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Deutsche Kriegszeitung — 1917

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Hefte 13-17, April 1917
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Nurnmer 13

Zrcinzösische Zliegecvomde (IZlinclgänger).

Festimg Condo, französische Bataillone
geworsen.

Während auf dein nördlichen Teil un-
seres rechten Flügols die beiderseitigen
Erkundungsoorstöße die Artillerie zu
lelchafterer Tätigkeit veranlaßten, blieben
Lort größere Känrpse choch aus. Die
Franzosen konnten aber mn 22. März
von neuem lernen, daß sie nicht ohne
Strafe allzu energisch hinter den Deut-
schen nachstoßen dürsen. So murden
ihre Truppen, die beiderseits von St.-
Simon (14 Kilometer siidmestlich St.-
Quentin) über Somme- und Crozat-Ka-
ncrl vorgestohen waren, unter blutigen
Verlusten zurückgeworfen und verloren
230 Gefangene, mehrere Maschinenge-
mehre und Fahrzeuge, die sie allzu vor-
eilig übergesetzt hatten. Auch zwischen
Oise und Aisne, westlich und südlich von
Margival, erlitten starke sranzösische
Kräste nicht nur durch unser Feuer, son-
dern auch durch Gegenstoh starke Ver-
luste, besonders aus dem Grunde, daß
ihre marschierenden Kolonnen und Trup-
penansammlungen unserer Artillerie
vorzügliche Ziele boten. Bei Ville-aux-
Bois, in der Mitte zwischen Laon und
Reims, holte sich der Feind ebensalls
blutige Köpfe. Daß sie derartige Kleinig-
Leiten m ihren Berichten totschweigen, ist
ihnen angesichts der unheimlichen Span-
nung in Paris wohk kaum zu verdenken.
An verschiedenen Stellen begannen sie,
sich einzugraben, aber auch darin kann
man nur einen Ausdruck der Ratlosigkeit
erblicken, in die sie durch unsere uner-
warteten Bewegungen versetzt worden
sind.

Die blutigen Erfahrungen, die der
Feind bei seinem Vormarsch im Kamp'fe
mit unseren Sicherungstruppen machte,
wirken natürlich aus das Tempo seines

„Marsches an den Rhein" ebenso ver-
langsamend ein, wie die in oollständig
unbrauchbaren Zustand versetzten
Straßen und Wege. Daß sie sich dabei
vielfach einschanzen, zeugt nur zu deut-
lich von ihren Befürchtungen, daß aus
unserem Widerstand der Sicherungen
unerwartet ein großer Gegenstoß werden
könnte, und kann natürlich ihren Fort-
schritt nur aufhalten. Am 23. März
griffen die Franzosen, die immerhin noch
größere Cnergie an den Tag legen als
ihr englischer Bundesbruder, vergeblich
zwischen Oise und Aisne an, und zwar
westlich der veralteten Festung La Färe
in der Niederung des Flüßchens Ailette
sowie nördlich der Aisne bei Margival
(7'- Kilometer nordöstlich Soissons) und
bei Neuville (südlich der Südostecke des
Nayons von Laon).

Klares Wetter begünstigte am nächsten
Tage die Tättgkeit der Artillerie an der
Artois-Front, und bei Up'ern hatten
unsere Minenwerfer ein ganz be-
sonders gutes Resultat zu verzeichnen.
Nachdem sie ein Wirkungsschseßen aus
die feindlichen Gräben ausgeführt hatten,
sanden nämlich unsere Erkunder diese
vollständig zerstört und verlassen vor. —
An diesem Tage gingen auch die Eng-
länder wieder in dem ihnen eingeräum-
ten Gelände vor. Als sie bei Beaumetz
(10 Kilometer östlich Bapaume) und bei
Roisel (12 K'ilometer östlich Peronne)
auf unsere Feldwachen stiehen, gingen
diese, nachdem sie den Feind genügend
geschädigt hatten, besehlsgemäh zurück.
— Die Franzosen wurden ihrerseits bei
Vregny (7^ Kilometer ostnordöstlich
Soissons) verlustveich zurückgeschlagen,
trotzdem sie mehrere Bataillone eingcsetzt
hatten. — Weiter östlich, zwischen Laon
und der Aisne, grisfen unsere Stoßtrupps

den zögernden Gegner bei Soup'ir und
Cerny an, drangen nach einem wirk-
samen VorbereitungLseuer in die feind-
lichen Linien ein und brachten aus die-
sen 60 Gefangene zurück. — Bevor wir
nun die Ereignisse vom 25. März be-
trachten, möchten wir noch einmal aus
die in der feindlichen Presse erhobene
Anschuldigung zurückkommen, dah wir
aus reiner barbarischer Lust das Land
zwischen uns und denr Feinde zerstörten.
Es ist wohl zu verstehen, daß man mit
diesen Behauptungen im neutralen Aus-
lande gegen uns Stimmung zu machen
versucht, aber daß der Gegner, wenn er
ausrichtig sein will, recht wohl zwi-
schen militärisch notwendigen Maß-
nahmen unsererseits und Zerstörungslust
zu unterscheiden weiß, zeigt sich doch hier
und da in Schilderungen, die eine unvor-
sichtige frangösische Zensur ofsenbar über-
sehen hat. Fa, aus diesen Berichten geht
sogar deutlich hervor, daß an vielen
Stellen nicht wir, sondern die franzö-
sische Artillerie das uns zur Last gelegtö
Zerstörungswerk ausübte. So sagt der
Sonderberichterstatter der „Humanitä"

„Ein Besuch der Stadt überzeugt uns,
daß nur die Höuser zerstört sind, die in-
folge der Minenexplosionen aus den
Straßenkreuzungen und Brücken ein-
stürzten. Die alte Kathedrale und die
Bibliothek der Domherren mit ihrer
eigenartigen cholzkonstruktion aus dem
15. Fahrhundert sind nicht beschädigt."

Als ein ganz besonders hervorzu-
hebender Akt deutscher Barbarei war die
Zerstörung von Coucy le Chateau be-
zeichnet worden. Man schreibt dazu von
mahgebender Seite: „Zweifellos handelt
es sich bei Schloß Coucy um ein sestungs-
bau-technisch interessantes Werk in gi-
gantischen Größenverhältnissen. Die
Haupt'burg stellt ein verzogenes Viereck
dar, an dessen Endpunkten sich je ein run-
der, 35 Meter hoher Tur-m mit einem
Durchmesser von 18 Meter erhob. Fn
der Nähe des vormals mit süns Zug-
brücken gesicherten Tores ragte der
gleichsalls runde Hauptturm des Schlosses
bei einem Durchmesser von 31 Meter zu
der seltenen Höhe von 63 Meter empor.
Überdies war der Turm mit einem fast
sechs Meter breiten Wall, dem soge-

Zranzösische Zliegerbomde mit Züyrung. acot. Leipz ger prs,n rn>r->.

Üichtexplollierte itolienische Zliegerbombe.

...... Fliegerbomben. ...

nach Besuch eines Ortes im geräumten
Gebiet:

„Einige unversehrte Apfelbäume und
ausrechtstehende chäusertrümmer bewei-
sen, daß unsere Artillerie keine regel-
mäßige Beschießung dieses Ortes durchge-
führt hat, wie an der Sonime, wo man
von gewissen Dörsern keine Spur mehr
findet." Versasser gesteht, dah er die
Gründe des deutschen Rückzugs nicht ver-
stehe. Vom übermächtigen Drucke der
Alliierten, von dem die „Agence chavas"
fabelt, weiß er also nichts; vielmehr
schreibt er wörtlich: „Der lange vorbe-
reitete Rückzug hat sich in guter Ordnung
vollzogen." Über die Zerstörungsarbeit
der Deutschen in dem geräumten Gebiet
berichtet der Korrespondent ähnlich wie
die deutschen und neutralen Berichter-
statter und sagt: „Der Feind hat auf
seinem Rückzuge alle Wege systematisch
zerstört und die Hindernisse sür die Ver-
folgung gehäust; er hat alle Mittel an-
gewandt, um unsere Trupipen ausgu-
halten." Von blinder Zerstörungswut,
die alles ohne Inilitärische Gründe ver-
nichtet hätte, wie„Havas"glauben machen
will, weiß der Korrespondent jedoch
nichts, hebt vielmehr hervor, daß die be-
rühmten historischen Denkmäler in Noyon
unversehrt seien. Er schreibt wörtlich:

nannten Turmmantel, umgeben. Nur
aus Zugbrücken beruhte die Verbindung
dieses letzten Zusluchtortes der Be-
satzung mit der übrigen Burg. Die Fe-
stungsanlage ging mit ihren Grund-
mauenr auf das 13. Jahrhundert zurück.
Fn der Hauptsache aber stellte sie einen
relativ späten Burgbau dar und fiel in
ihrer Schlußform etwa in die erste Hälfte
des 16. Fahrhunderts. Damit gehörte sie
zu einem Burgtyp, der in Frankreich
und im übrigen Mitteleuropa noch
Dutzende von Vertretern zählt.

Auf der landschastlich schönen, beherr-
schenden Lage und der Massigkeit der
Burgtrümmer beruhte der Eindruck, den
Coucy auf den Besucher machte. Die
Burg zeichnete sich durch keine außer-
gewöhnlichen Einzelheiten aus. Jn der
Erhaltung war sie vernachlässigt. Bis
zum Jahre 1821 wurde sie von der Um-
gclmng als Steinbruch benutzt, und
kaum eln Fenster oder Türstein rst sei-
nem Schicksal entgaugen. Gelegentliche
Anläufe zur Erhaltung des Schl-osses
scheiterten, so unter Napoleon III. im
Jahre 1861, da es nicht gelaug, weitere
Kreise zu interessieren. Über Ausräu-
mungsarbeiten und Sicherung einiger
mit Einsturz drohender Vauteile ist mcin
auch später nicht Hinausgekommen.
 
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