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„thüringisch-sächsischen Malerschule“152) mit französischen Vorbildern in gelunge-
ner Weise verband.
Doch nun zur Betrachtung des figuralen Ausmalungsprogramms der Fedderwarder
Kirche selbst.
Die Szenenfolge im Westjoch
34-39 Wenden wir uns zunächst dem Gewölbe des Westjoches zu, das der Schilderung der
166 Jugendgeschichte Christi gewidmet ist. Leider sind in diesem Bereich nur drei Szenen
erhalten geblieben: „Verkündigung an die Hirten“ auf einem Teil der nördlichen
Gewölbekappe sowie „Der zwölfjährige Jesus im Tempel“ und, wegen des fragmen-
tarischen Erhaltungszustandes bislang nicht mit Sicherheit zu deuten, „Christus dis-
kutiert mit einem Pharisäer“ auf der Ostkappe.
34, 35 Mit Fehlstellen ist auch die „Verkündigung an die Hirten“ durchsetzt, die anschlie-
ßend an das (heute) fehlende Geburtsbild eine eigene Szene bildet. Das Geschehen ist
in straffer szenischer Verdichtung wiedergegeben, die übrigens für den gesamten Fed-
derwarder Christuszyklus charakteristisch ist. Dabei werden die figuralen Einzelele-
mente, zwei bartlose Hirten mit Stab und Horn sowie ein Zicklein, vor einer baumbe-
krönten hügeligen Landschaftskulisse zu einer lebensvollen Komposition zusammen-
geschlossen, die allerdings arg verstümmelt wurde, da gerade der Verkündigungsengel
als wesentlicher Handlungsträger nicht erhalten geblieben ist. Versuchen wir den
ehemaligen bildlichen Kontext der Szene zu rekonstruieren, dann scheint der Engel
am linken Rand des Darstellungsfeldes gestanden zu haben, und zwar auf der Erde.
Die Hirten haben den Blick zum Träger der Heilsbotschaft gewandt, schreiten ihm im
Segensgestus erregt entgegen und sind offenbar bereits im Begriff, nach Bethlehem zu
eilen. Verkündigungsdarstellungen mit seitwärts stehenden Engeln waren offenbar
118 nicht sehr verbreitet. Kompositorische Parallelen zeigt der Besatz der Kapsel 209 im
Halberstädter Domschatz (um 1230/40), der nach Renate Kroos in dieser Szene einem
etwa gleichzeitigen Braunschweiger Evangelistar ähnelt; Hirtenverkündigungen mit
links stehenden Engeln finden sich ferner in Buchmalereien des 12. Jahrhunderts (u. a.
im Evangeliar Heinrichs des Löwen, im Riddagshäuser Evangeliar) sowie auf einer
Emailplatte im Domschatz zu Hildesheim153).
36, 37 Dagegen ließen sich für die anschließende Szene, die den zwölfjährigen Jesus im Tem-
pel zum Gegenstand hat, bislang keine vergleichbaren Darstellungen finden, zumal
dieser Teil des Jugendzyklus in der gleichzeitigen Buchmalerei und auf Wandgemäl-
den relativ selten vorkommt154). In der Art ihrer Anlage scheint sie jedoch einem seit
dem 12. Jahrhundert geläufigen Bildtypus anzugehören, welcher den jugendlichen
Christus als himmlischen Lehrer interpretiert, der sich bereits weitgehend vom El-
ternhaus gelöst hat und, umringt von den aufmerksam lauschenden Schriftgelehrten
(mit Judenhüten), aus der Heiligen Schrift - die auf dem Fedderwarder Bild freilich
nicht mehr erhalten ist - die Heilsbotschaft verkündet. Ernst und hoheitsvolle Strenge
kennzeichnen den vom Sendungsbewußtsein erfüllten Jüngling; Eigenschaften, die
durch starre Frontalität, das Thronen auf einer hohen Kathedra sowie die Tatsache,
daß er die hinzutretende Maria nicht wahrnimmt, wiedergegeben werden. Dennoch
sind ihm durchaus noch kindliche Züge eigen, wie die zwanglos-unbekümmerte Bein-
haltung verrät.

Die Szenenfolge im Mitteljoch
40—56 Die Gewölbefelder des Mitteljoches tragen einen breit angelegten Passionszyklus.
166 Nicht weniger als elf Einzelszenen wurden der Schilderung dieses Themas gewidmet.
In straffer Formulierung - meist in szenisch verkürzter Form - sind sie zu medaillon-
artigen Darstellungsfeldern zusammengeschlossen, die in friesartiger Reihung dem
Ablauf des zyklischen Programms in enger Konkordanz folgen. Allerdings sind auch
in diesem Bereich manche Szenen durch Beschädigungen wesentlicher Bildelemente

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