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Deutsche Kriegszeitung — 1917

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Hefte 26-30, Juli 1917
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https://doi.org/10.11588/diglit.2829#0219
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Nurr-rner 23

3

durchaus, brachte uns das verloren-
gegangcne Grabenstück nüeder und er-
möglichte es uns sogar, noch einige für
uns günstige Verbesserungen auf dem so
heiß umstrittenen Gelände vorzunehmem
Ob die Russen auch dieses Mal einige von
thren inzwischen allerdings stark dezimier-
ten 150 Panzerautos verwandt haben,
entzieht sich zurzeit noch msiner Kennt-
mis; aber dns kann ich schon sagen, daß
ihre Verluste denen der Vortage gleich-
kommen müssen, an deren einem vor
»einer einzigen, etwas südlicher kämp'fen-
iden türkischen Kompagnie allein 500
Tote gezühlt werden konnteil. Ein
weiterer Beweis hierfür ist, daß nach unse-
rem Gegenstoß den ganzen Tag über bei
Brzezany insofern Ruhe geherrscht hat,
als die Russen sich zu einem neuen An-
griff nicht mehr auszuraffen vermochten.
Ihre Artillerietätigkeit war freilich nach
wie vor groß. Ilnd dann muß man mit
aus der Kampflinie zurückgebrachten
Verwundeten sprechen, muß erkennen, in
welcher gehobenen Stimmung troß ihrer
zum Teil schweren Verletzungen sich
diese tapseren Sachsen und Thüringer
befinden, und muß fie lachen hören bei
dem Gedanken, daß der Russe etwa hier
durchbrechen könnte. Ganz unwillkürlich
fällt einem dabei ein: Sie sind froh, daß
die flaue Periode des halben Waffenstill-
standes mit seinen Unklarheiten vorüber
ist."

Der ll. Juli sah nur noch örtliche Ge-
fechte auf den Höhen von Brzezany, wo
der Feind aus einigen Trichterstellungen
geworfen wurde, in denen er sich noch
zu halten vermocht hatte. Allerdings
ließen sich die Verbündeten durch die
eingetretene Pause nicht irreleiten. Sie
wußten ganz genau, daß der revolutio-
näre Kriegsminister Kerenski und Gene-
ral Brussilow hier ein Spiel begonnen
chatten, dessen Aufgeben ihnen wegen der
furchtbaren Vergeudung von Menschen-
ieben Hals und Kragen kosten konnte
und dessen Weiterspiel ihnen deshalb zu
eigener Rettung unvermeidlich schien.
Man nahm daher mit Recht an, daß
neue Angriffsvorbereitungen im Gange
iseien.

Am 5. steigerte fich denn auch die
Artillerietätigkeit wieder zu großer
Stärke zwischen Zborow und Brzezany
und nahm auch bei Zwyzyn, Brody und
Smorgon zeitweise an Lebhaftigkeit zu.
Auch auf der rumänischen Front wurde
es lebhafter, und am Cafinutal mußte
Lereitgestellte rumänische Jnfanterie
durch Artilleriefeuer zerstreut werden,
was ibr weiter nicht unangenehm

gewesen zu sein scheint, denn wir hören
nicht, daß sie sich wieder zum Sturm
gesammelt hütte.

Am 6. Iuli entbrannke die LchlachL
aufs neue.

Wiederum versuchten die Russen ihr
Glück in den zu furchtbaren Verlusten
führenden Massenstürmen, die das ein-
zige für sich haben, daß sich auch der
weniger Beherzte in der dichten Masse
mehr zutraut als in der aufgelösten Ge-
fechtsordnung. Jedenfalls fand der
Fallende, wie es im Soldatenliede heißt,
bei dieser Angriffsart „Gesellschaft fein",
denn die Anstürme brachen unter furcht-
barsten Verlusten zusammen.

Das dem Angriff vorausgehende Zer-
störungsseuer begann am frühen Morgen
zwischen Koniuchy und Lawrykowec.
Tief gegliedert stürmten hier die russi-
schen Divisionen. Unerschöpflich wie die
Wellen des Meeres folgten sich diese
Menschenwellen. Auch Panzerkraftwagen
setzten wieder ein, um, wie die bei Brze-
zany verwendeten, zerschossen liegen zu
bleiben. Um das Entsetzen der zuriick-
flutenden Menschenmassen ins Unermeß-
liche zu steigern, folgten die Jagdstaffeln
der Flieger ihrer Flucht und hielten mit
ihren Maschinengewehren Nachlese.
chatten wir nun im Westen das eigen-
artige Bild gesehen, dah die Engländer
ihre Kavallerie zum Angriff auf Stellun-
gen einsetzten, so sahen wir auch hier
russische Kavallerie bereitgestellt. Viel-
leicht sollte sie nach erfolgtem Durchbruch
verfolgen, vielleicht auch nur die zurück-
flutende Jnfanterie aufhalten. Was sie
sollte, hat man nicht erfahren, denn sie
zerstob unter dem Fernfeuer unserer
Batterien. Um die Mittagstunde hatte
sich der Angrtff auf der Front Zborow—
Koniuchy verblutet, und nun begann cine
Fortsetzung des unsinnigen Ansturms
weiter nördlich bis zur Bahn Zloczow—
Tarnopol und zwischen Batkow und
Zwyzyn. Auch hier entwickelte sich
dasselbe Bild. Auch bei Brzezany und
Stanislau sowie an einigen Stellen im
Karpathenvorland kam es zu heftigen
russischen Angriffen, die ebenso unglück-
lich verliefen wie die geschilderten. Nach
Meldung von Ententeblättern sollen 38
russische Divisionen zur Beteiligung am
Durchbruch bestimmt gewesen sein.

Man berechnet nach dem Maßstab, daß
aus einen Toten drei Verwundete kom-
men, daß die Rusfen, da sie nach be-
scheidener Schätzung 60 000 Menschen-
leben in dieser Wahnsinnsoffensive ein-
. büßten, einen Gesamtverlust von un-

Zernspcechabteilung im westen: Line Station im walcke.


gefähr einer Viertelmillion oder etwa
10 000 Quadratkilometer des Kamps-
geländes hatten. „Das Leichenfekd in
Ostgalizien," so sagt ein offizieller Be-
richt, „wird als das schauerlichste des
ganzen Krieges bezeichnet." Und dabei
konnte derselbe Bericht hinzufügen:
„Dank dem vorzüglichen Zusammenwir-
ken aller Waffen sind unsere Verluste
verhältnismäßig gering."

Was an dieser Ossensi-ve, der erPen
großen militärischen Betätigung des
russischen Revolutionsheeres, auffiel, war

^ernsprechabteilung im westen: Line Station in einem zerschossenen kzaus.

phot. Yück-I

neben dem unverändert stumpffinnigeni
Draufgehen der geschlossenen Massen
das häufig vollständig systemlose An-
setzen der Angriffe. „Führung und Un-
terführung erschienen unzulänglich nnd!
gewissenlos."

Trotz dieser furchtbaren Verluste
der nächste Tag eine Fortsetzung der
Ofsensive. Zwischen der Strypa und
Zlota Lip'a war der Feind freilich einer
neuen Krastäußerung am 7. Juli nicht
fähig, aber bei Zborow brach er ohne
Feuervorbereitung vor, um in unserem
Feuer zusammenzubrechen. Ganz beson-
dere Energie entfaltete er aber bei
Stanislau, wo österreichisch-ungarischs
Regimenter die Sturmwellen dreier
russischer Divisionen im Nahkampf ab-
wiesen, nachdem diese zuvor durch das
Vernichtungsfeuer der Artillerie gelichtet
worden waren. Auch bei chuta, im
oberen Tal der Bystrzyca Solotwinska,
grifs der Feind mit ftarken Kräften an,
mußte aber nach zähem Kampfe weichen.
Bei Stanislau erneuerte er jedoch mit
verstärkten Kräften seinen Ansturm, und
es gelang ihm, unseren numerisch bedeu-
tend schwächeren Bundesgenossen gegen
die bewaldeten Höhen des Czarny (zu
deutsch „Schwarzbaches" oder „Schwarz-
wassers") zurückzudrücken. Deutsche Re--
serven geboten dem Fortschreiten dieses
lokalen Erfolges durch Gegenstoß Ein-
halt. Doch mußten an diesem Punktsj
die Stellungen im Anschluß an sich ent-
wickelnde weitere Kämpfe hinter den
Unterlaus der Lukowica zurückverlegt
werden, wodurch dem Feinde ein neues
chindernis in den Weg gelegt ist. Jm
Karpathengelände war der Russe in
seinem Offensivunternehmen noch weni-
g^. erfolgreich als an der
übrigen Kampffront. Dort zcigte
feine Offensive nicht das auf dep
chauptfront zutage getretene
flauen, sondern ste kam trotz

Ab-
der Be-
 
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