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Deutsche Kriegszeitung — 1918

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https://doi.org/10.11588/diglit.3215#0136
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-abläslsig törichte Bemerkungen über die
wahrscheinliche Nationalität der Paß-
besitzer. Auch über mich äußerte er sich,
allerdings auf englisch, daß ich wie ein
verdammter Deutscher aussähe: „Doolls
lillo u clurnnoä Oorwuu." Dem un-
glücklichen Mexikaner klopfte er auf die
Schulter und sagte in schlechtem Deutsch:
„Jhnen ist recht geschehen." Auch einige
Vollblutspanier bezichtigte er des deut-
fchen Aussehens. Der Kerl war uner-
träglich. Nach kurzer Zeit wurd-e ein
anderer „Boche" entdeckt. Der Mann
sprach ein tadelloses Spanisch, hatte einen
nordamerikanischen Paß, antwortete
auch dem Leutnant in aalglattem Fran-
zösisch. Die unnützen Bemerkungen des
Pankees wies er in gutem Englisch zu-
rück. Aber der Arme hatte einen Paß,
dessen Ausstellungsdatum sich nicht als
mit Tinte geschrieben, sondern mit Farbe
gemalt auswies. Also gefälscht. Mit
fabelhafter Zungenfertigkeit verteidigte
sich der brave Junge, aber sein auf Be-
fehl des Franzosen herbeigeschafftes Ge-
päck enthielt eine Menge deutscher
Schriststücke. Immer noch versuchte der
Mann sein Schicksal zu wenden, aber es
half ihm nichts, er mußte in die Ecke des
Saales, wo schon der andere Deutsche
traurig saß. Bald darauf fiel ein echt
deutsch aussehender junger Mann mit
Schweizer Paß hinein. Er mußte an-
geben, aus welchem Konton er stammte
und wurde sogleich einem echten Schwei-
zer gegenübergestellt, desfen alemarmi-
schen Kehllauten gegenüber er ver-
stummte. Nür ein echter Schweizer kann
so krächzen. Auch er lam in die Ecke zu
seinen Leidensgenossen. Die Unter-
fuchung ging zu Ende. Jch trat an den
Tisch und forderte von dem Spanier
meinen Paß. Der wies mich an den
Leutnant, welcher meinen Paß ausnahm
und ihn noch einmal genau durchsah.
Plötzlich fragte er in ganz leidlichem
Deutsch: „Warum verstellen Sie sich?"
Äch war auf allerlei Tücken gefaßt, ver-
stand nicht und schaute den Leutnant an-
Ungeduldig wiederholte er die Frage,
wieder bekam er keine Antwort. Dar-
auf sprach er mit dem Spanier, der aber
schüttelte mit dem Kops. Wieder streckte
ich meine Hand meinem Paß entgegen
und forderte ihn sehr bestimmt. Abek
nein! Der Franzose verbeugte sich hös-
lich und teilte mir durch den Spanier
mit, dah ich ihm verdächtig erschiene, er
mich behelligen müsse und bäte, mich
und mein Gepäck fertig zu machen, um
ihn sosort auf sein Torpedoboot zu be-
gleiten. Entrüstet wies ich das Ansinnen
zurück und verhandelte mit dem Spanier,
dies empörende Unrecht von mir abzu-

wenden. Nach lebhafter Aussprache mit
dem Franzosen eröffnte mir der Dicke,
daß mir zu meinem Besten nichts übrig
bleibe, als der Macht keinen Widerstand
zu kisten, jetzt den Franzosen zu beglei-
ten und später meinen Gesandten in
Paris um Schutz zu bittem Jch war mir
bewußt, in höchster Gefahr zu sein, pro-
testierte noch einmal mit lauter Stimme
gegen diesen französischen Mißbrauch
der Gewalt und ging in meine Kabine,
das Gepäck fertig zu machen.

Jch kann nicht sagen, daß mir trübe
zumute war, eher fühlte ich einen natür-
lichen Trotz, der durch das Vereiteln
meiner Pläne zutage kam. Man lebt
dann immer in Erwartung des nächsten
Schlages, stets bereit, eine Verschlechte-
rung der Lage zu dämpfen, eine Wen-
dung zum Besseren aber auszunutzen.
Geist und Körper waren auf äuherste
Spannung gestimmt, und ich kann meine
damalige Gemütsverfassung nicht besser
schildern, als daß ich sage: Die ganze
fatale Angelegenheit war für mich jetzt
Sportsache, also ein Wettkampf von
Fleisch und Blut und Nerven, wie ich
ihn so oft auf grünem Rasen erlebt hatte.
Jch kümmerte mich gar nicht um die
Franzosen, ließ durch den Steward mein
Gepäck ans Fallreep bringen und wnr-
tete dort. Der Franzose kam, war ficht-
lich erstaunt, mich schon reisefertig zu
sehen, und ich folgte ihm in sein Boot,
nachdem mein Gepäck hinabbefördert
war. Die drei armen Landsleute sahen
schon im Boot und suchten ihren Schmerz
und ihre Enttäuschung zu verbergen. Jch
konnte mich gar nicht um sie kümmern.
Hing doch mein eigenes Schicksal von der
kunstgerechten Durchführung meiner
Rolle ab. Nach einigen Minuten Fahrt
erreichten wir das Torpedoboot und
enterten mühselig an Deck, wohei die
Wellen mich gänzlich durchnähten. Auf
Deck angelangt, wurden die drei Deut-
schen sofort nach unten geführt, während
ich dem befehligenden Kapitänleutnant
norgestellt wurde. Dieser richtete meh-
rere Fragen auf Französisch an mich,
die ich durch Zucken der Schultern be-
antwortete, worauf ich in die Offiziers-
messe geführt und mir selber überlassen
wurde. Das Boot nahm Kurs auf die
Küste zu, und ich erblickte bald die blauen
Berge der Riviera. Der Leutnant von
der „Siena" kam und lieh mir heißen
Kaffee und Cakes bringen. Noch meh-
rere seiner Kameraden traten in die
Messe und versuchten, mich in ein Ge-
spräch zu ziehen, aber ohne Erfolg. Wenn
die Leute gewußt hätten, daß ich jedes
ihrer freundlich gemeinten Worte ver-
stand und ganz gut ihre Sprache ge-

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brauchen konnte! Jch war gespannt,
wie man mich an Land behandeln
würde. Das bisherige Verhalten der
Franzosen ließ das Beste hoffen. Bis
jetzt hatte man nur einen Verdacht ge-
gen mich, nicht mehr, und der französische
Schiffsleutnant handelte übereisrig, daß
er mich mitnahm. Jetzt war ich aber
einmal hier, und die Behörden würden
alles tun, um mich zu entlarven. Das
war mir klar. Zmmerhin war ich^noch
besser daran als meine armen Lands-
leute, deren ferneres Schicksal kein
menschliches war.

Wir näherten uns nun der Küste, und
zu meinem Erstaunen erkannte ich Nizza,
in dessen kleinem schönen Hafen wir als-
bald festlegten. Es war schon spät ge-
worden, sechs Uhr abends. Mein Leut-
nant kam und forderte mich höflich auf,
mit ihm an Land zu gehen. Wohin
wübde er mich bringen? Wir gingen in
die Stadt hinein, gefolgt von zwei
Matrosen, die mein Gepäck trugen, über
die Place Massckna, durch mehrere
Straßen hindurch, und betraten das
Hotel Splendid. Jch hatte Schlimmeres
erwartet, denn meine Erfahrungen be-
rechtigten mich dazu. Mein Leutnant
sprach mit dem Wirt, der mir einige
Zimmer zeigte, deren eins ich zum Preise
von acht Frank pro Tag mietete. Jch
sprach natürlich immer Spanisch, doch
schienen einige Kellner mich zu ver-
stehen. Als mein Gepäck sich auf meinem
Zimmer befand, nahm der Leutnant
von mir Abschied und überreichte mir
seine Karte, er hieß Horace Gervier und
wohnte in Marseille. Jetzt wuhte ich
wenigstens, wem ich meine jetzige Lage
und, was daraus kommen würde, zu ver-
danken hatte. Durch Vermittlung eines
Kellners gab er mir noch zu verftehen,
daß mir das Verlassen des Hotels ver-
boten sei, und daß er mir rate, mich da-
bei zu beruhigen, da eine Verschärfung
meiner chaft mir nur unangen-ehm sein
würde. Das traf allerdings zu. Mit
sehr gemischten Gefühlen aß ich zu Abend
und trank auf Anraten des Wirtes eine
Flasche Burgunder, 1896er Beaune. Der
Wein war vorzüglich, er half mir über
die schweren Gedanken hinweg un'd über
die Befürchtungen, zu denen meine Lage
Anlaß gab. Zch war schon so nahe dem
Ziele meiner Reise gewesen, und alles
schien jetzt wieder in Frage gestellt.
Würde es mir gehen wie in England?
Das war nicht zu erwarten, denn meine
Papiere waren gut, und es war schwie-
rig, mir meine deutsche Nationalität
nachzuweisen. Ein günstiges Zeichen
war, daß ich anders behandelt wurde
als die drei überführten Deutschen von

d-er „Siena", die sicherlich in einem elen-
den Gefängnis waren und des Abtrans-
portes nach Corsica harrten. Der Weg
für mich aus französischer Gewalt her-
aus hieß: Durchhalten, unbeirrbares
Durchführen meiner Rolle und stetiges
Sichbewußtsein der Gefahr. Mit diesem
Gedanken schlief ich ein.

Am nächsten Morgen gegen zehn Uhr
wurde ich von einem Korporal abgeholt
und auf dem Rathaus dem Hafenkapitän
vorgestellt. Dieser war ein älterer Herr
mit grauem Schnauz- und Knebelbart
und harten, schwarzen Augen, aber hös-
lich und korrekt. Er lieh mir einen Stuhl
bringen und bat um meine Papiere.
Nachdem er diese aufs genaueste mit
einem Vergrößerungsglas betrachtet und
durchforscht hatte, wandte er sich an mich
mit der Frage, warum ich nach Genua
wollte, da ich doch wüßte, dah kein Deut-
scher durchkommen könne. Ich gab vor,
den Mann nicht zu verstehen, worauf er
ärgerlich wurde und mir kurz sagte, daß
alles Leugnen mir nichts helse, daß man
mich schon des Deutschtums überführen
und bestrafen würde, da die Verwen-
dung emes falschen Pasfes Spiunageab-
sichten nahelegte. Wenn ich aber ge-
stände, so solle ich zu memem eigenen
Besten bloß interniert werdem Ich ver-
stand wieder nichts. Der Franzose ver-
lor die Selbstbeherrschung und rasfelts
einen kräftigen Fluch zwischen den Zäh-
nen hervor. Es half ihm aber nichts,
ich verstand kein Wort. Darauf wurde
ich in mein Hotel zurückgeführt. Dort
fand ich zu meiner Überraschung, daß
meine sämtlichen Sachen auf die Mairie
geschafft worden waren. Wahrscheinlich
zum Durchsuchen. Mir war's recht, trotz
der Unbequemlichkeiten, die das F-ehlen
meiner Sachen zur Folge hatte. Denn
die Spürnasen würden nur Dinge fin-
den, die ich extra für sie in meine Koffer
getan hatte. Wie froh war ich darüber!
Zn Madrid hatten einige meine Vorsicht
für übertrieben gehalten, ja mir zu ver-
stehen gegeben, daß fo übermähtg ängst-
liche Menschen wie ich gar nicht solche
Reisen unternehmen sollten. Jch hatte
mich aber nichl darum gekümmert. Auch
nicht die kleinste Vorsichtsmaßregel war

zu viel. M-ortsetzung folgt.)

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