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Der Trau m ichnit.

„Aber ja, Vater, wenn die Cilli nur nit gar so reich
und schön war' .... das macht mich noch scheuer, als ich
schon bin . . .!"

Am andern Tag, da war der Toni schon mit aller Früh
auf den Feldern draußen, als der alte Tradhofer erst seine
i Frühsuppe aß. Der Alte winkte dem Knechte von der Futter-
I Maschine im Hof zu sich herein, und fragte ihn mit zwinkernden
Augen: „Flori, is der Toni heut' in der Nacht ausg'west?"
Der Flori, fast ei» so alter Kerl, wie der Tradhofbauer selber,
lachte mit seinem zahnlosen, stoppelumkränzten Munde, zwinkerte
zurück und sagte: „Freilich wohl, Bauer. Der Toni is so
! um Zehn herum fort über'n Hinterzaun."

„Und wann is er denn wiederkommen, Flori? Du hast
ja so keinen Schlaf."

„Freilich Hab' ich keinen Schlaf. Der Toni is erst um
drei Uhr früh wiederkommen, Bauer, aber durch den Vorderzaun.

! Hat sich auch gar nicht schlafeng'legt, so lustig war er. Ein Liedel
nach dem andern hat er sich 'Pfiffen, ganz stat, hat sich sein Werk-
! zeug g'nommen und is wieder fort auf's Feld." Der Tradhof-
bauer zwinkerte ganz zufrieden, der Knecht zwinkerte kichernd zurück;
j der Tradhofbauer löffelte dann seine Suppe ganz aus und der
j Knecht tappte wieder zu seiner Futtermaschine hinaus. Der Trad-
hofbauer niachte seine» Ruudgang durch alle Ställe, auf den
Heuboden hinauf, zu den Scheuern hiniiber. guckte an jedem
I Mostbirnbauine hinauf, und schleuderte dann den Feldern zu
auf dem Umwege, der am Portenhof vorüberführt, ganz zufrieden
damit, daß alles in Ordnung war: das Vieh, die Mostbirnen,

! und die Sach' mit seinem Sohn und mit der Portencilli.

Der Portenhof lag ganz strahlend da im rothcn Herbst-
, morgenglanze, als ob er aus den frischesten Rosenblättern auf-
gebaut sei. Und die weiten Hopfengärten um ihn herum
> wiegten sich hin und her im frischen Morgenwind, als ob sich
j im nächsten Augenblicke jede einzelne dichtbebuschte Hopfenstange
zum Tanzen anschicken wollte.

Und richtig stand die Cilli im Hausgürtcl zwischen den
rothcn Pappelrosen, und schnitt Grünzeug aus der Erde. „Grüß
Gott, Cilli!" rief der Tradhofbauer und blieb stehen, um seinen
Ulmerkopf frisch zu stopfen.

Die Portencilli richtete sich hoch auf, daß sie selber so
groß wurde wie eine Pappelstaude; aber auch so steif wie eine
sülche machte sie sich, denn sie war augenscheinlich übler Laune.
Wie sie den Tradhofbauern erkannte, wurde sie ganz roth bis
in den Hals und schnitt ein Gesicht. Sic stemmte den Grün-
zeugkorb in die Hüfte, wandte sich dem Hof zu und sagte nur
so über die Achsel zurück: „Auch so viel!"

Der Alte ließ seinen Mund so offen stehen, Ivie seinen
Tabaksbeutel. Holla! Da war's nicht in der Ordnung!
Was sollte denn das bedeuten? „He, Cilli!" rief er dem
Mädel nach, „hast — hast den Toni nit g'seh'n?"

„Kümmcr' mich g'rad' um den ersten, besten Buben!"
machte sie kurz zurück. „Seit vorgestern Hab' ich ihn nit g'seh'n,
aber auch nit nach ihm ausg'schaut, das könnt's mir glauben.

Sucht's ihn in seiner Schlafkammer, vielleicht liegt er noch
unter der Tuchent."

Sprach's, und verschwand im Hof; und der Tradhofer
sah deutlich, daß sie so schnell abfuhr, weil ihr der Zorn
förmliche „Krikerln" (Grübchen) machte aus ihrem hübschen,
herzigen Gesichterl und drinnen hörte er sic nießen. „Holla!
da soll mir doch 's Donnerwetter in den Buben fahren!"
zürnte der Alte, und stopfte die Pfeife, als ob er eine Gans
mit Nudeln tractire. „Die arme Dirn' hat heut' in der Nacht
's Fenster! umsonst offen 'lassen, und hat dabei einen tüchtigen
Strauchen (Schnupfen) kriegt. Aber in dreimaltausend Teufels
Namen, wo is er denn g'steckt, der Lottersbub?"

Und schnell war er auf den Feldern am Waldrain drüben,
der Alte, ohne auch nur einen Blick zu werfen auf die Saat
der Nachbarn oder auf die drohenden „Regenwurzen" am Himmel.
Und da arbeitete der Toni in Hcmdärmeln, das Hütel tief im
Genick, und die Pfeife in der Hosentasche, weil er sie bei
seinem lustigen Jodeln nicht brauchen konnte.

„Aushalten!" rief der Alte dem Jungen zu und faßte
seinen Stock fester. „Wo bist g'wescn heut' Nacht?"

Der Toni war ganz roth, von der gebückten Stellung
vermutlich, und er drehte an seinen kurzen, goldfarbenen
Lippenhaaren, als ob er dadurch seine natürliche Farbe wieder-
erhalten könnte. Aber gleich darauf blitzten seine Spitzbuben-
augen wieder so lustig wie je, und seine Zähne blitzten und

glänzten: „Wo werd' ich g'wesen sein? Fensterln war ich,
Vater. Ihr habt's mir ja selber g'schafft."

„Teuxelsbub' übereinander, verwetterter! Aber bei der
Cilli warst nit, wie ich Dir's g'schafft Hab'! Willst Dir's denn
verderben mit Gewalt? Find'st Du ein hübscheres Mädel und
ein braveres und ein reicheres, als die Portencilli? Alle zehn
Finger kannst Dir ableckcn, daß Du ihre Hand kriegst. Und so
ein gutes Geschöpf is sie! Und gern hat's Dich so viel,
und Du! . . ."

„Aber mein Gott, ja, Vater. Kein Mensch sicht ja das

besser ein als ich, daß die Cilli die schönste Dirn' is, und die

Reichst', und die Bravst', und ein gut's Herz hat sie für alle
Armen und laßt kein Mutterl vorübergeh'u und kein' Krüppel
ohne den Speiskastcu nufzumachcn; und daß ich das alles
sich und weiß, das is ja eben das Unglück und das Malheur
bei der ganzen Sach'! Da Hab' ich eine solche Achtung vor
ihr, daß ich mich gar nicht hinzu getrau zu ihr, weil ich halt
g a r so ein scheuer Kerl bin! Und so war's heut' in der
Nacht auch. Bis zum Portenhof bin ich 'kommen, und 's
Herz hat mir g'schlagen, und g'frcut Hab' ich mich auf's
Fensterln, daß ich's gar nit sagen kann; und zuschleichen Hab'
ich mich wollen, und die Cilli fragen, obs' mir gut sein kann.
Und wie ich so voller Glück immer näher komm', da war 's
Fenster! richtig offen, ganz deutlich hat man's g'seh'n zwischen
den Pappelstauden. Aber da war's auch schon vorbei mit
meiner Kurasch, und g'rennt bin ich, g'reunt was ich nur Hab'
rennen können. Schaut's Vater, ich Hab' Euch g'folgt, soweit's
'gangen is — mehr Hab' ich uit thun können, und daß ich so
scheu bin, kann ich was dafür?"
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