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Deutsche Kriegszeitung — 1919

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https://doi.org/10.11588/diglit.29017#0146
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Granitza, Krakau in Marsch gesetzt seien,
diesen Marsch aber nach Osten fortsetzten.
Demgegenüber konnte Minister Erzber-
ger noch einmal darauf hinwe'isen, daß
die Nachrichten tiber Angrifsvorberei-
tungen der Polen aus zahlreichen und
glaubwürdigen Quellen stammten. — Jn
Leruhigendem Sinne äußerte sich auch
der Ehes der polnischen Regierung, Herr
Paderewski. Er dementierte aus das
bestimmteste, daß polnische Streitkräfte
Absichten gegen Posen und Oberschlesien
hütten. Wenn Truppenteile dort beob-
achtet worden seien, so könne es sich nur
um lokale Truppenodteilungen handeln,
die die Ablösung oder Verproviantie-
rung der dort schon stehenden Truppen
sichern solüen. Herr Paderewski er-
klärte ferner, Polen sei entschlossen, die
Bedingungen des mit Deutschland abge-
schlossenen Wasfenstillstandes restlos ein-
zuhalten. — Diese Erklärung hat inso-
fern wenig Wert, als es der polnischen
Regierung jedensalls nicht gelungen ist,
die polnischen Truppen ebenfalls zur
Einhaltung der Waffenstillftandsbedin-
gungen zu bewegen.

Man wird uns daher nicht verargen
tönnen, w-enn wir angesichts der Tat-
sachen und der Drohung, daß die Armee
challer im Falle der Nichtannahme der
Friedensbedingungen gegen uns in Tä-
tigkeit treten solle, dafür Sorge tragen,
daß unser Ostschutz dem etwaigen polni-
schen Angreifer gewachsen ist. Selbst-
hilfe ist aber auch in anderem Falle
jedenfalls ein besserer Schutz für uns als
alle Ententeversprechungen. — Daß wir
übrigens nicht gesonnen sind, die Frie-
densbedingungen unter allen Umständen
anzunehmen, mögen die Herren in Paris
und Warschau aus dem Schreiben ent-
nehmen, das der Präsident des Staats-
ministeriums chirsch an den Magistrat
Danzigs sandte, und dessen Wortlaut wir
hier folgen lassen:

„Für die Übermittlung der Kund-
gebung der Danziger Vürgerschaft vom
24. April 1919 danke ich verbindlichst.
Was die Bürger Danzigs am 24. April
aus dem Heumarkt beschlossen haben, ist
zu derselben Stunde in ganz Deutschland
empfunden worden, denn noch nie ist das
Gefühl für die deutschen Lebensnotwen-
digkeiten so einhellig gewesen, und noch
nie ist das deutsche Volk in seiner über-
wältigenden Mehrheit sich dieser Ein-
helligteit so sehr bewußt gewesen wie in
die'en Tagen. Würden die Lebensnot-
wendigkeiten, zu denen in erster Linie
die Verfügung über den deutschsn Teil
der Weichsel gehört, verletzt werden, so
würde diese Verhöhnung des Gedan-
kens eines Gerechtigkeitssriedens weder
Deutschland Gerechtigkeit noch der Welt
den Frieden geben."

Die Friedevsbedingungen

werden, wenn den Leser diese Zeilen er-
reichen, bereits bekannt geworden sein,
denn nachdem Jtalien, das grollend ab-
seits stehende, sich nunmehr entschlosfen
hat, wieder in Versailles zu erscheinen,
und nachdem Japan auf Kosten Chinas
zufriedengestellt zu sein scheint, sollte am
7. Mai, nachmittags 3 Uhr, der Frie-
densvettrag der deutschen Delegation
überreicht werden. Die Gegenpartei, die
ein hinschleppendes Spiel mit unserer
Delegation treiben zu wollen schien, hat
sich osfenbar infolge einer dringenden
Note der Delegierten wegen Beschleuni-
gung der Verhandlungen, die eine Ant-
wort bis Montag nachmittag forderte,
zur Bestimmung dieses frühen Termins
veranlaßt gesehen. Konnte sie doch aus
Lem Ton der deutschen Forderung er-
jsehen, daß die Deutschen nicht gesonnen
seien, sich nach Belieben der Entente hin-
Halten zu lassen.

Ob nun die Friedensbedingungen an-
nehmbar oder unannehmbar fein wer-
den, entscheiden die nächsten Tage. Eins
ist sicher, daß unsere Delegierten, nach den
Äußerungen der deutschen Minister zu
lschließen, einen unehrenhaften Frieden

nicht unterzeichnen werden, und diese Ge-
wißheit kann uns in diesen schweren Zei-
ten einen gewissen Trost und Zuversicht
zur Zukunft geben. Eine Nation, die
das Ehrgefühl noch nicht verloren hat, ift'
nicht verloren, sondern wird ihr Haupt
dereinst mit Stolz wiedererheben tönnen.

Das 'Ausscheiden hindenburgs

entfernt die gewaltigste Gestalt aus dem
Bilde des Völkerringens. Was der
Scheidende in militärischer Beziehung
für uns und sür die Kriegswissenschaft
gewesen ist, darüber haben wir uns in
diesem Blatte ost genug ausgesprochen,
aber die ganze Tragik des Hindenburg-
schen Geschickes tritt uns in diesem
Augenblick seines Scheidens erst recht
deutlich vor Augen. Unüberwindlich für
den von vorn gegen ihn anstürmenden
Feind siel unser Hindenburg, ein zwei-
ter Siegfried, vom Stohe, der ihn in den
Rücken traf. Aber auch dann noch, als
e-r seine 'stolze Armee unterwühlt und
verdorben sah, rafste sich der gewaltige
Mann mit dem echten Preuhenmut, der
auch in trüben Tagen nicht versagt, auf
und hielt aus auf seinem Posten wie ein
Turm aus sturmgepeitschter Klippe. Groß
im Leben und in seinen Taten, bleibt
Hindenburg auch noch im Scheiden groß,
wenn er in seinen Abschiedsworten an
den Präsidenten des Deutschen Reiches
es offen ausspricht, daß feine Anschau-
ungen nicht den neuen Verhältnissen ent-
sprechen. Würdig aber wie chindenburgs
Abschiedsgesuch ist auch die Antwort des
Reichspräsidenlen Ebert, der, des alten
Recken bitteren Gram stumm respektie-
rend, nur eins zum Ausdruck bringt: den
unauslöschlichen Dank des deutschen
Volkes.

Die beiden historischen Schriftstücke
haben folgenden Wortlaut:

„Herr Präsident!

Der Beginn der Friedensverhandlun-
gen veranlaßt mich, schon jetzt der Reichs-
regierung folgendes zur Kenntnis zu
bringen:

Ich bin im Wechsel der Zeiten an der
Spitze der Obersten Heeresleitung ge-
blieben, weil ich meine Pflicht darin sah,
dem Vaterlande in seiner höchsten Not
weiter zu dienen. Sobald der Vorfrie-
den geschlossen ist, halte ich aber meine
Aufgabe für erfüllt. Mein Wunsch, mich
dann ins Privatleben zurückzuziehen,
wird bei meinem hohen Alter allgemein
verstanden werden, um so mehr, als es
ja bekannt ift, wie schwer es mir, mei-
nen Anschauungen und meiner ganzen
Persönlichkeit und Vergangenheit nach
geworden ist, in der jetzigen Zeit mein
Amt weiter auszuüben.

gez. von chindenburg."

Der Reichspräsident hat hierauf dem
Feldmarschall folgendes geantwortet:

„cherr lGeneralfeldmarschall!

Von Jhrern Entschluß. nach Unter-
zeichnung des Vorfriedens von Fhrer
Stellung an der Spitze der Obersten
Heeresleitung zurückzutreten, um sich ins
Privatleben zurückzuziehen, habe ich
Kenntnis genommen. Jndem ich mein
Einverständnis hiermit erkläre, benutze
ich diese Gelegenheit, um Ihnen für
Jhre dem Vaterlande während des
Krieges und in jetziger Zeit unter gro-
her Llufopferung geleisteten Dienste den
unauslöschlichen Dank des deutschen
Volkes auszusprechen. Daß Sie auch in
den Zeiten schwerer Not in Treue aus
Ihrem Posten ausgeharrt und dem Va-
terlande Jhre Persönlichkeit zur Ver-
fügung gestellt haben, wird Jhnen das
deutsche Volk niemals vergessen.

gez.: Ebert."

vieLrelgnifs e zurSee.

Das Gesetz über die Bildung einer
vorläusigen Reichsmarine ist am 16.
April in Krast getreten. Gleichzeitig ist
dazu eine Aussührungsoerordnung er-

lassen worden mit folgendem Jnhalt:
Die vorläusige Reichsmarine steht unter
dem Oberbefehl des Reichspräsidenten.
Die Ausübung der Befehlsgewalt wird,
vorbehaltlich der unmittelbaren Befehls-
erteilung durch den Reichsprüsidenten,
dem Reichswehrminifter und dem Ches
del' Admiralität übertragen. Sie sind
dem Reichspräsidenten für die Art ihrer
Kommandoführung verantwortlich. Die
Besehlsgemalt bei den höheren Verbän-
den auf den in Dienst gestellten Schiffen
und Fahrzeugen, bei den Truppen,Behör-
den und sonstigen Dienststellen üben die
Führer und Schiffskommandanten aus.
Sie find ihren Vorgesetzten für ihre Tä-
tigkeit verantwortlich. DerReichspräsident
kann jeder Konimandostelle einen Regie-
rungsbeauftragten zur Mitwirkung bei
der Lösung besonderer militärpolitischer
Aufgaben zuteilen, dessen Rechte und
Pflichten er von Fall zu Fall bestimmt.
Beim Erlaß von Anordnungen, die sich
auf die Fürsorge für die Truppe, auf Ur-
laubs- und Beschwerdeangelegenheiten
beziehen, wirken Vertreter mit, die von
allen Angehörigen der betreffenden Be-
satzung, Truppe, Behörde oder sonstigen
Formationen gewählt sind. Diese ge-
wählten Vertreter sind berechtigt, Be-
schwerden, auch solche allgemeiner Art,
auf dem vorgeschrtebenen Wege anzu-
bringen und in Berufungsverfahren bis
zur Entscheidung durch den Reichspräsi-
denten durchzuführen. Die näheren Be-
stimmungen über die Form dieser Ver-
tretung, den Umfang ihrer TäUgkeit und
das Wahlverfahren erläßt der Reichs-
wehrminister. Für die Ernennung, Be-
förderung, Versetzung und Entlassung der
Offiziere bleiben die bisherigen Stellen
zuständig. Ossiziere in Flaggoffizier-
stellen werden vom Reichspräsidenien
unter Gegenzeichnung des Reichswehr-
ministers aus Vorschlag des Chess der
Admiralität ernannt, befördert, versetzt
und entlassen. Gewählte Führer in an-
gegliederten Verbänden bedürfen der Be-
stätigung durch die sonft für die Ernen-
nung zuständigen Stellen. Deckoffiziere
und Unteroffiziere können zu Offizieren
befördert werden, wenn sie ihre Eignung
hierzu durch ihre bisherige dienstliche Tä-
tigkeit nachgewiesen haben. Die hierfür
nötigen Bedingungen werden vom
Reichswehrminister festgesetzt. Der Ein-
tritt in die Offizierlaufbahn fteht im
übrigen allen Angehörigen der norläufi-
gen Reichsmarine offen, die bei entspre-
chender Befühigung und Leistung die
vorgeschriebenen Berussprüfungen be-
standen haben. Für die vorläuiige
Reichsmarine ist ein besonderer Etat auf-
gesteltt. Jhre Gliederung und Einteilung
bestimmt nachAnweisung des Reichswehr-
ministers der Ches der Admiralitüt. Der
Reichswehrminister wird ermüchtigt, zu
bestimmen, welche von den bestehenden
Freiwilligenverbänden in die vorlausige
Reichsmarine aufzunehmen oder ihr an-
zugliedern sind. Die Freiwilligen werden
durch die Stationskommandos ange-
worben. Offiziere, Deckoffiziere, llnter-
offiziere, Kapitulanten und Beamte, die
in die vorläusige Reichsmarine übertre-
ten, werden mit ihren bisherigen Rechten
übernommen. Die Zugehörigkeit zu der
vorläufigen Reichsmarine gilt als Fort-
setzung ihres bisherigen Dienstverhült-
nisses. Die Handhabung der Diszipli»
und des Beschwerderechts in der vorläu-
figen Reichsmarine regelt der Reichs-
wehrminister. Die bisherige Marine ist
zunächst bis auf die Teile aufzulösen, die
erforderlich sind, um die Abwicklung der
Lluflösungsarbeiten zu gewührleisten und
die Ergünzung der vorläufigen Reichs-
marine an Personal und Material sicher-
zustellen. Behörden und Einrichtungen,
die für die zukünftige Reichsmarine be-
nötigt werden, bleiben gleichfalls be-
stehen. Die vorlüufige Reichsmarine führt
bis zur endgültigen Regelung die völker-
rechtlich anerkannte Kriegsflagge und die
Kommandozeichen der bishsrigen Ma-

rine. Die näheren Ausführungsbestim-
mungen erläßt der Reichswshrmimster
im Einvernehmen mit dem Ches der Ad-
miralität.

Allmählich und Zögernd werden ein-
zelne Bedingungen unserer Einschnürung
gemildert, trotzdem für ihr Fortbestehen
schon längst kein sachlicher Grund mehr
vorhanden ift. Am 27. April wurde der
deutschen Waffenstillftandskommission fol-
gende Note überreicht: „Jch bin beauf-
tragt, Jhnen mitzuteilen, daß die alliier-
ten und assoziierten Regierungen beschlos-
sen haben, nach Mitternacht des 28. züm
29. April alle Schwarzen Listen von Fir-
men und Personen, die sie veröffentlicht
oder zusammengestellt haben, zurückzu-
ziehen und alle Verbote in bezug auf
chandel und chandelsverbindungen mit
Firmen oder Personen solcher Listen
außer Kraft treten zu lassen. Die alliier-
ten und assoziierten Regierungen behal-
t-en sich das Recht vor, alle oder einige
solcher Schwarzen Liften wieder einzu-
führen, falls sich dies als notwendig er-
geben follte." Es wurde bei dieser Be-
kanntmachung besonders darauf hinge-
wiesen, daß der Beschluß auf Antrag der
englischen Regierung gefaßt worden sei.
Es muß aber gleichzeitig darauf hinge-
wiesen werden, daß man vorläufig von
der Durchführung dieses Beschlusses noch
weit entfernt zu sein scheint. Es kommen
immer wieder Nachrichten, daß die
Schwarzen Listen doch noch geführt wer-
den, und vor allen Dingen wurde am
2. Mai in Rotterdam festgestellt, daß trotz
dieser Abfchaffung die holländischen
Schiffe, deren Besitzer auf der Schwarzen
Liste standen, vorläufig noch immer nicht
fahren dürfen. Besonders fcheint man im
Frankreich zu versuchen, eine ArS
Schwarzer Liftenführung gegenüber der
Schweiz einzurichten zum Zweck der Vor-
bereitung eines regelrechten Wirtschafts-
krieges nach dem Friedensschluß.

Auch die Frage der Fischereierlaubnis
hat keineswegs die Regelung gefunden,
die von uns erbeten war. Der Oberste
Wirtschastsrat unserer Gegner hat am
22. April eine Sitzung abgehalten, in der
er sich mit unserem Verlangen beschäf-
tigte. Es wurde dabei folgendes festg-e-
stellt: „Das gegenwärtige Verlangen er-
streckt sich auf Ausdehnung des Fischerei-
bezirks auf die Skagerrak- und Kattegatt-
gewässer, die nicht nur wegen ihres Fisch-
reichtums von Bedeutung sind, sondern
auch weil sie den Fischern die Möglichkeit
geben, ihren Fang in Nord- und Ostsee-
häfen je nach Fortgang der Reise an
Land zu bringen." Der Oberste Wirt-
schaftsrat entschied, die Annahme des
Verlangens zu empfehlen. Daraufhin
hat aber keineswegs die Gewährung
stattgefunden, sondern die militärischen
Wastenstittstandsstellen haben fich bemo-
gen gefunden, das Ersuchen nur teilweise
zu bewilligen. Man hat das in der Nord-
fee erlaubte Gebiet etwas ausgedehni
und die Fischerei im füdlichen Teile des
Kattegatts gestattet, und einen minen-
freien Zugang zu den Nordseegebieten
angewiesen. Es liegt auf der chand, daß
es nur Böswilligkeit sein kann, wenn aus
militärischen Gründen uns heute das Fi-
schen im Skagerrnk und Kattegatt nicht
gestattet wird.

In Italien beeilt man sich neuerdings,
sich noch schnell vor Abschluß des Frie-
dens durch eine neue völkerrechtswidrige
chandlung deutsches Eigentum anzueig-
nen. Deutschland hatte bekanntlich kurz
vor Abbruch der diplomatischen Bezie-
hungen ein Abkommen mit Italien ge-
troffen, in dem ausdrücklich vereinbart
wurde, daß für den Fall des Krieges die
beiderseitigen Schiffe nicht eingezogen,
sondern höchstens gegen Entschüdigung
zeitweilig in Anspruch genommen wer-
den sollten. Daß so zu verfahren sei, war
zwar an sich schon ein anerkannter
«Zrundsatz im Völkerrecht. aber wir hat-
ten uns noch durch ein besonderes Ab-
kommen gesichert. Aber auch das reichi
 
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