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186

Ein frommer Tobias.

Historische Novelle.
(Schluß.)

„Wer seid Ihr", fragte er, „und was sucht Ihr hier?"

„Das fragen wir Dich, Hallunke," rief der Sergeant, seine
Pistole auf ihn richtend, „rühre Dich mit keiner Wimper, sonst
bist Du des Todes."

„Fehlgeschossen," erwiderte der Fremde und lachte laut
auf, „hier gibt es keine Beute, — kennt Ihr mich nicht, ich bin
doch keiner der Schlechtesten unserer Zunft."

„Ich kenne Dich nicht, — wie nennst Du Dich?"

„Penville."

„Penville," wiederholte der Sergeant, „wo thu' ich den
Namen hin?! Stehst Du nicht bei dem Bischof von Raphon in
Dienst?"

„So ist es; Mylord Twysden, Bischof von Raphon, ist
mein Herr und dies Wendover, sein Schloß."

„Dann sind wir an den Rechten gekommen," rief der
schottische Riese; „was meinst Du, könnte Dein Herr ein paar
brave tollkühne Bursche, wie wir es sind, brauchen?"

„Warum nicht," eutgegnete Penville, „aber wo kommt
Ihr her?"

„Aus Irland."

„Aus Irland gar!"

„In, ein weiter Weg, gelt, aber schlechte Geschäfte, ver-
steht Ihr, blieb also nichts übrig, als im fröhlichen England
sein Glück versuchen," gab der Sergeant zur Antwort. „Nun
wie kommt es aber, daß Euer Herr uns in das Handwerk
pfuscht?"

„Fragt ihn selbst," sagte Penville, „mich kümmert's nicht."

„Ich denke, ihm ist es weniger um die Goldfiichse und
mehr um die schönen Weiber dabei zu thun."

„Möglich."

„Möglich!" spottete der Riese, „alter Sünder, willst Du
etwa läugnen, daß er in der vergangenen Nacht Lady Arabella
Wells geraubt hat und hier in seinem Schlosse gefangen hält?"

„Wißt Ihr das auch schon," staunte Penville, dem die
Sicherheit des Sergeanten imponirte und keinen Zweifel auf-
kommen ließ.

„Ich weiß Alles," sagte der Riese, „jetzt aber zur Sache.
Wenn Euer Herr ein schönes Geschäftchen mit uns in Com-
pagnie machen will, morgen Nachts passiren zwei reiche, junge
und schöne Damen, Lady Perwale und Lady Susfolk in ihrer
Kutsche, nur von einem Kutscher geführt, die Haide; ich habe
alles ausgeknndschaftet in London drin, aber — halb Part,
verstehst Du, sonst wäre ich im Stande, Euerem Bischöfe den
rothen Hahn auf das Dach zu setzen!"

„Will's ihm ausrichten", brummte Penville.

„Wir sind vor Mitternacht zur Stelle, am Kreuzweg, dort
wo Ihr gestern die Ladies überfallen habt," schloß der Riese.

„Ein Teufelskerl," lachte Penville, „er weiß alles."

„Gott besohlen," rief der Riese und sprengte davon.

„Gott befohlen," tönte es ihm nach, durch die Nacht. So
fromm grüßten sich zu jener Zeit die Strauchritter.

Am folgenden Abend verließ eine Kutsche, deren Fenster-
geschlossen und überdies; mit Vorhängen von Innen ver-
hängt waren, London. Es waren die schweren Pferde der
Lady Wells, welche den kolossalen Reisewagen derselben zogen,
und auf dem Kutschbock dieser würdevollen Arche Noah saß der
dicke Kutscher, welcher mindestens zweimal in der Viertelstunde
seine Seele Gott befahl und von London bis zur Hounslow-
Haide alle Stadien der Todesangst durchmachte.

Eine Stunde später ritt Sir Leeds, der tapfere Freund
und Kamerad des Sir Ravenglaß an der Spitze von zehn
Dragonern durch London und schlug dieselbe Richtung ein,
welche die Kutsche genommen.

Es mochte Mitternacht sein, als die letztere in die Nähe
des Kreuzweges auf der Hounslow-Haide gelangte; der dicke
Kutscher klapperte verzweifelt mit den Zähnen und betete laut.
Plötzlich ertönte ein Pfiff und ein zweiter und er sah deutlich
in der sternhellen Nacht rechts und links aus den Gebüschen
verlarvte Reiter hervorbrechen. Wie es ihm anbefohlen war,
peitschte er mit allem Aufwand der geringen Kraft, die ihm
noch zu Gebote stand, auf seine Pferde los, aber schon sprengten
die Strauchritter im Galopp heran, und einer derselben fiel
den Pferden in die Zügel. In demselben Augenblicke ließ der
Kutscher dieselben los — ohne diesmal die zwanzig Pistolenläufe
abzuwarten, und warf sich vom Kutschbock auf die Straße,
mit dem Gesicht zur Erde.

Beinahe zu gleicher Zeit ritt ein Mann, welcher ebenfalls
verlarvt war, an den Wagen heran; ehe er jedoch dazu kam,
den Schlag desselben zu öffnen, wurde derselbe von Innen
ausgerissen, und Sir Ravenglaß, welcher mit dem Sergeanten
und zwei anderen Dragonern in dem Wagen saß, feuerte seine
Pistole ans ihn ab.

Die Kugel drang dem vornehmen Tobias in den Unterleib.
Er schwankte im Sattel und fiel rücklings in die Arme seiner Leute.

Schon waren aber die Gegner aus dem Wagen gesprungen,
und der schottische Riese hatte mit seiner eisernen Fanst den
verwundeten Führer der Bande bei der Brust gefaßt, während
er seinen Degen mit der Linken dem Pferde desselben zwischen
die Rippen stieß. Schüsse wurden gewechselt; Sir Ravenglaß
warf sich, in einer Hand den Degen, in der andern die zweite
Pistole, mitten unter die Räuber; zugleich ertönte Hufschlag In
der Nähe, und Sir Leeds eilte mit seinen Dragonern herbei.

Zwei der Räuber waren gefallen, die anderen dachten nun
rasch daran, ihren Gebieter zu retten; sie entrissen ihn nach
heftigem Ringen den Fäusten des Sergeanten, hoben ihn aus
ein Pferd und suchten mit ihm das Weite.

Sir Ravenglaß traf schnell seine Anordnungen. Auf seinen
Wunsch verfolgte Sir Leeds mit sechs seiner Leute die Fliehenden,
während zwei der zurückgebliebenen Dragoner ihm und dem
Sergeanten ihre Pferde überlassen mußten.

„Weiß der Teufel," sagte der schottische Riese, ehe er in -
den Sattel stieg, „was ich da in der Hand habe!" Er übergab
den erbeuteten Gegenstand Sir Ravenglaß. Es lvar ein goldenes
Kreuz, das er dem Straßcnräuber herabgerissen hatte.
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