74 Kreislauf
Nachdem ich froh gezechet
Im Schenkenhaus beim Wein.
Bin ich nach Haus gewandelt
Still sinnend, froh, allein.
Dort Hab' ich still gedichtet
In lauer Sommernacht.
Den Wein, den ich genossen.
In Lieder umgedacht.
j So ist der Wein geworden
! Als Dufthauch im Gemiith —
Processu transfusionis —
Zu einem frohen Lied!
cs Weines.
Das Lied Hab' ich verwandelt '
Als praktischer Poet
Zu Geld bei Braun & Schneider.
Wo es im Witzblatt steht.
Und mit dem Geld im Sacke
Ging ich zur Schenke dann.
Wo ich bei edlem Weine
Den Kreislauf neu begann!
Der Wein, der ward zum Liede.
Das Lied, das ward zu Wein.
So soll's bei mir hienieden
In infinitum sein!
Naiv.
Lehrer: „Was lernen wir aus dem Gleichnisse von den
sieben klugen und thörichten Jungfrauen?" — Schülerin:
„Daß wir stündlich auf den Bräutigam warten sollen."
Die Knallerbsen.
Novellistischer Versuch des Oberhofgärtnergehülfen C. Lchulhe.
1. Kapitel.
Der Graf Reinardus von
und zu Rosenstengel war seit
sechzig Lenzen verwittwet und !
bereits seit seiner Geburt
kinderlos. Sein zusammen-
geschrumpftes Gesicht mit den
knackmandelförmig geschlitzten
Augen glich einer vertrockneten
Hagebutte. Auf der kahlen
Stirn aber blühte ihni eine
Silberlocke — einsam, gleich
dem Edelweiß ans stiller Alp.
Der Graf war Standes-
herr und lebte auf einem so
großen Fuß, daß er beim
Gehen ctivas lahmte. In Folge dessen fand er das Leben sauer
wie eine Gurke, und suchte Trost und Erheiterung in den Lauben-
güngen der edlen Gartenkunst. Hier war er auch literarisch
mit Erfolg thätig und mehrere der hervorragendsten Zeitschriften
hatten bereits seine Aufsätze über Guanokultur dankend abge-
! lehnt. — — —
Eines Tages war ein wunderschöner Tag! Die Sonne
blaute von einem wolkenlosen Himmel, während Hunderte von
> Spargeln vergniigt in die klare-Morgenluft hineinschossen. Auch
der Graf war wie umgeboren! Ans sein spanisches Rohr ge-
stützt. hinkte er langsam durch den nach englischem Muster an-
gelegten Park und gelangte zuletzt in den östlichen Theil desselben,
wo sich die Gemüsebeete befanden. Hier bemerkte er ein weib-
liches Wesen, welches in der Nähe des japnnesischen Gewächs-
hauses vier wilde Rosenstöcke oculirte.
Es war Hortensia Tulpenzwiebel, die Tochter ihres Vaters.
Die Knallerbsen.
des gräflichen Schloßgärtners. die erst am vorigen Mittwoch
nach zehnjährigem Aufenthalt in einem Schweizer Pensionat die
Heimath wiedergesehen hatte.
Sie war wie eine Tulpe! so hold! so rein! Meistens trug
sie flachsblondes Haar. In ihren Augen, schwarz und uner-
gründlich wie die Herzkirsche, wohnte der Frühling, auf ihrer
lilienweißen Stirn thronte die Unschuld. Wenn aber erst ihre
schwellenden Erdbeerlippen lächelten, dann wurden zwei bis drei
Reihen blendend weißer Zähne sichtbar.
Von der unsichtbaren Stimme des Herzens getrieben, eilte
der Graf näher und bei dem Anblick der lieblichen Gärtncrs-
tochter keimten und sproßten Johannistriebe in seinem ausge-
dörrten Herzen.
„Hortensia", rief er. „ich liebe Dich! O. könnte ich Dich, wie
Goethe so schön singt, ausgraben mit allen Deinen Würzlein!
>D, könnte ich Dich, zarte Knospe, in meinen Lebensgarten
pflanzen!"
Gerührt durch diese duftige Sprache und durch die Aussicht.
Besitzerin des englischen Parks und des japnnesischen Gewächs-
hauses zu werden, machte Hortensia ans ihrem Herzen keine
Mergelgrube. Mit den Worten: „j’aime, tu aimes, il airfie“
sank das holde Kind dem greisen Jüngling an die Männerbrust.
So rankt sich junger Epheu um die Winter- oder Stiel-
Eiche (cjuercus pedunculata).
In der Ferne erschien jetzt ein Gärtnerbursche mit einer
Gießkanne — jungfräulich erröthend entfloh Hortensia. Der
Graf aber pflückte sich wonnetrunken ein paar Radieschen. Die
ganze Erde kam ihm vor. wie ein Paar-radies!
Nachdem ich froh gezechet
Im Schenkenhaus beim Wein.
Bin ich nach Haus gewandelt
Still sinnend, froh, allein.
Dort Hab' ich still gedichtet
In lauer Sommernacht.
Den Wein, den ich genossen.
In Lieder umgedacht.
j So ist der Wein geworden
! Als Dufthauch im Gemiith —
Processu transfusionis —
Zu einem frohen Lied!
cs Weines.
Das Lied Hab' ich verwandelt '
Als praktischer Poet
Zu Geld bei Braun & Schneider.
Wo es im Witzblatt steht.
Und mit dem Geld im Sacke
Ging ich zur Schenke dann.
Wo ich bei edlem Weine
Den Kreislauf neu begann!
Der Wein, der ward zum Liede.
Das Lied, das ward zu Wein.
So soll's bei mir hienieden
In infinitum sein!
Naiv.
Lehrer: „Was lernen wir aus dem Gleichnisse von den
sieben klugen und thörichten Jungfrauen?" — Schülerin:
„Daß wir stündlich auf den Bräutigam warten sollen."
Die Knallerbsen.
Novellistischer Versuch des Oberhofgärtnergehülfen C. Lchulhe.
1. Kapitel.
Der Graf Reinardus von
und zu Rosenstengel war seit
sechzig Lenzen verwittwet und !
bereits seit seiner Geburt
kinderlos. Sein zusammen-
geschrumpftes Gesicht mit den
knackmandelförmig geschlitzten
Augen glich einer vertrockneten
Hagebutte. Auf der kahlen
Stirn aber blühte ihni eine
Silberlocke — einsam, gleich
dem Edelweiß ans stiller Alp.
Der Graf war Standes-
herr und lebte auf einem so
großen Fuß, daß er beim
Gehen ctivas lahmte. In Folge dessen fand er das Leben sauer
wie eine Gurke, und suchte Trost und Erheiterung in den Lauben-
güngen der edlen Gartenkunst. Hier war er auch literarisch
mit Erfolg thätig und mehrere der hervorragendsten Zeitschriften
hatten bereits seine Aufsätze über Guanokultur dankend abge-
! lehnt. — — —
Eines Tages war ein wunderschöner Tag! Die Sonne
blaute von einem wolkenlosen Himmel, während Hunderte von
> Spargeln vergniigt in die klare-Morgenluft hineinschossen. Auch
der Graf war wie umgeboren! Ans sein spanisches Rohr ge-
stützt. hinkte er langsam durch den nach englischem Muster an-
gelegten Park und gelangte zuletzt in den östlichen Theil desselben,
wo sich die Gemüsebeete befanden. Hier bemerkte er ein weib-
liches Wesen, welches in der Nähe des japnnesischen Gewächs-
hauses vier wilde Rosenstöcke oculirte.
Es war Hortensia Tulpenzwiebel, die Tochter ihres Vaters.
Die Knallerbsen.
des gräflichen Schloßgärtners. die erst am vorigen Mittwoch
nach zehnjährigem Aufenthalt in einem Schweizer Pensionat die
Heimath wiedergesehen hatte.
Sie war wie eine Tulpe! so hold! so rein! Meistens trug
sie flachsblondes Haar. In ihren Augen, schwarz und uner-
gründlich wie die Herzkirsche, wohnte der Frühling, auf ihrer
lilienweißen Stirn thronte die Unschuld. Wenn aber erst ihre
schwellenden Erdbeerlippen lächelten, dann wurden zwei bis drei
Reihen blendend weißer Zähne sichtbar.
Von der unsichtbaren Stimme des Herzens getrieben, eilte
der Graf näher und bei dem Anblick der lieblichen Gärtncrs-
tochter keimten und sproßten Johannistriebe in seinem ausge-
dörrten Herzen.
„Hortensia", rief er. „ich liebe Dich! O. könnte ich Dich, wie
Goethe so schön singt, ausgraben mit allen Deinen Würzlein!
>D, könnte ich Dich, zarte Knospe, in meinen Lebensgarten
pflanzen!"
Gerührt durch diese duftige Sprache und durch die Aussicht.
Besitzerin des englischen Parks und des japnnesischen Gewächs-
hauses zu werden, machte Hortensia ans ihrem Herzen keine
Mergelgrube. Mit den Worten: „j’aime, tu aimes, il airfie“
sank das holde Kind dem greisen Jüngling an die Männerbrust.
So rankt sich junger Epheu um die Winter- oder Stiel-
Eiche (cjuercus pedunculata).
In der Ferne erschien jetzt ein Gärtnerbursche mit einer
Gießkanne — jungfräulich erröthend entfloh Hortensia. Der
Graf aber pflückte sich wonnetrunken ein paar Radieschen. Die
ganze Erde kam ihm vor. wie ein Paar-radies!
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Die Knallerbsen"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum (normiert)
1883 - 1883
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 79.1883, Nr. 1989, S. 074
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg