, und bered' mit ihm die Hochzeit und das
Wann. In einer kleinen Viertelstund' konuust Du nach,
verstehst? Und wenn ich statt Dir red', ' so is Alles in der
Ordnung. Hörst, Bub', hätt' mir aber nit gedacht, daß Du
einmal ein solcher „Lacherl" wirst, daß Dein eigener Vater
für Dich reden muß bei der Braut, um ihr zu sagen, daß Du
verbrennt bist in sie. Also 's bleibt dabei. In einer Viertel- i
stund'. Heut' Abend muß noch Alles in Richtigkeit sein.
Hast mich verstanden?"
„I — ja, Vater," sagte der Toni, und kratzte sich hinter
dem Ohr.
Und der Tradbauer ging in den Portenhof. Der Toni
aber stopfte sich seine Pfeife, steckte sie in den Mund, verzog
das Gesicht, als ob er Galle gekostet hätte, klopfte sie wieder
aus, ging in der Stube auf und ab, versetzte dem ahnungslosen ]
unter der Ofenbank schlummernden Waldl einen Tritt, ging bis
zur Kellerthür mit einem leeren Mostglasc, ließ aber die kann:
geöffnete Fnllthüre wieder nicderfallen, stellte das Mostglas fort,
trat wieder in die Stube, und stellte sich vor den Wandkalender,
auf welchen: er mit beiden Zeigefingern den Kathrein-Tag auf-
suchte, van wo an keine Hochzeiten niehr gehalten werden
durften. Und wie die Viertelstunde »»: war, da machte er sich
auf den Weg zun: Portenhof hinüber.
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Der "Traumichnit""
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 60.1874, Nr. 1507, S. 178
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg