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114 Bericht über die

verlassen entrüstet das Local. A wird mit großer Mehrheit
zum Präsidenten gewählt.

Erster Gegenstand der Tagesordnung: „Besprechung
über den Wegfall der großen Anfangsbuchstaben."

B (gegen den Wegfall): „Meine Herrn! Betrachten
wir die Frage einfach vom Standpunkt der Gerechtigkeit.
Nennen Sie cs gerecht, daß sich die menschlichen Eigennamen
allein mit großen Buchstaben schmücken sollen, während dieser
Schmuck andern für uns ebenso nützlichen Dingen, wie: der
Feder, dem Tintenfasse, der Druckerschwärze, dem Papier, dem
Streusand fehlen sollen? Sind uns diese Gegenstände nicht
ebenso nothwendig zur Existenz und Behaglichkeit als der Mensch?
(Hört, Hört!) Finden Sie es gerecht, wenn der Mensch groß,
der Elephant aber klein geschrieben werden soll? Ist es billig,
eine kleine Pepi z. B. groß, einen Berg aber klein zu schreiben?
Sind nicht das Rhinozeros, der Büffel, der Wallfisch, ja selbst
der Ochse größer als der Mensch?" (Allgemeines Bravo.)

A kann dem Redner nicht beistimmen. Es hält die
Beschränkung des Gebrauches großer Buchstaben auf Eigen-
namen für nützlich, es solle jeder große Buchstabe gleich oft
zur Anwendung kommen. Redner beklagt, daß er selbst im
Verhältnisse zu andern beinahe ganz außer Uebung gekommen sei.

W beschuldigt deßhalb den Vorredner engherziger Selbst-
sucht. „Es ist eine allen Kindern bekannte Thatsache, daß
jeder iklustrirte Abc-Schreiber bei keinem Buchstaben mehr

in Verlegenheit kommt, als bei -k. Zum Glück habe es einen

König Terxes und ein böses Weib, die Aantippe, gegeben, sonst
wäre -k längst aus jedem Abc-Buch verschwunden."

-k: Man möge sich über ihn lustig machen, wie man

wolle, .er beharre auf seiner Meinung. Uebrigens gebe es
doch ein Wart von hoher Bedeutung und hohem Werthe,
das man mit £ schreibe — er verweise aus eines der höchsten
Güter — die „Wundheit." (Allgemeines Gelächter.)

W: „Meine Herrn! Diese Bemerkung meines Herrn
Vorredners richtet sich selbst! Ich will Sie nur daran er-
innern, daß es von jeher das Zeichen einer gemeinen Ge-
sinnung war, Jemanden ein £ für ein U zu machen. Es
geht daraus hervor, daß der Buchstabe £ sich von jeher der
allgemeinen Verachtung erfreut hat." (Beifallssturm. Ein Ruf-

zeichen aus der Gallerie springt vor Vergnügen in die Höhe.)

Z beantragt aus Gewohnheit Schluß der Debatte. Die
Resolution: „Wir protestiren gegen den Wegfall der großen
Anfangsbuchstaben", wird abgclehnt, da alle kleinen Buchstaben
und groß ik dagegen stimmen, groß P aber sich der Ab-
stimmung enthält. —

Zweiter Gegenstand der Tagesordnung: „Anhörung
speciellcr Wünsche einzelner Herren Buchstaben."

Das Wort erhält zunächst klein h, welches mühsam seine
Thränen niederkämpfeud, die Tribüne besteigt und in weiner-
lichem Tone beginnt: „Meine Herrn! Ich weiß nicht, ob ich
vor Bewegung sprechen kann. Wo ist ein Buchstabe, dem
gleiches Unrecht bevorsteht, wie mir. Es gab Zeiten, wo mau

mich überall anbrachte, auch an Stellen, wo ich weder Sinn
noch Bedeutung hatte. Ich will nicht jene früheren Zeiten wieder
herbeiwünschen — es war mir das selbst zu viel — aber ich

Verhandlungen rc.

will mich da nicht verdrängen lassen, wo ich in meinem vollen
Rechte bin. Was sind Thränen ohne mich, was Thiere, Thüren
und Thore ohne h? Mit P verbunden, erhob ich die Philosophie
zur ersten Wissenschaft, jetzt geht man damit um, die Filosofie
wie die Fotografie mit f zu schreiben. Mit Muth war ich
Jahrzehnte verbunden, ich gab der Blüthe den duftigen Hauch,
ich schützte das Eigenthum, stützte den Thron, ich milderte den Ruhm,
ich war beim Ohm, wie bei der Muhme, ich gab der Ruh' wie
der Kuh den hauchenden Abschluß. Denken Sie nur, wenn das
Alles anders werden soll, welche Verwirrung dadurch in die
Welt kommt. Wie viele Fehler wird die deutsche Jugend der
Zukunft machen, wenn sie Flut ohne mich, Gluth aber mit
mir schreiben soll. Wie viele Strafen, wie viele Unzufrieden-
heit werden die Folge sein?! Man will nichts Gedehntes
mehr, Alles soll rasch gehen, wie die Eisenbahn, und doch bin
ich gerade in dem Worte . Eisenbahn derjenige Buchstabe, der
verhütet, daß nicht aus dem wohlthätigen Verkehrsmittel ein
Eisenbann wird. Wie man mich als Dehnungszeichen verwirft,
so wird es auch andern Buchstaben gehen. Man wird bald
so weit kommen, auch das dehnende e zu beseitigen, so daß wir
Liebe ohne e haben werden — vielleicht als Gegensatz zu den
Ehen ohne Liebe. Was soll die Ehe ohne mich, das trennende
und zugleich verbindende h? Blicken Sie wohin Sie wollen,
ich leiste meine Dienste überall. Aber täuschen Sie sich nicht,
meine Herrn! Mein Schicksal ist das Ihrer Aller. Bin erst
Ich beseitigt, dann werden noch Viele von Ihnen folgen müssen.
Darum nehmen Sie sich meiner an — Sie schützen dadurch sich
selbst am besten!" (Allgemeines Bravo.)

C ist vollständig mit den Ausführungen des Vorredners
einverstanden; man müsse derartigen grundlosen Neuerungen
ein für allemal energisch entgegentretcn. Es seien viele
College» in ähnlicher Lage, so auch Redner selbst. Man wolle
vielfach Worte wie Cigarren, Cichorie rc. mit Z schreiben.
Was Cigarren mit Z anbelangt, so enthalte er sich jeder Kritik
darüber: er habe sie noch nicht geraucht, aus Furcht, das Z
möchte ihm im Halse stecken bleiben, oder gar in den Magen
kommen. (Heiterkeit.) Aber auf einen Uebclstand erlaube sich
Redner aufmerksam zu machen: bekanntlich würden von den ab-
geschnittenen vorderen Cigarrenthcilen Waisenknaben erhalten;
wenn nun aber statt derselben lauter große Z eingingen, davon
würden die Waisenknaben nicht satt werden! Die Beibehaltung
der alten Schreibweise sei daher ebenso dringend im national-
ökonomischen wie im Humanitätsinteresse geboten.

Z tritt diesen Ausführungen scharf und bestimmt ent-
gegen. Daß die Cigarren schlechter würden, wenn man sic
mit Z schriebe, sei unmöglich, da sie jetzt bereits schlechter als
schlecht wären. (Rufe: „Zur Sache!")

Z: „Ich komme zur Sache, meine Herrn, nämlich zu
den gänzlich unberechtigten Klagen des kleinen h. Wenn
dasselbe die Frechheit gehabt hat, sich an Orten einzudrängen,
wohin es nicht gehört, so geschieht es ihm ganz recht, wenn es
hinausgeschmissen wird. (Rufe: „Zur Ordnung!")

Der Präsident erklärt die Worte des Redners für un-
parlamentarisch und ruft denselben zur Ordnung.

Redner remonstrirt dagegen, unterstützt von den wüst
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