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Scherrer, Peter; Trinkl, Elisabeth; Österreichisches Archäologisches Institut [Contr.]
Die Tetragonos Agora in Ephesos: Grabungsergebnisse von archaischer bis in byzantinische Zeit - ein Überblick; Befunde und Funde klassischer Zeit — Forschungen in Ephesos, Band 13,2: Wien: Verl. d. Österreich. Akad. d. Wiss., 2006

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https://doi.org/10.11588/diglit.47150#0128
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Elisabeth Trinkl

chen164. Etwas weniger prägnant ist der Umbruch bei den Standringen von Kat.-Nr. 34, 44-46, 51, 64 und 100 ausgeführt, bei denen auch der untere Teil
des Standrings nicht senkrecht ist, sondern gerade nach innen zieht oder konvex ausgeführt ist.
Der Boden von Kat.-Nr. 29 rückt - obgleich bei den anderen Details des Gefäßes keine deutlichen Unterschiede festzustellen sind - insofern von der
üblichen Gestaltung des Standringes der Hydrien ab, da der relativ schlanke, nur wenig ausgestellte Standring an der Außenseite mit einer zusätzlichen
Kehle verziert ist (Taf. 4). Ähnlich, aber etwas verschliffen ist der Standring von Kat.-Nr. 63 gestaltet, bei Kat.-Nr. 66 ist die Kehle derartig degeneriert,
dass nur ein dünner Wulst im oberen Bereich des relativ hohen Standrings liegt. Der Standring Kat.-Nr. 65 hat eine schmale Rille am Übergang vom
Standring zum Körper.
Der Gefäßkörper der Hydrien wölbt sich in sanftem Schwung vom Standring zur Schulter. In ausladender Kurve biegt das Profil des Körpers in die
breite, fallende Schulter um165. Darauf sitzt, ohne markanten Ansatz, ein gerader oder sich nur wenig nach oben zu verbreiternder, meist kurzer Hals166.
Die Gestaltung der Lippenprofile ist unterschiedlich. Es sind ausgebogene, wenig verdickte Lippenprofile (Kat.-Nr. 33) und wulstartig verdickte Lippen
belegt (Kat.-Nr. 27, 28, 30167, 31, 32, 37, 41,42). Außerdem liegen ausladende, stark überhängende, zweigeteilte Lippenprofile vor, auf deren Oberseite
ein schmaler Wulst umläuft (Kat.-Nr. 29, 38-40) (Taf. 7)168.
Alle Hydrien weisen einen Bandhenkel auf, der von der Schulter hoch auf den Hals führt169. Die Horizontalhenkel haben einen runden Querschnitt und
sind im Vergleich zur Größe der Gefäße relativ dünn ausgeführt. Sie stehen annähernd horizontal, meist nur wenig vom Körper ab (z.B. Kat.-Nr. 30 und
35) oder sind wenig aufgebogen (z.B. Kat.-Nr. 29); bei Kat.-Nr. 33 sind sie schräg auf den Körper angesetzt.
Die vollständig erhaltenen Exemplare zeigen, dass der Durchmesser der Lippe den Durchmesser des Bodens meist übertrifft. Die Hydrien haben ihren
maximalen Durchmesser auf der Höhe der Horizontalhenkel170, die unmittelbar unterhalb des Ansatzes der Schulterwölbung angebracht sind, oder nur
wenig darunter. So wirken sie häufig, als ob sie auf zu klein geratenen Böden balancierten (z.B. Kat.-Nr. 29 und 30). Der Schwerpunkt liegt infolge der
oft ziemlich gerade aufwärts geführten Gefäßwand relativ hoch. Dadurch wird der etwas instabil wirkende Charakter der Hydrien zusätzlich unterstri-
chen171.
Ein Vergleichsstück für die Hydrien mit wulstigem Rand kommt aus der nachpersischen Verbauung auf dem Kalabaktepe. Diese undekorierte Hydria ist
nahezu vollständig; sie zeigt als Vertreterin der Gebrauchskeramik keinerlei vergleichbare, etwas stilisierte Elemente wie die meisten unserer Gefäße172.
Hydrien der Gebrauchskeramik aus dem Maussolleion in Halikarnassos unterscheiden sich ebenso deutlich von den unsrigen173. Auch mit den gleichzei-
tigen attischen Haushaltshydrien haben die Hydrien des Brunnens S-AB relativ wenig Ähnlichkeiten174.
Die zweigeteilten profilierten Lippen von Kat.-Nr. 29 und 38-40 (Taf. 7) haben hingegen große Ähnlichkeiten mit den Lippen attischer gefirnisster und
rotfiguriger Hydrien ab der Mitte bzw. im letzten Drittel des 5. Jh.s und der Meidias-Zeit175. Der auf der Oberseite schmale und wenig erhabene Wulst ist
in unseren Fällen jedoch nicht wie bei vielen attischen Exemplaren ausgespart, sondern gemeinsam mit der restlichen Lippenoberseite farbig; an dieser
exponierten Stelle ist die Farbe jedoch meist stark abgerieben. Die Unterseite der überhängenden Lippe bleibt bei allen Exemplaren tongrundig, manchmal
auch der unterste Abschnitt der überhängenden Lippe (Kat.-Nr. 39). Die profilierten Lippen haben keine archaischen Vorläufer in der östlichen Ägäis, es
handelt sich bei ihnen zweifelsohne um Imitationen eines attischen Details176.
Prominente Produktionen von Hydrien, die den unseren im Allgemeinen stark zu ähneln scheinen, gab es in Knossos177 und auf Rhodos178. Gefäße der
letzten Produktion wurden bis nach Tarsos179 verhandelt.

164 Die Oberfläche des Fußes ist auf Kat.-Nr. 79 nicht ausreichend gut erhalten, um
weitere Vergleiche anzustellen. - Bei Kat.-Nr. 50 weisen die Standfläche selbst und
die Bodenunterseite dieselbe rote Einfärbung wie die untere Standringsaußenseite
auf, die auf anderen Hydrien nicht festzustellen ist; vgl. zur Verwendung von Miltos
in der lokalen Schwarzfirniskeramik, unten S. 196f.
165 Die Hydrien des Brunnens S-AB haben mit ihrer ausgeprägten Schulter die Form
der Kalpis; Diehl, Hydria, 30ff. 61 ff.
166 Im Vergleich zu den anderen Exemplaren ist der Hals bei Kat.-Nr. 33 - sofern der
oft fragmentarische Zustand diese Beurteilung überhaupt zulässt - etwas höher
ausgeführt. Für archaische Hydrien auf Chios wird ein sich nach oben verbreitern-
der Hals beschrieben, der sie von den gleichzeitigen Amphoren absetzt; Anderson,
Chios, 136.
167 An der tlw. gebrochenen Lippe von Kat.-Nr. 30 ist der Produktionsvorgang deut-
lich zu erkennen (Farbabb. 15); siehe unten Anm. 291.
168 Zur Herstellung solcher Lippen siehe Schreiber, Construction, 123 bes. 111. 14k
Abb. 14. 27-28.
169 Hydrien mit Doppelstabhenkel sind in Ephesos nicht erhalten; Halikarnassos 7, 46
G30.
170 Kat.-Nr. 79 weicht mit ihrer gedrungenen Form etwas vom Durchschnitt ab.
171 Fünf Hydrien aus dem Brunnen G im Heraion von Samos geben einen Überblick
zur Formentwicklung vom späten 8. Jh. bis etwa 640/630. Deren Horizontalhenkel
sitzen tief am Körper, die Körperformen sind etwas gedrungen; aber auch bei die-
sen wesentlich älteren samischen Hydrien fällt bereits ein verhältnismäßig kleiner
Boden auf: K. Vierneisel - H. Walter, Die Funde der Kampagnen 1958/59 im
Heraion von Samos, AM 74, 1959, 21.
172 V. v. Graeve, Milet/Kalabaktepe, IstMitt 36, 1986, bes. 47 Taf. 13.
1 ’ Halikarnassos 7, 46: Die Hydrien haben statt des Bandhenkels einen vertikalen
Doppelstabhenkel, anders gestaltete Lippen und meist eine stärker fallende Schulter.
Auch der durch einen Wulst markierte Übergang von der Schulter zum Hals hat in
unserem Material keine Entsprechungen (vgl. Agora 12, Nr. 50, als nicht-attisch be-
schrieben). Farbige Bemalung befindet sich auf der Lippe und auf den Henkeln,
vergleichbar reich dekorierte Hydrien sind im Maussolleion nicht belegt.
174 Agora 12, S. 200 Nr. 1586-1588: Die Lippen der attischen Hydrien klassischer
Zeit sind anders gestaltet, ebenso liegt der Abstand der Horizontalhenkelansätze
wesentlich weiter auseinander. Die sehr bauchigen Hydrien der Küchenware sind
gänzlich anders gestaltet, die Lippen sind hier meist etwas unterschnitten; Agora
12, S. 200 Nr. 1589-1596.

Allerdings zeigt ein auf Grund der Mitfunde an den Beginn bzw. spätestens in das
zweite Viertel des 6. Jh.s gesetztes Exemplar von der Athener Agora, das dort als
kleinasiatisch bezeichnet wird, bereits große Ähnlichkeiten mit unseren Hydrien.
Noch größer sind die Parallelen zu einem Exemplar aus einem Kontext des letzten
Viertels des 5. Jh.s; Agora 12, Nr. 1579. 1585. Mein Dank gilt an dieser Stelle J.
Camp, J. Jordan und S. Dumont, deren Entgegenkommen mir die Autopsie der als
kleinasiatisch eingestuften Fragmente der Athener Agora ermöglichte.
175 Agora 12, Nr. 51 Taf. 3; CVA Deutschland 74 Beil. 5,2; Rotroff- Oakley, Dining
Place, 26 Nr. 294 Abb. 20; V. Sabetai, The Washing Painter: A Contribution to the
Wedding and Genre Iconography in the Second Half of the Fifth Century B.C. (Diss.,
Univ, of California 1993) 175f.; A. Lezzi-Hafter, Der Schuwalow Maler, Kerameus
2, 2 (1976) 7: „... eine typische zweistufige Hydriamündung mit waagrechtem,
meist kantigem Innenrand. “ Zur Entwicklung der Proportionen der Hydrien um
400 siehe St. Drougou, Krieg und Frieden im Athen des späten 5. Jahrhunderts
v.Chr., AM 115, 2000, bes. 156ff. - Zweigeteilte Lippen werden auch bei schwarz-
gefirnissten Oinochoen verwendet; Gill, Black-Glazed, 46. Diese Lippenform wird
bei tlw. jüngeren Miniaturhydrien auch in Kleinasien kopiert: B. Schmaltz, Kau-
nos 1988-1991, AA 1994, bes. 227 Nr. 86 Abb. 30; A. Filges - E. Posselt, Helle-
nistische Keramik, Asia Minor Studien 11 (1994) 139ff.
176 Für L. Hannestad ist die Form wichtiger als die Tonmasse, um das „Griechische“
nachzuweisen. Die charakteristischen Hydriamündungen belegen in der Folge da-
her die starke griechische Anregung in den regionalen Produktionen; L. Hannestad,
Greek Pottery and Greek Identity, in: C. Scheffer (Hrsg.), Ceramics in Context.
Proceedings of the Internordic Colloquium on Ancient Pottery held at Stockholm,
13-15 June 1997, Acta Universitatis Stockholmiensis 12 (2001) 9-15. - Vergleich-
bare Anregungen stellte Radt, Wehrmauern, 212 Nr. (13) 3 Abb. 5, bei einem lokal
produzierten Krug in Pergamon fest. Zur Wertschätzung einzelner Elemente der
attischen Vasen und zu deren direkter bzw. indirekter Übernahme in die lokale Pro-
duktionen siehe F. Fless, Rotfigurige Keramik als Handelsware: Erwerb und Ge-
brauch attischer Vasen im mediterranen und pontischen Raum während des 4. Jhs.
v.Chr., Internationale Archäologie 71 (2002) 99f.
177 Siehe unten Anm. 317.
178 Salta. Pööoq, 147 Taf. 49d.
179 Salta, Pööoq, 148 Anm. 66. G.M.A. Hanfmann ging sogar davon aus, dass aus-
schließlich auf Rhodos die Produktion von Amphoren mit „waveline“ bis in das

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