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Eine weibliche

heißesten aller Weltgegenden, und indem man sich einer der re-
nommirtercn dieser Oasen nähert, begegnet man ganzen Prozessionen
von Tiger», Elephanten, Leoparden, Krokodilen, Hyänen, Löwen,
Antilopen, Giraffen und Schlangen; die Lüfte sind völlig ge-
schwärzt durch Wolken von durstigen Papageien, Geyern, Adlern,
Marabants, Straußen und Kolibri's. Es ist wahr, diese reißenden
Thiere — wie man sie in zoologischen Werken nennt — sind zum
Glücke der Missionäre viel zu sehr mit ihrem Durste beschäftigt,
um meuchlerische Gedanken zu hegen, aber dennoch gehört eine
Zusammenkunft mit diesen aneinander gedrängten Bestien nicht
zu den größten Annehmlichkeiten dieses Lebens; das Gebrülle,
das Gekreische, das Gequieke dieser vier- und zweibeinigen Wesen
macht mich jederzeit nervös. Du kannst Dir überdies den
leidenden Gemüthszustand meiner Nettel vorstellen. Dieses reiz-
bare Geschöpf wird bei diesen Reunionen der Wüstenbevölkerung
völlig exaltirt. Ihre Thränen, welche seit unserer Ankunft in
Wien fast beständig flössen, verdoppeln sich beim Anblicke dieser
unter stillen Thränen ersehnten Oasen, und verdreifachen sich,
wenn in unserer unmittelbaren Nähe die wilden Thiere, nach
Löschung ihres Durstes, mit schrecklichem Gebrülle sich aufeinander
und übereinander stürzen und sich nicht selten mit Haut und Haaren
anffressen. Gestern erlebte ich auf einer dieser Oasen eine Scene,
bei deren Reminiscenz mir noch heute die Haare zu.Berg stehen.
Wir zogen durch die Wüste; ich spielte ans dem Höcker meines
Kameeles eine Mendelssohn'sche Nocturne ans der Harfe; mein
Gefährte Müller deklamirte ein Gedichtchen von Geibel, Nettel
weinte leise vor sich hin, indem ihr schaudernder Blick bald
auf dem Halse ihres Kameeles, bald ans dein Mohren ruhte,
welcher unsere Kameele antrieb. Da zeigte sich in heiterer
Ferne eine Oase; durstige Löwen und Tiger, erhitzte Gazellen
und schwitzende Elephanten drängten sich heran, um sich an' der
lauen Flnth der nahen Quelle zu erquicken.

Wir hielten unser» Zug au, um nicht von den Füßen
ungehobelter Elephanten zertreten zu werden, und ich zog, um
wenigstens der Wissenschaft nützlich zu sein, meinen Reisethermometer
hervor und fand, daß die Luftwärme 33 Grade im Schatten
meines Kameelhalses betrug, was verhältnißmäßig kühl genannt
werden durfte. Nachdem sich die Bestien vollgetrunken hatten,
entfernten sic sich paarweise, nur einige der größten Exemplare
blieben unter der Palme zurück. Zwei riesenhafte Löwen durch-
bohrten sich mit Blicken, in welchen sich der ganze Fanärismus
ihrer ungezügelten Natur widerspiegelte. Einer derselben schlug
mit seinem zornigen Schweife so fürchterlich herum, daß er einer
neugierig lauschenden Giraffe den langen Schwanenhals wie mit
einem scharfen Messer mitten dnrchschnitt. Um den umstürzeuden
Leichnam der gemordeten Giraffe erhob sich nun ein mörderischer
Kampf zwischen den beiden Königen der Wüste, welcher dainit
endigte, daß beide todesmatte Löwen von hinten durch bissige
Hyänen angefalleu und endlich stückweise unter schrcckbarem Ge-
heule anfgefressen wurden.

Nach diesem gegenseitigen Erwürgen flohen die Uebrig-
gebliebencn und wir zogen sehr agitirt in die Oase ein. Hier
ließen wir uns ans dem weichen Rasen nieder und erquickten
uns an einigen Datteln, welche der Mohr mittelst eines Pfeiles
von dem Baume heruntergeschossen hatte.

Reise nach Suez.

Ich saß da, die Harfe vor mir, und sang ein deutsches
Volkslied. Herr Müller wollte mir einen Blumenkranz winden —
ach I er ist so unendlich galant — und suchte afrikanische Vcrgiß-
meinnichte, konnte aber keine finden. Nettel weinte still am
Rande der Quelle. Dann brach ich plötzlich meinen schmelzenden
Gesang ab, ließ meine Harfe sanft verklingen und warf einen
jener Blicke auf Müllern, welche so viel bedeuten. Müller
kam heran und setzte sich zu meinen Füßen. Sein Blick siel
auf Nettel» und auf den schlummernden Mohre». Ich wußte,
daß ich verstanden war.

„Allein!" lispelte der blonde Jüngling, „und doch nicht
alleene!" Ich reichte ihm stumm meine Hand; er bedeckte
sie mit tausend Küssen und schwieg weiter. Müller blickte
mich längere Zeit an, dann lispelte er fragend, frag er lispelnd:
„Laura, Sie sind Wittwe?"

Seufzend erwiderte ich: „Ja!"

„Laurai" lispelte er weiter, „Sie haben Vermögen?"

Sanft lächelnd erwiderte ich: „Ja!"

„Laura," lispelte er abermals weiter, „Lauretta, schönste
aller vereinsamten Wittwen, hier in der Wüste Sahara, im
Centralpunkte der Welt, schwöre ich Ihnen clvigc Liebe! Wollen
Sie meine Geinahlin werden? Arm bin ich, aber voll der
uneigennützigsten Liebe I"

Leonie! Mein Herz schmolz, ich schlug einige Akkorde aus
meiner Harfe an, dann ließ ich sie leiser und leiser verklingen
und endlich hauchte ich ein „Ja!"

Ich bin Braut. Wer hätte es mir prophezeihcn können,
— in Afrika, in einer Wüste, auf einer Oase Braut zu werden?
O Oase, o Oase meines häuslichen Glückes! Mein bisheriges
Alleinsein glich der Wüste Sahara, mein künftiges Leben wird
einer Oase gleichen! Müller ist so ganz eommg II faut. Seine
Tournüre ist so degagirt, sein Auge himmelblau, seine Größe
imposant, seine Kraft enorm. O Leonie, nicin Leben lvird
eine Oase sein und Müller mich beschützen wider alle Elephanten,
Krokodile und Schlangen dieses irdischen Daseins! —

Nachdem wir uns also ein Weilchen mit dem Ausdruck

vollster Liebe angeblickt hatten, fuhr mein Bräutigam fort:
„Ach, Laura'chcn, verlassen mir doch so bald als möglich diese»
ennüyauteu Welttheil! Eilen wir nach Berlin, der Hauptstadt
der Intelligenz!"

„Müller meines künftigen Glückes!" lispelte ich, „sollte ich
nur aus dem einzigen Grunde nach Afrika gegangen sein, um
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Eine weibliche Reise nach Suez (Aus den Jugenderinnerungen Laura's)"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Oberländer, Adolf
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Schleier <Motiv>
Dienstmädchen <Motiv>
Harfe <Motiv>
Hochschullehrer <Motiv>
Sahara
Kaftan
Verlöbnis <Motiv>
Karikatur
Oase
Reisender <Motiv>
Turban
Heiratsantrag <Motiv>
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Alle Rechte vorbehalten - Freier Zugang
Creditline
Fliegende Blätter, 68.1878, Nr. 1704, S. 90
 
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