Einleitung
Peter Scherrer
Elisabeth Trinkl
VORBEMERKUNGEN UND DANKSAGUNG
Die Tetragonos Agora von Ephesos stellt wie gleichartige Anlagen in jeder antiken Stadt als öffentlicher Raum im Allgemeinen und als Handelsmarkt im
Speziellen einen Brennpunkt für die Erforschung des antiken Lebens dar. Entsprechend dieser bereits von Aristoteles formulierten Bedeutung erfolgte
ihre Ausgrabung auch schon in der Frühphase der nun bereits über 100 Jahre währenden systematischen Erforschung der Stadt durch das Österreichische
Archäologische Institut. Die 1923 vorgelegte Publikation mit der Datierung der Agora als hellenistische Anlage mit römischen Zusätzen war trotz der
ungünstigen Zeitläufe nach dem Ersten Weltkrieg von vorbildlicher Ausführlichkeit. Damals wurden allerdings nur Teilbereiche des ungefähr 24.000 m2
großen Areals freigelegt und die probeweise an der Hangseite in der Oststoa durchgeführten Tiefgrabungen erbrachten keinen älteren Befund. Dieses
Ergebnis und die durch theoretische Ergänzung des Ergrabenen gewonnene Vorlage eines Gesamtplanes durch den Ausgräber Wilhelm Wilberg und die
genialen Rekonstruktionszeichnungen der Toranlagen durch George Niemann schienen für lange Zeit allen Fragen gerecht zu werden, eine weitere
Erforschung nicht notwendig.
Erst durch die fast vollständige Freilegung des Hofes und der Hallenanlagen bis auf das Platzniveau durch das Efes Müzesi Selpuk in den 60er Jahren des
20. Jahrhunderts wurden neue Impulse gegeben und erstmals die optische Erfassung der Gesamtanlage ermöglicht. Die seit 1980 durchgeführten
Anastylosearbeiten am Agora-Südtor und der ,Neronischen Halle‘ durch Friedmund Hueber rückten den Handelsmarkt neuerlich in den Blickpunkt der
Forschungsinteressen. Die in diesem Zusammenhang notwendigen kleinräumigen Ausgrabungen wurden von Werner Jobst (1976-1978 und 1982:
,Bibliotheksvorplatz4) und Stefan Karwiese (1979-1985: Südtor und ,Neronische Halle4) geleitet.
Annähernd gleichzeitig setzte Gerhard Langmann 1977 im Osten des Agorahofs Tiefgrabungen an, mit denen er seine am ,Staatsmarkt4 begonnenen
Arbeiten an der archaisch-klassischen Gräber- und Prozessionsstraße im späteren Stadtareal der lysimachischen Neugründung fortsetzte. 1979 traten in
Erweiterung des Projektprogramms Ausgrabungen im Agora-Westbereich hinzu. Dabei glückte entgegen der damaligen Forschungsmeinung die Auffindung
etwa drei Meter tiefer liegender frühhellenistischer, zu Beginn der Arbeiten sogar noch der Klassik zugeordneter Baubefunde. Außerdem wurden relativ
große Mengen spätgeometrischer bis archaischer Keramik geborgen. Aus diesem Grund wurden die Arbeiten in diesem Bereich in den Folgejahren
intensiviert und führten 1987 zur Entdeckung einer seit dem 8. Jh. v.Chr. bestehenden Siedlung - wahrscheinlich dem in der Literatur überlieferten Dorf
Smyrna deren Ausgrabung bis 1996 das Hauptaugenmerk galt. Nach seinem krankheitsbedingten Abschied von Ephesos im Jahr 1992 übergab
Langmann die Leitung dieser Grabungen und der wissenschaftlichen Bearbeitung an Peter Scherrer.
Sowohl bei den Forschungen von Jobst und Karwiese als auch bei den Ausgrabungen im Westen der Agora hatte sich eine Fülle von neuen Befunden und
offenen Fragen ergeben, die eine Neubewertung der gesamten Agoraanlage und ihrer nun deutlich gewordenen hellenistischen Vorgänger unabdingbar
werden ließen. Daher wurde ab 1993 das Projekt neu konzipiert und eine umfassende Erforschung nicht nur der vorhellenistischen Befunde, sondern
auch und vor allem der Agoraanlage selbst in das Programm genommen.
Ein erster, wenn auch vorläufiger Versuch, die Baugeschichte der Agora vom 3. Jh. v.Chr. bis in die frühbyzantinische Zeit darzustellen, wird unter
Berücksichtigung aller vorhandenen, allerdings noch nicht abschließend aufgearbeiteten Grabungsergebnisse und Baubefundungen auf den folgenden
Seiten unternommen.
Aus der Aufdeckung spätgeometrischer bis klassischer Baubefunde und Gräber ergab sich eine zweite, für die historische Topographie der Stadt besonders
wertvolle Forschungsebene. Für die Hausbauten der in Teilen erforschten archaischen Siedlung kann hier nur ein kurzer Überblick gegeben werden, da
die detaillierte Chronologie der einzelnen Bauperioden vom mittleren 8. bis in das mittlere 6. Jh. v.Chr. noch längerer intensiver Forschung bedarf.
Eine weitläufige, nur in kleinen Ausschnitten bekannte Nekropole im Einschnitt zwischen den beiden Stadtbergen, dem Embolos, setzt sich im Bereich
der späteren Tetragonos Agora am Hang des Panayirdag fort. Zu diesem zumindest seit dem mittleren 6. Jh. belegten Gräberfeld gehören auch zwei nahe
dem Südtor 1998 aufgedeckte Gräber des 5./4. Jh.s v.Chr. Diese werden hier vollständig vorgelegt und bilden den Anlass einer zusammenfassenden
Darstellung weiterer Grabinventare.
Weitgehend zeitgenössisch zu den Gräbern im Osten der Tetragonos Agora ist die Nachnutzung des ergrabenen Wohnareals in deren westlichem Teil im
5./4. Jh. v.Chr. für gewerbliche Zwecke. Hier sind vor allem ein Brunnen und mehrere Beckenanlagen von Relevanz. Während die Becken nur wenig
Fundmaterial erbrachten, konnte aus dem Brunnen S-AB eine bedeutende Anzahl von Gefäßen geborgen werden, die erstmals für Ephesos neben den
Grabbefunden einen zumindest punktuellen Einblick in die materielle Kultur klassischer Zeit erlauben.
Beginnend gleich nach der Ausgrabung des Brunnens S-AB wurden 1989 bis 1994 nach Maßgabe freier Kapazitäten Bruchstücke der aus diesem
geborgenen Gefäße zusammengestellt und teilweise zu Ganzgefäßen zusammengefügt sowie Vorarbeiten für die Katalogisierung durchgeführt. 1995/96
mussten infolge des Depotneubaues die platzintensiven Arbeiten an der Brunnenkeramik ausgesetzt werden und wurden erst in den Jahren 2001-2003
abgeschlossen. Weitere Zusammenführungsarbeiten würden im Vergleich zum zu erwartenden Erfolg einen überproportionalen personellen und finanzi-
ellen Aufwand bedeuten. Der derzeit vorhandene Wissensstand ermöglicht jedoch einen soliden Einblick in das Material und reicht unseres Erachtens
aus, um die Vorlage der Gefäße aus der Verfüllung des Brunnens S-AB zu wagen. Mit größter Wahrscheinlichkeit sind alle vorhandenen Formen in
dieser Vorlage belegt. Allerdings mußte eine bedeutende Zahl von Wandfragmenten unzugeordnet bleiben, weswegen eine gewisse Unklarheit bezüglich
der Gesamtstückzahl der im Brunnen abgelagerten Gefäße bestehen bleibt.
XI
Peter Scherrer
Elisabeth Trinkl
VORBEMERKUNGEN UND DANKSAGUNG
Die Tetragonos Agora von Ephesos stellt wie gleichartige Anlagen in jeder antiken Stadt als öffentlicher Raum im Allgemeinen und als Handelsmarkt im
Speziellen einen Brennpunkt für die Erforschung des antiken Lebens dar. Entsprechend dieser bereits von Aristoteles formulierten Bedeutung erfolgte
ihre Ausgrabung auch schon in der Frühphase der nun bereits über 100 Jahre währenden systematischen Erforschung der Stadt durch das Österreichische
Archäologische Institut. Die 1923 vorgelegte Publikation mit der Datierung der Agora als hellenistische Anlage mit römischen Zusätzen war trotz der
ungünstigen Zeitläufe nach dem Ersten Weltkrieg von vorbildlicher Ausführlichkeit. Damals wurden allerdings nur Teilbereiche des ungefähr 24.000 m2
großen Areals freigelegt und die probeweise an der Hangseite in der Oststoa durchgeführten Tiefgrabungen erbrachten keinen älteren Befund. Dieses
Ergebnis und die durch theoretische Ergänzung des Ergrabenen gewonnene Vorlage eines Gesamtplanes durch den Ausgräber Wilhelm Wilberg und die
genialen Rekonstruktionszeichnungen der Toranlagen durch George Niemann schienen für lange Zeit allen Fragen gerecht zu werden, eine weitere
Erforschung nicht notwendig.
Erst durch die fast vollständige Freilegung des Hofes und der Hallenanlagen bis auf das Platzniveau durch das Efes Müzesi Selpuk in den 60er Jahren des
20. Jahrhunderts wurden neue Impulse gegeben und erstmals die optische Erfassung der Gesamtanlage ermöglicht. Die seit 1980 durchgeführten
Anastylosearbeiten am Agora-Südtor und der ,Neronischen Halle‘ durch Friedmund Hueber rückten den Handelsmarkt neuerlich in den Blickpunkt der
Forschungsinteressen. Die in diesem Zusammenhang notwendigen kleinräumigen Ausgrabungen wurden von Werner Jobst (1976-1978 und 1982:
,Bibliotheksvorplatz4) und Stefan Karwiese (1979-1985: Südtor und ,Neronische Halle4) geleitet.
Annähernd gleichzeitig setzte Gerhard Langmann 1977 im Osten des Agorahofs Tiefgrabungen an, mit denen er seine am ,Staatsmarkt4 begonnenen
Arbeiten an der archaisch-klassischen Gräber- und Prozessionsstraße im späteren Stadtareal der lysimachischen Neugründung fortsetzte. 1979 traten in
Erweiterung des Projektprogramms Ausgrabungen im Agora-Westbereich hinzu. Dabei glückte entgegen der damaligen Forschungsmeinung die Auffindung
etwa drei Meter tiefer liegender frühhellenistischer, zu Beginn der Arbeiten sogar noch der Klassik zugeordneter Baubefunde. Außerdem wurden relativ
große Mengen spätgeometrischer bis archaischer Keramik geborgen. Aus diesem Grund wurden die Arbeiten in diesem Bereich in den Folgejahren
intensiviert und führten 1987 zur Entdeckung einer seit dem 8. Jh. v.Chr. bestehenden Siedlung - wahrscheinlich dem in der Literatur überlieferten Dorf
Smyrna deren Ausgrabung bis 1996 das Hauptaugenmerk galt. Nach seinem krankheitsbedingten Abschied von Ephesos im Jahr 1992 übergab
Langmann die Leitung dieser Grabungen und der wissenschaftlichen Bearbeitung an Peter Scherrer.
Sowohl bei den Forschungen von Jobst und Karwiese als auch bei den Ausgrabungen im Westen der Agora hatte sich eine Fülle von neuen Befunden und
offenen Fragen ergeben, die eine Neubewertung der gesamten Agoraanlage und ihrer nun deutlich gewordenen hellenistischen Vorgänger unabdingbar
werden ließen. Daher wurde ab 1993 das Projekt neu konzipiert und eine umfassende Erforschung nicht nur der vorhellenistischen Befunde, sondern
auch und vor allem der Agoraanlage selbst in das Programm genommen.
Ein erster, wenn auch vorläufiger Versuch, die Baugeschichte der Agora vom 3. Jh. v.Chr. bis in die frühbyzantinische Zeit darzustellen, wird unter
Berücksichtigung aller vorhandenen, allerdings noch nicht abschließend aufgearbeiteten Grabungsergebnisse und Baubefundungen auf den folgenden
Seiten unternommen.
Aus der Aufdeckung spätgeometrischer bis klassischer Baubefunde und Gräber ergab sich eine zweite, für die historische Topographie der Stadt besonders
wertvolle Forschungsebene. Für die Hausbauten der in Teilen erforschten archaischen Siedlung kann hier nur ein kurzer Überblick gegeben werden, da
die detaillierte Chronologie der einzelnen Bauperioden vom mittleren 8. bis in das mittlere 6. Jh. v.Chr. noch längerer intensiver Forschung bedarf.
Eine weitläufige, nur in kleinen Ausschnitten bekannte Nekropole im Einschnitt zwischen den beiden Stadtbergen, dem Embolos, setzt sich im Bereich
der späteren Tetragonos Agora am Hang des Panayirdag fort. Zu diesem zumindest seit dem mittleren 6. Jh. belegten Gräberfeld gehören auch zwei nahe
dem Südtor 1998 aufgedeckte Gräber des 5./4. Jh.s v.Chr. Diese werden hier vollständig vorgelegt und bilden den Anlass einer zusammenfassenden
Darstellung weiterer Grabinventare.
Weitgehend zeitgenössisch zu den Gräbern im Osten der Tetragonos Agora ist die Nachnutzung des ergrabenen Wohnareals in deren westlichem Teil im
5./4. Jh. v.Chr. für gewerbliche Zwecke. Hier sind vor allem ein Brunnen und mehrere Beckenanlagen von Relevanz. Während die Becken nur wenig
Fundmaterial erbrachten, konnte aus dem Brunnen S-AB eine bedeutende Anzahl von Gefäßen geborgen werden, die erstmals für Ephesos neben den
Grabbefunden einen zumindest punktuellen Einblick in die materielle Kultur klassischer Zeit erlauben.
Beginnend gleich nach der Ausgrabung des Brunnens S-AB wurden 1989 bis 1994 nach Maßgabe freier Kapazitäten Bruchstücke der aus diesem
geborgenen Gefäße zusammengestellt und teilweise zu Ganzgefäßen zusammengefügt sowie Vorarbeiten für die Katalogisierung durchgeführt. 1995/96
mussten infolge des Depotneubaues die platzintensiven Arbeiten an der Brunnenkeramik ausgesetzt werden und wurden erst in den Jahren 2001-2003
abgeschlossen. Weitere Zusammenführungsarbeiten würden im Vergleich zum zu erwartenden Erfolg einen überproportionalen personellen und finanzi-
ellen Aufwand bedeuten. Der derzeit vorhandene Wissensstand ermöglicht jedoch einen soliden Einblick in das Material und reicht unseres Erachtens
aus, um die Vorlage der Gefäße aus der Verfüllung des Brunnens S-AB zu wagen. Mit größter Wahrscheinlichkeit sind alle vorhandenen Formen in
dieser Vorlage belegt. Allerdings mußte eine bedeutende Zahl von Wandfragmenten unzugeordnet bleiben, weswegen eine gewisse Unklarheit bezüglich
der Gesamtstückzahl der im Brunnen abgelagerten Gefäße bestehen bleibt.
XI