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Deutsche Kriegszeitung — 1918

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https://doi.org/10.11588/diglit.3215#0210
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2

Nummer 27

cmer Erhöhung dieser Zuhlen durch die
von uns m Dienst gestellten erbeuteten
Waffen, um uns klarzumachen, daß alles
Gerede des Feindes iiber Ergänzung des
Nerlustes lediglich Sand m die Augen
einer leicht zu betörenden Volksmenge ist-
Amerika ist in der Tat vor eine Riefen-
aufgabe gestellt, wenn es diese Einbuße
an lebendem und totem Kriegsmaterial
wieder gutmachen soll, und seine -ärg-
lichen Leistungen während des ersten
Kriegsjahres haben gezeigt, daß es dazu
iiberhaupt nicht fähig sein dürfte, wenn
wir ihm auch noch ein Jahr Zeit zu lassen
geneigt wären.

Weitere Aderlasse,

denen Generalissimus Foch die bereits
so stark verbluteten Heere der Entente
ausgesetzt hat und noch weiterhin auszu-
setzen entschlossen zu sein scheint, lenken
von neuem die Aufmerksamkeit auf die-
seu Feldherrn, der der Macht des Feindes
mehr Abbruch getan hat als irgendeiner
der weder auf der Höhe militärischen Kön-
nens stehenden, noch vom Glück begünstig-
ten feindlichen Führer. Es war begreiflich,
dnß die Feinde durch ihre letzten großen
Niederlagen zwischen der Aisne und an
der Marne und zwischen Montdidier und
Noyon aufs tiefste beunruhigt wurden.
Es war auch zu verstehen, daß die Unge-
witzheit, was die nächste Zeit bringen
könne, bei dem Gegner nervenaufregend
wirken mußte. Aber gerade die Wahr-
scheinlichkeit - hätte dem Generalissimus
als notwendlg erscheinen lassen müssen,
die ihm noch unbeschädigt verbliebenen
Kräfte zu schonen und zusaminenzuhalten
und sie vor demselben Geschick der Zer-
splitterung und Zermürbung zu bewah-
ren, das durch sein Verschulden den weit
größten Teil der Gesamtarmee betroffen
hatte. Aber Foch hatte offenbar aus den
letzten Monaten nicht gelernt, sondern
sich wie ein kopflos gewordener Spieler
durch seine Verluste nur zu neuen un-
überlegten Einsätzen verleiten lasfen. Jn
seinem Buche „vss prineipes äe ln
Lruarrs" sagt Foch: „Die Kriegskunst ist
nicht als Wissenschaft zu erlernen, denn
sie ist eine Kunst. Das Studium oermag
nur den Geist zu bilden und das Hand-
werkszeug zu bieten. Durch das Stu-
dium der Grammatik lernt man nicht
eine Jlias schreiben oder eine Tragödie
Corneilles." Seine Kriegführung hat die
Richtigkeit dreses Satzes bewiesen. Dem
Professor der Kriegslehre Foch war die
Kunst der cheerführung versagt geblieben.
Nur eins rst ihm doch gelungen. Er hat
eine Tragödie zustandegebracht, wie
man heute in Paris und London, nach
den Kritiken, die auch dort laut werden,
eingesehen hat. Was er aber augen-
blicklich tut, muß das Geschick der En-
tenteheere noch tragifcher gestalten. Daß
die Engländer an der Lys nicht aus eige-
nem Antrieb zu Teilangriffen über-
gingen, die zu stark waren, um noch als
Erkundungsunternehmungen gelten zu
können, und zu schwach, um als Offensive
mit einiger Aussicht auf Erfolg betrachtet
zu werden, das zeigt uns der gleichzeitige
und in derselben Weise zu beurteilende
Angriff der Franzosen an der Aisne.
Ohne Zweifel waren beide Handlungen
ein Ausfluß der Überlegungen und An-
ordnungen Fochs, und es wäre nicht zu
verwundern, wenn die neuen blutigen
Verluste den in beiden Hauptstädten nicht
mehr zu beschwichtigenden Unwillen über
Fochs Leistungen noch beträchtlich stei-
gern würden. Freilich, Foch besitzt in
Clemenceau einen Freund und Be-
fchützer, der selbst dann den General nicht
sallen lassen könnte, wenn er dessen unzu-
reichende Befähigung erkannt hätte, da
man dann gegen ihn, Clemenceau, selbst
den Vorwurf erheben würde, diesen Ge-
neralissimus durchgesetzt zu haben.

Uvter diesenUmständen ist es durchaus
möglich, daß Foch, von Clemenceau ge-
trieben. dos verzweifelte Spiel des Ver-
tlerers ÄLUerspielt, in der schtvachen

Hoffnung, einen kleinen Erfolg, sei es
auch nur einen Scheinerfolg, zur „Ret-
tung feines Gesichts", wie der Chinese
sagt, davonzutragen. Die neuen Angriffe
an der Ourcq mögen ebensosehr daraus
hindeuten wie die Nachricht, daß die
fremden Heeresvertreter aus Paris nach
der Front abreisten, und dah Clemenceau
selbst sich ins Hauptquartier begeben habe.

Sollten wir dnraus die richtige Schluß-
solgerung gezogen haben, so stehen wir
vor nochmaligen blutigen Angriffen des
Feindes, denn Foch bevorzugt geschlos-
sene Formen und die Stoßtaktik und diese
sind heute ganz besonders geeignet, den
Verblutungsprozeß des Gegners zu be-
schleunigen. Wo aber der Feind angrei-
fen soll, das haben wir ihm seit Beginn
der Offensive diktiert. Foch ist nicht mehr
Herr seines Entschlusses, seitdem er seine
Reserven zum großen Teil zersplittert
und verschwendet hat. Heute bedrohen
ihn unsere vorgetriebenen Keile an den
verwundbarsten Punkten, und deshalb

uns Maschinengewehre e'nbrachten. Bei
Chllteau-Thierry durftc natürlich der
feindliche Teilangriff nicht fehlen, der mit
großer Regelmäßigkeit wiederholt, ebenso
regelmäßig scheitert. — Bei der ^eeres-
gruppe cherzog Albrecht drang nördlich
des Rhein-Marne-Kanals bayerische
Landwehr in die französischen Slellungen
nordwestlich von Bures ein und machte
dabei zwei Offiziere und 40 Mann zu Ge-
fangenen. — Am Vormittag desselben
Tages wurden im Ortsteil von Verdun
zwei Explosionen beobachtet denen grö-
here Brände folgten.

Der 26. Iuni war verhältnismäßig
ruhig, ließ aber beim Feind nördlich der
Scarpe und Somme, westlich von
Soissons und südwestlich von Reims eine
gewisse Regsamkeit erkennen. Der Turm
der Kathedrale von Reims wurde wieder
einmal als Beobachterstand benutzt, und
wir hätten daher von neuem Berecht'gung
gehabt, unser Feuer auf dies von den
Franzosen zu Kriegszwecken mißbrauchte

Mascyinengewehr zur äidweyr feincllichec Zliegec dei einem oerankerten Zesselballon.

sehen wir Gegenangriffe gegen diese
Keile gerichtet, durch die geschützt und ge-
sichert die weiteren Pläne unserer
Heeresleitung trotz feindlichen An-
sturms reifen. — Wir betrachten nun-
mehr die Ereignisse der letzten Woche in
ihrer Reihenfolge.

Auflebende Gefechtslätigkeit am 25. Juni

ließ bereits erkennen, daß der Feind die
Zeit unserer Ruhepause zu Erkundungen
auszunutzen beabsichtige. Mußte ihm
doch darauf ankommen, sich über die
Richtung unseres mit Bestimmtheit von
ihm erwarteten neuen Stoßes Gewihheit
zu verjchaffen. Der Engländer versuchte
dies, indem er südlich der Scarpe in brei-
ten Abschnitten kompagnieweise angriff
Jn den meisten Fällen scheiterten diese
Vorstöße bereits jn unserem Abwehr-
feuer. Bei Fenchy und Neuoille-Vitasse
wurden sie durch Gegenstoß geworfen. —
Bei verstärkter Artillerietätigkeit, die be-
sonders zwischen Arras und Albert und
beiderseits der Somme hervortrat, setzte
der Feind diese Erkundungsunterneh-
mungen sort. Er verlor dabei Gefangene,
vermochte jedoch in keinem Falle hinter
den Schleier unserer vordersten Linie zu
blicken.

Auch bei der Heeresgruppe Deutscher
Kronprinz ging es lebhaft zu. Westlich
dex Oise kam es zu Vorfeldkämpfen, die

Bauwerk zu richten. — Zwischen User
und Marne trat gegen Ende des Tages
die Artillerie wieder in Tätigkeit, und im
Vorgelände kam es zu Erkundungsgefech-
ten der Jnfanterie. — Östlich der Maas,
bei der cheeresgruppe Gallwitz, waren
deutsche Erkundungen durchaus erfolg-
reich, während ein stärkerer Vorstoß der
Franzosen nördlich von St.-Miyiel abge-
schlagen wurde — Unsere schwere Ar-
tillerie war an diesem Tage nicht untätig
und nahm wichtige Orte, mie den Bahn-
knotenpunkt Estrcie - St.- Denis und
Margny unter schwerstes Flachbahnfeuer.
— Estree-St.-Denis muß deshalb von
uus scharf beschossen werden, weil es bis-
her, mit Compiögne zusammen, einer der
Hauptstützpunkte der Pariser Verteidi-
gung war und starkes Kriegsmaterial
enthält. Die Zivilbevölkerung war
übrigens aus diesem militärisch wick-
tigen Ort bereits in der ersten Woche des
Monats Funi ausgesiedelt worden.

Englische Teilangriffe

brachten am 28. Iuni heftige Kämpfe.
Nördlich der Lys versuchte der Engländer
in dreimaligem Ansturm uns Merris zu
entreißen. Nur bei Vieux-Berquin, in
der Mitte des Kampffeldes, gelang es
ihm, in den Ort einzudringen. Aber ein
Gegenstoß brachte ihn nicht nur zum
Stehen. iondern wars ihn auch wieder

über den Westrand des Dorfes zurück.
Bet Meiville kamen die feindlichen An-
griffe nicht durch unser Feuer hindurch.

Auch südwestlich Bucquoy machte dsr
Feind mehrere starke Vorstöße, aber seine
Erkundungsabteilungen vermochten auch
hier nichts auszurichten. — Während an
den eigentlichen Kampfstellen naturge-
mäß das Feuer der Artillerie gesteigert
war, staute es an der übrigen Front
merklich ab.

Ein französifcher Angriff an der Aisne

sekundierte die erwähnten englischen An-
griffe und gab dadurch die Absicht eines
gemeinsamen Vorgehens zu erkennen.
Der Angriff südlich der Aisne wurde
von den Franzosen nach starker Feuer-
wirkung angesetzt. Er brach bei Ambleny
nach hartem Kampf zusammen. Über Cu-
try hinaus gewann der Feind anfänglich
Boden, wurde dann aber vom Gegenstoß
gepackt und auf die Höhen beiderseits des
Ortes zurückgeworfen. chier schien er
einen Erfolg erzwingen zu wollen, denn
ex vLrsuchte unter Einsatz von Panzer-
wagen einen Vorstoß, vermochte aber den
Angriff der Infanterie trotzdem nicht
weiter vorzutragen. — An dem Walde
von Villers-Cotterets, in dem unsere An-
wesenheit eine beständige Bedrohung des
wichtigen Ortes selbst und des dahintei
gelegenen Compiegne 'bildel, war der
Feind ebenfalls vorgestohen, wurde abei
nicht nur geworfen, sondern unsere Trup
pen solgten auch dem Wsich^nden bis in
seine Ausgangsstellungen und machteu
Gefangene. — So waren denn die 2eil>
angriffe des Gegners an allsn Stellen ge>
scheitert, ohne ihm etwas anderes als
blutige Verluste einzutragen, nnd die Ei-
schlaffung des Gegnecs ging anr deutlich-
sten daraus hervor, daß am nächsten Tage
bei allerdings anhaltend gesteigeitem
Artillerieseuer zwischen Pser und Marne
nur Patrouillenvorstöße am Zilleibeker
See, an der Lawe'und nördlich der Ancre
zu verzeichnen waren, Vorftöße, die mil
Leichtigkeit avgewiesen muiden. Auch ein
feindlicher Vorstoß in Stärke einer Kom
pagnie südlich der Straße Amiens -Rmp
war ebenso zwecklos wie erfolglos. Eigenr
kleinere Vorstöße südlich des Ourcq unk
bei Altkirch brachten uns Gefangene ein.
Bemerkenswert war es, daß unsere Po-
trouillen südwestlich Reims 27 Italiener
fingen, die das Vorhandenjein italieni
scher Hilfstruppen durch ihre Gefangen
schaft bestätigten.

Die Gefechtstätigkeit lebte am 80. Iuni
an vielen Frontstellen wieder auf. und
eine lebhafte Erkundung war der Vor-
läufer englischer Teilangrifse bei Albert,
die mühelos abgewiesen wurden. Mit
dem Engländer regte sich auch wieder
gleichzeitig der Franzose zwischen Aisne
und Marne. Der Feind ging hier immer
wieder zu starken Erkundungsstößen vor,
um sich dann gegen Mittag bei St.-Pierre-
Aigle nach heftiger Feuervorbereitung
eine empfindliche Schlappe zu holen.
Seine Versuche, nachts weiter vorzukom-
men, scheiterten vollständig Seine Un-
gewißheit in bezug auf unsere Plän»
hatte ihn wiederum zu nutzlosen Opfern
verleitet. Dasselbe läßl sich von den
feindlichen Unternehmungen des 1. Juli
sagen, die allerdings lediglich an dem
Ourcq und westlich von Chütenubriand
den Charakter starker Teilangriffs tru-
gen und sich sonst im Rahmen kleinerei
Erkundungen hielten.

Unsere Flieger

waren in der vergangenen Woche außer-
ordentlich ti.tig und wurden für ihr?
TapferkeiL m>t vielen schönen Siegen be-
lohnt. Kein Wunder, dah uns Über-
raschungen des Feindes so oft gelingen,
wenn unsere Flieger so unermüdlich die
Wacht in der Luft halten, daß es dem
feindlichen Flieger schwer fällt, hinter
unsere Linien zu sehen. Aber auch den
feindlichen Bombenwerfern, die hoch
über unsere Linien wegfliegen. um im
 
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