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Deutsche Kriegszeitung — 1917

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Hefte 22-25, Juni 1917
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s

Nummer 25

gestellt. Die Stelle mar sehr eng, man
konnte ste aber aus den ersten Blick schon
übersehen. Die Bojen, an denen das
Netz befestigt war, lagen ruhig und be-
wegten sich nur leise mit dem Strom.
Der Kerl war wohl längst weg. Den
ganzen Tag über hatte ein Motorkano-
nenboot mit einem Ofsizier hier gelegen,
um bas Untenseeboot, falls es doch hoch-
kommen sollte, zu begrüßen und in Emp-
fang zu nohmen. Auch hatte man ver-
sucht, das Boot irgendwie mit Draggen
und Leinen zu sischen, in der Hoffnung,
dah sie an irgendwelchen Vorsprüngen
haken würden. Der Strom war aber so
stark, daß die Geräte immer wieder ab-
getrieben wurden. Auch beim Ausloten
Ler Tiefe bildete die Strömung das
Haupthindernis. Die Tiefe betrug siebzig
Meter. Kam das Gerät vorher auf
Grund, dann mußle es auf das Boot ge-
stoßen seim

Prinz Reuß war Kommandant ber
Sache, wir andern waren Zuschauer.
Wir hatten zwei Motorkanonenboote
und einen kleineir Schlepper, von dem
aus gearbeitet werden sollte. 2luf ihm
befand sich Prinz Reuß mit seinen Leu-
ten und auch mein Koch Herzig, der die
Sache sofort in die Hand nahm und dabei
Kroße Geschicklichkeit entwickelte.

Vor allem versuchten wir zunächst
riochmals, das Boot auszuloten. Es ge-
lang auch. Freilich war es bei den vier
bis füns Meilen Strom nicht so ganz ge-
nau zu machen. Herzig, der gelotet hatte,
rief aber, während wir alle auf das
Wasser starrten, plötzlich: „Ich habe ihn!
Da, da ist er, ich fühle es ganz deutlich!"
Das nächste war, daß vierzig Meter Leine
abgemessen wurd-en — so ties saß näm-
lich das Boot — und eine Sprengp'atrone
an dem Tau festgemacht wurde. Dann
wurde oben der Zünder scharf gemacht
und die Patrone vierzig Meter tief her-
untergelassen. Eins . . . zwei . . .
sünf . . . zehn . . . genau nach der be-
stimmten Zeit erfolgte die Explosion.
Ein kurzer, dumpser Schlag kam herauf,
wie aus dem Schachte eines Bergwerks,
es rauschte, üas Wasser hob sich zu einem
Lleinen Hügel.

Gespannt warteten wir nun, was sich
ereignen würüe. Fünf Minuten vergin-
gen, zehn, es wurde bereits dämmrig,
es geschah aber nichts. Sp'iegelglatt lag
Las Wasser, üie Bojen bewegten sich nicht.

Unsern vom Schlepper schien ein dunkler
Fleck auf der Oberfläche zu schwimmen.
Wie Öl sah er aus. Das konnte aber
eine Täuschung sein, da man solche
Stellen bei ruhiger See oft genug sieht.
Also beschlossen wir, den Leuten unten
eine zweite Einladung, zu uns zu kom-
men, zu schicken. Zwar meinte der Kon-
strukteur der Sperre gesehen zu haben,
wie eine Boje plötzlich ohne jeden üuße-
ren Anlaß zu tanzen begonnen hätte,
als wir aber seiner ausgestreckten Hand
solgten, lag sie genau so wie früher. Nach
zehn weiteren Minuten wurde also eine
zweite Sprengpatrone klargemacht.
Gerade als sie heruntergelassen werden
sollte, schien aber das Wasser in der
Mitte dunkler zu werden . . . grüngrau
schimmerte es auf . . . ein rundes Ding
hob sich . . . ern Turm . . . das
Boot.

Rrrumm . . . krachte es auf den Ka-
nonenbooten im gleichen Augenblick, als
der so sehnsüchtig Erwartete erschien, los.
Ein Schuß fährt in den Turm, ein andr-
rer durchlöchert die Tanks. Gleich darauf
wird das Turmluk aufgeklappt, zwei
Engländer erscheinen und halten die
Hände hoch. Das Feuer verstummt, alle
Fahrzeuge gehen mit äußerster Kraft an
das U-Boot heran. Einer nach dem
andern erscheinen die Leute auf dem
Turm mit einer sast rätselhaften Ge-
schwindigkeit und klettern auf den
Schlepper hinüber, der sich längsseit ge-
legt hat. Den Schluß machen zwei, die
Offiziersmützen aus dem Kopf haben, das
einzige Merkmal, das sie von den andern
unterscheidet.

Beim genauen Hinsehen bemerkte ich
plötzlich, daß auf dem Turm noch ein
Mensch mit einem Gewehr stand, und
fortwährend in das Luk hinunterschrie:
,ZV111 z ou ruk, wlll zwu rut!" —Mein
Koch Herzig! Jn einem unbewachten Au-
genblick hatte er sich auf das Boot ge-
schwungen, um die Mannschast durch
sein Äußeres in Respekt zu setzen. Na,
das war ihm ja auch gelungen. Unan-
genehm war nur, daß die Türken ihn für
Engländer hielten und anfangs
auf ihn schießen wollten, bis auch sie
ihren Jrrtum erkannten. Als der letzte
Mann heraus war, wollte Herzig in das
Boot, um es zu erobern. Er war eben
mit den Beinen im Luk verschwunden,
als das Boot zu blafen begann. Es

konnte vielleicht nur noch Sekunden dau-
ern, bis es wegsackte. So rief, nein,
brüllte ich hinüder: „Herzig, Mensch,
kommen Sie bloß schnell runter, sonst
ersaufen Sie drin!" Einen Augenblick
stutzte er, sah mihtrauisch umher und
kletterte schleunigst unter Aufgabe aller
seiner Eroberungspläne auf den Schlep-
per zurück. Das Vorschiff verschwand
unter der Oberfläche, schon spülte das
Wasser an den Turm heran, als ruhig
und langsam noch eine Gestalt aus dem
Niedergang auftauchte: der Komman-
dant. Mit einem tadellosen Hechtsprung
sauste er ins Wasser und schwamm nach
dem Dampfer hinüber. Das Boot sackte
gleich darauf weg und nahm noch ein
schönes Stück Netz mit sich.

Die Gesangenen wurden nach Tscha-
nakkale gebracht. Dort erzählte der eng-
lische Kommandant, dah er schon um
fünf Uhr srüb bei der Einsahrt — er
wollte ins Marmarameer — in das tür-
kische Netz geraten sei. Alle erdenklichen
Manöver hätte er versucht, schließlich aber
sei ihm der Draht in die Schraube gekom-
men. Da.hätte er es aufgegeben. Er
beschloß, sich tagsüber ruhig zu verhalten.
Nachts wollte er auftauchen und mit
seinen Leuten an Land schwimmen.
Allerdmgs wäre es seiner Ansicht nach
schwierig gewesen, bis zu den englischen
Linien zu gelangen, versuchen wollte er
es aber. Abends, er dachte längst ver-
gessen oder überhaupt nicht bemerkt wor-
den zu sein, ertönte plötzlich eine furcht-
bare Detonation. Das Licht ging aus,
alles, was nicht niet- und nagelfest war,
wurde wild durcheinandergeschleudert.
Da erkannte er, dah man oben ganz ge-
nau wußte, was anlag, und wollte nicht
erst die zweite Einladung abwarten. Ich
habe ihm später erzählt, daß ich drei Tage
vorher im englischen Netz gesessen hätte.
Er machte ein recht erstauntes Gesicht
und fragte, wie ich denn herausgekom-
men wäre. Na, ich lächelte nur und
erwiderte: „Das war ja eine sehr einsache
Sache. Ich habe eben Ihr Netz mitge-
nommen."

Ganz so einfach war die Sache ja nicht,
aber das brauchte er schließlich nicht zu
wissen.

Das englische Boot war „E ?" und
hatte einunddreißig Mann Besatzung an
Bord. Der Kommandant, ein Schotte,
machte einen samosen und schneidigen

Eindruck. Die beiden Offiziere freuten
sich, lebend davongekommen zu sein, wo»
gegen den Leuten die grohe seelische Auf-
regung anzumerken war. Sie sahen
ganz zusammengefallen aus, schienen ver-
schüchtert und erschöpft. Jm übrigen
machten sie den gleichen Eindruck, wie
alle, nicht nur englische U-Boots-Besat-
zungen: Dreckig und ungewaschen, mit
Öl und Schmutz beschmiert. Das ist eberr
so auf einem U-Boot.

Am nächsten Tag ging es nach Kon-
stantinopel. Mein Kamerad und ich be-
nutzten die Gelegenheit, eine Wettfahrt
zu unternehmen, die ich glänzend ge-
wann. Zum Schutz gegen englische U-
Boote, denen gegenüber wir über Wasser
ziemlich hilslos waren, begleitete uns ein
Torpedoboot. Es ereignete sich aber
nichts. Die Fahrt war ganz herrlich.
Spiegelglatt lagen die Engen, kaum im
Marmarameer war eine Bewegung zu
verspüren Die europäische Seite machte
einen recht traurigen Eindruck: Kahle
Höhen, unbebautes Land. Freundlicher
sah es drüben in Asien aus: Weite Fel-
der, Weinberge, Olivenwälder, zwischen
denen dke roten Dächer der Küstendörser
in der Sonne herüberzuwinken schienen.
Und ganz in der Ferne Berge, auf denen
Schnee schimmerte. Ein Transportdamp-
ser kam uns entgegen. Die Soldaten in
ihren olivfarbenen Unisormen standen an
der Reeling und winkten und riesen. Am
nächsten Morgen kam in der Ferne Kon-
stantinopel in Sicht mit den Hunderten
von Minaretts und Kuppeln, die sich von
der Küste die Hügel hinausziehen. Ganz
im Hintergrunde wehte von einem mäch-
tigen Gebäude, das das ganze Häuser-
gewimmel überragte, die deutsche Flagge.

Auf der Höhe von San Stefano kam
uns in einer Barkasse ein Admiralstabs-
offizier entgegen, Ler uns in den Hafen
brachte. Vorbei an Haidar-Pascha run-
deten wir die Serailspitze, auf der es von
Menschen, die uns zu erwarten schienen,
wimmelte, und fuhren in das Goldene
Horn ein. Wir meldeten uns beim Ad-
miral, der uns freudig begrüßte, und
wurden dann zum Abendessen auf den
Dampfer „General", das Wohnschifs des
Admirals, geladen. Noch vorher gab
es eine besonders freudige Überraschung.
Der ganzen Mannschaft war das Eiserne
Kreuz verliehen worden!

lFor letzunc, folgt.)


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