218
Lebensbilder aus der Frauenwelt.
Aber die Töchter!
Nichts sollte gespart sein!
Nach neu'ster Mode
Wählte den Stoff sie
Nach langen Zweifeln.
Selber im Hause
Wurden die Roben
Zusammengeschueidert.
Nicht durfte der Vater
Des Hauses sich freuen —
Die ganze Wohnung
Wurde zur Werkstatt
Für Näherinnen.
Mag'rer am Mittag
Wurde die Kost
Und Abends gab es
Spärlichen Aufschnitt!
So ging es seit Wochen,
Die Kosten zu decken
Des glänzenden Ballstaat's.
All' dies erwägend,
Und überrechnend
Was Sammt und Seide,
Bänder und Blumen
Kosteten, sitzt sie,
Die gute Mutter,
Mit ihren Töchtern,
Den schlankgewachs'nen,
Dort in der Ecke.
Freudiger strahlet
Beim Anblick der Tochter
Das Mutterauge,
Aber die Männer,
Die herzlosen, leider
Sind anderer Ansicht,
Sie finden zu spärlich
Der beiden Mädchen
Schönheit und Mitgift! —
Umsonst die Entbehrung,
Die Mühen und Sorgen,
Der schlaflosen Nächte
Heimliches Opfer!
Das holdeste Lächeln,
Die freundlichsten Blicke,
Des Herzens Pochen —
Alles vergeblich!
Arm ist die Mutter,
Die sich am Bette
Des kranken Säuglings
Härmet und grämet,
Arm ist das Weiblein,
Das sich im Walde
In Sturm und Wetter
Nach dürrem Reisig
Bücket — noch ärmer
Aber erscheint mir
Die Mutter im Ballstaat,
Wenn sie vergeblich
Nach Tänzern ausblickt
Für ihre Töchter,
Die schlankgewachs'nen,
Theuer gekleideten,
Sitzenbleibenden,
Armen Geschöpfe!
Die alte Jungfer.
Em engen Stübchen, rein gefegt,
So nett geschmückt und treu gehegt,
Lebt sie seit Jahren still verborgen.
Ihr kleines Heim ist bald bestellt,
Doch zeigt sie wenig sich der Welt,
Als hätt' gar viel sie zu besorgen.
Hyperbel.
Lieutenant (der seinen, zu dreitägiger Arreststrafe verurteilten
Wachtmeister besucht): „Nun, lute geht's, Wachtmeister?" — WachU
meister: „Herr Lieutenant, im Vergleich zu meiner Einsamkeit
ist ein Klausner der reinste Vergnügungskommissär!"
Persönliche Anschauung.
Sie war nicht schön, war auch nicht reich,
War sie ein guter Engel gleich
Im Elternhaus voll Lieb' und Güte,
Man hat das Veilchen überseh'n
Und ließ es unbeachtet steh'n,
Wie hold es auch im Frühling blühte.
Die Eltern todt — Geschwister fort,
Allein steh'n, ist ein hartes Wort,
Doch sie ist allzeit froh und heiter.
Zuweilen zuckt ein kurzer Schmerz
Der Sehnsucht durch ihr armes Herz,
Dann lebt sie wieder muthig weiter.
Ihr Herz freut sich des Sonnenscheins
Voll Lebenslust so gut, wie ein's,
Dem mehr des Glückes ist beschieden,
Und geht auch einsam ihre Fahrt,
Dafür bleibt ihr viel Leid erspart
Und glücklich ist sie, weil zufrieden.
Ein Vorth eil.
Michel: „...Die irdenen Pfeifenköpf' haben doch einen
Vortheil vor den hölzernen!" — Hans: „Da wär' ich aber
neugierig!" — Michel: „Man braucht sich nicht mehr zu bücken,
wenn sie hinunterfallen!"
„Sie haben während der Fahrt aus dem Waggon eine'
Flasche hinausgeworsen, und Sie kennen doch das Verbot der
Eisenbahndirection: Das Hinauswerfen von Gegenständen aus
dem..." — „Jawohl — aber eine Flasche ist für mich
| kein Gegenstand!"
Lebensbilder aus der Frauenwelt.
Aber die Töchter!
Nichts sollte gespart sein!
Nach neu'ster Mode
Wählte den Stoff sie
Nach langen Zweifeln.
Selber im Hause
Wurden die Roben
Zusammengeschueidert.
Nicht durfte der Vater
Des Hauses sich freuen —
Die ganze Wohnung
Wurde zur Werkstatt
Für Näherinnen.
Mag'rer am Mittag
Wurde die Kost
Und Abends gab es
Spärlichen Aufschnitt!
So ging es seit Wochen,
Die Kosten zu decken
Des glänzenden Ballstaat's.
All' dies erwägend,
Und überrechnend
Was Sammt und Seide,
Bänder und Blumen
Kosteten, sitzt sie,
Die gute Mutter,
Mit ihren Töchtern,
Den schlankgewachs'nen,
Dort in der Ecke.
Freudiger strahlet
Beim Anblick der Tochter
Das Mutterauge,
Aber die Männer,
Die herzlosen, leider
Sind anderer Ansicht,
Sie finden zu spärlich
Der beiden Mädchen
Schönheit und Mitgift! —
Umsonst die Entbehrung,
Die Mühen und Sorgen,
Der schlaflosen Nächte
Heimliches Opfer!
Das holdeste Lächeln,
Die freundlichsten Blicke,
Des Herzens Pochen —
Alles vergeblich!
Arm ist die Mutter,
Die sich am Bette
Des kranken Säuglings
Härmet und grämet,
Arm ist das Weiblein,
Das sich im Walde
In Sturm und Wetter
Nach dürrem Reisig
Bücket — noch ärmer
Aber erscheint mir
Die Mutter im Ballstaat,
Wenn sie vergeblich
Nach Tänzern ausblickt
Für ihre Töchter,
Die schlankgewachs'nen,
Theuer gekleideten,
Sitzenbleibenden,
Armen Geschöpfe!
Die alte Jungfer.
Em engen Stübchen, rein gefegt,
So nett geschmückt und treu gehegt,
Lebt sie seit Jahren still verborgen.
Ihr kleines Heim ist bald bestellt,
Doch zeigt sie wenig sich der Welt,
Als hätt' gar viel sie zu besorgen.
Hyperbel.
Lieutenant (der seinen, zu dreitägiger Arreststrafe verurteilten
Wachtmeister besucht): „Nun, lute geht's, Wachtmeister?" — WachU
meister: „Herr Lieutenant, im Vergleich zu meiner Einsamkeit
ist ein Klausner der reinste Vergnügungskommissär!"
Persönliche Anschauung.
Sie war nicht schön, war auch nicht reich,
War sie ein guter Engel gleich
Im Elternhaus voll Lieb' und Güte,
Man hat das Veilchen überseh'n
Und ließ es unbeachtet steh'n,
Wie hold es auch im Frühling blühte.
Die Eltern todt — Geschwister fort,
Allein steh'n, ist ein hartes Wort,
Doch sie ist allzeit froh und heiter.
Zuweilen zuckt ein kurzer Schmerz
Der Sehnsucht durch ihr armes Herz,
Dann lebt sie wieder muthig weiter.
Ihr Herz freut sich des Sonnenscheins
Voll Lebenslust so gut, wie ein's,
Dem mehr des Glückes ist beschieden,
Und geht auch einsam ihre Fahrt,
Dafür bleibt ihr viel Leid erspart
Und glücklich ist sie, weil zufrieden.
Ein Vorth eil.
Michel: „...Die irdenen Pfeifenköpf' haben doch einen
Vortheil vor den hölzernen!" — Hans: „Da wär' ich aber
neugierig!" — Michel: „Man braucht sich nicht mehr zu bücken,
wenn sie hinunterfallen!"
„Sie haben während der Fahrt aus dem Waggon eine'
Flasche hinausgeworsen, und Sie kennen doch das Verbot der
Eisenbahndirection: Das Hinauswerfen von Gegenständen aus
dem..." — „Jawohl — aber eine Flasche ist für mich
| kein Gegenstand!"
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Persönliche Anschauung"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 87.1887, Nr. 2212, S. 218
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg