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Deutsche Kriegszeitung — 1918

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https://doi.org/10.11588/diglit.3215#0334
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6

Nummer 42

ledi-glich, daß der Durchbruch ernst ge-
meint war und vollständig mihlang.
Sollte nun der Feind aus seinen vielen
vergeblichen Dersuchen noch nicht zu der
Erkenntms gelangt fein, daß ihm ein
Durchbruch unmöglich Lst, so könnte man
von ihm doch erwarten, daß er im Jnter-
esse seiner in nnd hinter unseren Linien
lebenden Landsleute seinen nußlosen Be-
strebungen ein Ende setzt. Nicht nur,
daß durch die von ihm herbeigesührten
Kämpse und die damit oerknüpsten schwe-
ren Beschiehungen bisher unbeschädigte
Ortschasten und Gegenden naturgemäh
verwüstet werden, sondern es werden
auch die unglücklichen Bewohner durch
das Feuer ihrer eigenen Brüder ins
Elend getrieben. Mag der Engländer und
Amerikaner dies auch mit ziemlichen
Gleichmut hinnehmen, so sollten doch
Franzosen und Belgier sür ihr Land und
ihre Landsleute um so mehr Mitleid emp-
sinden, als es doch nicht in ihrem Jnter-
esse liegen kann, ein zerstörtes Land und
eine an den Bettelstab .getriebene Bevöl-
kerung wiederzusinden.

Die Flucht der Franzosen und Belgier
in den angegrifsenen Gebieten hat sich in-
zwischen zur Massenflucht gestaltet. Nach
Hunderttausenden zählen die Flüchtlinge,
die, nur das Allernotwendigste mit sich
tragend, vor dem Feuer ihrer eigenen
Brüder sliehen. Den Bemühungen unse-
rer Militärbehörden, den armen Leuten
nach Kräften zu helsen, spotten die stets
wachsenden Schwierigkeiten, und so
wächst das Bild der vernichteten Werte
im Nücken der Flüchtlinge, deren Elend
sich mit der Zeit ins Unerhörte steigern
muß. Belgien, so denken wir, sollte in
erster Linie dasür eintreten, diesem
Elend ein Ende gemacht zu sehen.

Sollte Herr Wilson über die Ursache der
Zerstörungen bei diesen Kämpfen noch im
Zweisel sein, so wird ihn ein kurzes Nach-
denken über die Wirkung des mit Absicht
auf das chintergelände und dessen Ort-
schaften gerichteten Feuers der englisch-
vmerikanisch-franzäsischen Geschütze wohl
eines Besseren belehren. Als anständiger
Mann wird er dann sicherlich nicht ver-
fehlen, sich dasür zu entschuldigen, daß
er, vislleicht schlecht unterrichtet, in einer
so wichtigen und bedeutungsvollen Note
verleumdete. Tut er das nicht, so bleibt
die Verleumdung auf ihm hasten, und er
kann versichert sein, üaß er damit der
Sache des Friedens den denkbar schlech-
testen Dienst leistete. Unsere Braven in
der Front werden die genügende Ant-
wort auf jegliche Berleumdung zu geben
wissen.

Auf der Valkanhalbinsel

ist Bulgarien nunmehr vollständig aus
der Neihe der uns interessierenden Na-
tionen ausgeschieden und durch seinen
Minister Malinow zum Sklaven der En-
tente gemacht. — Bei dem Nückzug unse-
res k. k. Bundesgenossen aus Albanien
haben am 8. Oktober Franzosen und Ser-
ben Elbassan besetzt. — Am Skumbi schei-
terten noch am 9. die Versuche der italie-
nischen Kavallerie, den Fluß zu über-
schreiten, während sich nordwestlich und
nördlich Leskovak Kämpfe entwickelten.
— Mit dem Auftauchen serbischer und
montenegrinischer Banden hinter der
Front hatte man gerechnet und diese so-
fort nach ihrem Erscheinen aufgerieben.

Am 10. folgte die Räumung von Pris-
ven und Pristina, während auf den chöhen
von Leskovak deutsche Bataillone mit den
Serben kämpften. Auch Banden mach-
ten sich wieder bemerkbar. Da der plan-
mäßige Rückzug am 11. weit genug
durchgeführt war, um die Verteidigung
des Skumbi überflüssig zu machen, wur-
den die k. u. k. Nachhuten von diesem
Fluß abgezogen und damit den Ztalie-
.yern das Überschreiten gestattet. — Mi-
jrovitza wurde am 11. vom Feinde besetzt,
während dieser auch südlich Nisch Ge-
fechtsfühlung mit unseren Truppen ge-
wonnen hatte.

Die noch südlich der Topliea stehenden
deutschen Abteilungen waren in die Linie
Kursulmje—Prokuplje—Sarlinei zurück-
genommen worden, und der auf der Li-
nie Zitoragja—Kocane erfolgende An-
griff drückte uns östlich der Morava auf
Nisch zurück. Der Feind zeigte ebenso-
wenig Bedenken, diese seine eigene Stadt
zu beschießen, wie die Alliierten im We-
sten dies den französischen und belgischen
Städten gegenüber tun. Nisch wurde
natürlich nicht gehalten, und das Zerstö-
rungswerk war daher vollständlg un-
nötig gewesen. Nach einigen hinhalten-
den Gefechten wurde dem Feinde der Ein-
marsch erlaubt. — Trotzdem der Rückzug
der k. k. Truppen aus Albanien keines-
wegs in schnellem Tempo erfolgt, zeigte
der Feind kein sonderliches Verlangen,
dem Gegner auf den Fersen zu bleiben,
so daß der linke Flügel der k. k. Truppen
keine Gefechtsfühlung mehr mit dem vor-
sichtigen Gegner besaß.

Jn Jkalien.

Nach beträchtlicher Steigerung des Ar-
tilleriefeuers kam es am 8. im Daone-
Tal, an der Etsch und östlich der Brenta
zu Infanteriekämpsen, die für unseren
Bulldesgenossen ersolgreich verliefen. Es
solgten nun zweitägige Erkundungs-
gefechte und im Anschluß an diese am
11. Oktober

heftiger kampf in den Sieben

Gemeinden.

Zwischen dem Assatal und dem Monte
di Val Bella ftürmte der Jtaliener mor-
gens um 4 Uhr. Bei Asiago blieben seine
Angriffe im Abwehrseuer liegen, aber am
Monte Sisemol, wo sich die Franzosen am
Angriff beteiligten, mußten die Batail-
lonsreserven zum Gegenstoß eingesetzt
werden, ehe der Feind geworfen werde.
Es ift höchst bemerkenswert, dah auch
diesmal wieder der Jtaliener seine Of-
fensive auf einen einzigen Tag be-
schränkte, und wir können uns nicht des
Eindrucks erwehren, daß es dem Feinde
lediglich daraus ankommt, durch solche
vereinzelte Unternehmungen seines Geg-
ners Aufmerksamkeit von der Tatsache
abzulenken, d-aß er Truppen nach der
Westfront abschiebt.

Unsere Flieger,

denen wir in letzter Zeit wegen der Fülle
des Stoffes nicht unserem Wunfche ent-
sprechend gerecht werden konnten, haben
im Monat September ihre große nume-
rische Schwäche dem Feinde ge-
genüber durch unermüdliche Tä-
tigkeit wettgemacht. Man könnte
ohne Übertreibung sagen, daß sie sich ver-
zehnfachten, und ihre Leistungen bieten
uns das Bild einer fast unglaublichen
Uberlegenheit unserer Fliegerwaffe der
feindlichen gegenüber.

Nicht weniger als 773 feindliche Flug-
zeuge, davon 125 durch Flugabwehr-
kanonen, und 95 Fesselballone waren
die Ernte unserer Fliegertruppen, die
trotz der gewaltigen Überlegenheit des
Feindes und der großartigen Erfolge
nur 107 Flugzeuge einbüßten. Die
Schlachten in der Luft machten aber fo-
zusagen die Luft für das Eingreisen in
den Erdkamps rein.

Was unsere Flieger durch Auf-
klärung bei Tage und Nacht, durch Bom-
benangriffe auf wichtige Ziele im Hin-
terland, durch Angriff aus dem Schlacht-
feld mit Maschinengewehr und Wurf-
minen leisteten, werden ihnen ihre dank-
baren Vrüder von der Infanterie und
Artillerie niemals vergessen. — Bei der
großen Zahl der angreifenden feindlichen
Ftieger war unsere Einbuße an Fessel-
ballons, 103, größer als die des Feindes,
aber unsere Beobachtungsslieger setzten
sich rückhaltlos ein, um durch kühne Flüge
die ausfallenden Ballons zu ersetzen.

Von den abgeschossenen 773 feindlichen
Flugzeugen fielen nicht weniger als 450
in unsere Hand.

OieLreignisse zurSee.

Die U-Boot-Beute: Jn den
letzten Tagen wurden un ganzen
51 000 Br.-Reg.-To. unseren Feinden
dienender Handelsschiffraum als ver-
nichtet gemeldet. Zum Teil erfolgten die
Verluste im Mittelmeer, wo die Dampser
auf öen Wegen von Gibraltar nach Süd-
ftankreich und nach den östlichen Kriegs-
schauplätzen aus stark gesicherten Geleit-
zügen herausgeschossen wurden. Weiter
erzielte hier ein österreichisch-ungarisches
U-Boot auf einen großen Transport-
dampfer in See, ein deutsches U-Boot
auf einen im Hafen von Caloforte
(Sardinien) liegenden Dampfer von
6000 Br.-Reg.-To. Torpedotreffer. Das
Sinken dieser beiden Dampfer konnte
nicht mehr beobachtet werden.

Einen recht empfindlichen Verlust eo-
litt die englische Flotte durch den Unter-
gang des Hilfskreuzers „Otranto". Die
englische Admiralität gibt darüber fol-
-gendes bekannt: Am 6. Oktober stieß der
bewafsnete Hilfskreuzer „Otranto"
(12124 Brutto-Reg.-Tonnen) mit dem
Dampfer „Kaschmir" (8841 Br.-Reg.-
Tonnen) zusammen. An Bord beider
Schiffe befanden fich amerikanische Trup-
pen. „Otranto" ist vollkommen ge-
sunken; dabei sind vier Mann ums
Leben gekommen. „Kaschmir" konnte
einen schottischen chafen erreichen und die
an Bord best-ndlichen Truppen dort lan-
den. Weitere Meldungen befagen, daß
das Wetter während des Zusammen-
stoßes sehr schlecht war. Beide Schisfe
gerieten außer Kurs und verloren ein-
ander aus den Augen. Ein durch Funk-
spruch herbeigerusener Torpedojäger
konnte 87 Offiziere und 239 Mann retten.

> Auch 30 sranzösische Soldaten befanden
fich außer den Amerikanern an Bord der
Dampfer, die alle in einem Hasen von
Nordirland gelandet wurden. „Otranto"
strandete an der Jnsel Jslay und wurde
völlig zertrümmert. 16 Uberlebende
wurden auf der Jnsel gelandet.

An der irischen Küste wurden der
japanische Passagierdampfer „Hirano
Maru" und der englische Poftdampfer
„Leinster" torpediert. Letzterer wurde
zweimal von einem Torpedo getroffen.
Verschiedene Rettungsboote fchlugen um.
Jhre Jnsassen ertranken. Der „Daily
Mail" zufolge ist die Torpedierung des
„Leinster" und des „Hirano" ein Teil
einer U-Boot-Aktion, die mit viel schwerer
bewaffneten U-Booten gesührt wird.

Nach Meldungen Reuters wurde dte
„Hirano Maru" bei stürmischem Wetter
versenkt. 29 Überlebende wurden von
einem amerikanischen Torpedojäger auf-
gefischt. Nach einer anderen Meldung
wurden von den 250 Mitfahrenden nur
28 gerettet, darunter elf Passagiere: drei
Engländer, sieben Holländer und ein
Belgier.

Über die Versenkung des Dampfers
„Leinster" zwischen Dublin und Holly-
head meldet die englische Presse, daß auf
dem Schiff 650 Pasfagiere und eine Be-
mannung von 70 Köpsen sich befand, von
denen insgesamt 150 Personen gerettet
worden sind. Der erste Torpedo traf das
Schiff, wodurch der Bug so gut wie ab-
geschnitten wurde. Der Kapitän ver-
suchte es nun in einen Hafen zu schleppen,
als ein zweiter Torpedo in die Maschinen-
kammer einschlug und einen Teil der
Kabinen vernichtete. Das Schiff sank dar-
auf in wenigen Minuten. Veim Aus-
setzen der Rettungsboote schlugen ver-
schiedene Boote um, so daß viele Per-
sonen ertranken. Von den Geretteten
wurden viele verwundet. Ein anfahren-
der Dampfer grifs das Hilferuftignal auf
und eilte nach der Unglücksstätte, fand
aber nur noch Schiffstrümmer vor. Erst
vor ein paar Tagen waren der größeren
Sicherheit halber die Abgangszeiten der
Postboote verändert worden. Die Leichen
wurden nach Dublin gebracht. Exkönig
Manuel von Portugal, der am Tage vor-

her m einem Leichter die Überfahrt ge-r
macht hatte, fandte ein Beileids-'
telegramm. „Daily Mail" meldet, datz
man glaube, daß seit etwa zehn ^gers
eine lebhaftere U-Boots-Tätigkeit GWb»
zunehmen fei, vor allem auf den Trans-
portwegen der amerikanifchen Truppen.
Wie oerlautet, sind die neuen U-Boots
viel schwerer bewaffnet als früher.

Von dem japanischen Dampfey
„Hirano Maru" wird des weiteren be-»>
richtet, daß das Schiff 200 Passagiere und
eine Bemannung von 21 Personen an
Bord hatte. Der Torpedo traf die:
Maschinenkammer, und das Schisf fank
iu wenigen Minuten, noch ehe man diej
Rettungsboote auszusetzen vermochte,
Es herrschte ein gewaltiger Sturm unÄ
schwere See. Ein paar gerettete Mit-
glieder der Bemannung starben an Bord
eines amerikanischen Torpedojägers, der,
zur Hilfe herbeigeeilt war. Gerettete er-
zählen, dah das U-Boot auch den Tor-
pLdojäger zu versenken versuchte. Ein
Geretteter gibt der Presse Lie folgende
Darstellung: Jch befand mich in meiner
Kabine und wurde durch die ExplosioNi
geweckt. Der Torpedo traf den Dampftr
in der Mitte des Schifses, Las sofort zn
sinken begann. Eine große Anzahl Passa-
giere und Mitglieder der Bemannungj
verloren das Leben. Wir gingen nach den
Booten, als eine zweite gewaltige Explo-
sion stattfand und das Schift in der Tieft
verschwand. Jch wurde ins Meer geschleu-
dert, wo ich auf einer Türe, die infolge
üer Explofion aus ihre Angeln geworfen
worden war, treibend blieb. Die Wellen
gingen hoch und es regnete. An dem-
felben Frachtstück klammerten sich noch
sieben Personen fest, darunter vier
Belgier. Wir versuchten einander Mut
einzureden. Wir wurben wiederholt
von unseren Wrackstücken weggespült.
Fünf von uns verschwanden Auletzt in der
Tiese. Es war unmöglich, sie zu retten.
Die See ging bergeshoch, und wir waren
fast tot vor Kälte, als der amerikanische
Torpedojäger uns erlöste. Ein englischer
Kapitän gibt folgende Schilderung: Die
Kraft der Explosion war etwas Entsetz-
liches. Jch war glücklicherweise voll-
ständig angekleidet. Es war, als ob ich
ein Vorgesühl hatte, daß das Schiff tor-
pediert werden. würde. Jch sprang aus
meiner Kabine und begab mich mit ande-
ren Passagieren an Deck. Es war natür-
lich etwas Aufregendes, doch jeder war
verhältnismäßig ruhig. Wir erhielten
Befehl, nach dem Oberdeck zu gehen, wo
ein Mitglied der Bemannung mir mein
Rettungsboot anwies. Jch hatte einen
Rettungsgürtel an und stand da, um in
das Boot zu springen, aber weil das
Deck, wo ich stand, plötzlich unter Wasser
gesetzt wurde, wurde ich in die böige See
geworfen, in dem Augenblick, wo das
Schifs sank. Über Wasser gehalten
durch unsere Rettungsgürtel, gelang es
uns, ein Wrackstück zu erreichen, woran
wir uns in der Dunkecheit und bei ent-
setzlicher Kälte anklammerten.

Über die Grenzen des U-Boot-Krieges
heißt es in einem englischen Blatt: Der
U-Boot-Krieg fei der beherrschende Teil
des Seekrieges, und man befinde sich jetzt
gerade in dem Monat, für den Admiral
Jellicoe das Ende des U-Boot-Krieges
vorausgesagt habe. Jm Gegensatz hierzu
hätten die Versenkungsziffern stark ent-
täuscht und manche chossnungen des
Publikums zerstört. Man hatte sich so
gewöhnt an die leise geflüsterten Erzäh-
lungen von gewaltigen Erfolgen, daß
man die Zahl der versenkten U-Boote
überschätzt hat. Das chauptmittel, das
man gegen die U-Boote zunächst an-
wandte, die Netze, hat nicht lange ge-
wirkt. Die Deutschen fanden bald Mittel
und Wege, die Netze wegzuschleppen oder
zu zerschneiden. Dann bespricht der
Aufsatz das Mittel, das man später gegen
die U-Boote angewandt hat, und über das
jetzt in England einiges veröffentlicht
wurde: das Q-Boot odev die U-Boot-
 
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