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Scherrer, Peter; Trinkl, Elisabeth; Österreichisches Archäologisches Institut [Mitarb.]
Die Tetragonos Agora in Ephesos: Grabungsergebnisse von archaischer bis in byzantinische Zeit - ein Überblick; Befunde und Funde klassischer Zeit — Forschungen in Ephesos, Band 13,2: Wien: Verl. d. Österreich. Akad. d. Wiss., 2006

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https://doi.org/10.11588/diglit.47150#0202
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Elisabeth Trinkl

Aus Ephesos kennen wir derzeit weitere Alabastra aus Stein bzw. Alabaster aus Gräbern am Embolos633, am , Staatsmarkt‘ und in der Nekropole in
Selguk634 (Plan 3, Nr. 2, 5 und 7). Mitfunde setzen diese Grabkomplexe in die spätarchaische bzw. klassische Zeit.
Das einzige Alabastron aus Alabaster aus der Westnekropole von Assos ist ebenso wie Kat.-Nr. 259 stark zerbrochen, kann aber auf Grund der weiteren
Funde aus demselben Grab in die zweite Hälfte des 5. Jh.s datiert werden635. Im direkten Vergleich der ephesischen Nekropolen, sofern die nur punktuell
ergrabenen Befunde einen solchen überhaupt erlauben, mit der bei weitem besser bekannten Nekropole aus Assos fällt ein ungewöhnliches prozentuelles
Missverhältnis bei dieser Gefäßgruppe auf. Während bei der großen Anzahl an bisher bekannten Gräbern nur ein einziges Steinalabastron in Assos
aufgedeckt wurde, kennen wir aus Ephesos, trotz der nicht sehr großen Zahl bekannter Gräber, etliche Alabastra aus Gräbern aus unterschiedlichen
Nekropolen636.
Dieselbe Gefäßform wird auch in Glas und Ton gefertigt; auch diese Gefäße werden bevorzugt im Rahmen des Grabkultes bzw. der Ausstattung von
Gräbern benutzt. Im Gegensatz zu anderen Nekropolen traten Glas- bzw. Tonalabastra bisher in den ephesischen Nekropolen nur selten auf637. Das oben
angesprochene, bisher singuläre Alabastron aus Alabaster aus Assos war beispielsweise neben einer größeren Anzahl anderer Funde mit drei schlanken
Alabastra aus Glas vergesellschaftet. Dieses Ensemble zeigt, dass dieselbe Gefäßform in unterschiedlichen Materialien verschieden weit entwickelt
gleichzeitig auftreten kann - wenn man nicht davon ausgeht, dass es sich bei dem Alabastron aus Stein um ein Altstück in diesem Komplex handelt638 -,
wodurch die zeitliche Einordnung dieser langlebigen, sich wenig verändernden Form zusätzlich erschwert wird. Alabastra aus Glas, aber ebenso
Amphoriskoi aus Glas sind mehrfach auch in der Nekropole in Pitane belegt639.
Zahlreich wurden Alabastra aus Alabaster, aber auch diese mittels eines weißen Überzuges imitierende aus Ton in den Nekropolen in Kaunos gefunden,
von denen allerdings nur eines wegen der umfangreichen Beraubungen vollständig erhalten blieb640. Vor allem die durchwegs horizontale Äderung des
verschiedenfarbigen Steines verbindet die ephesischen Alabastra mit den karischen; die meisten weisen dieselben kleinen, stilisierten Aufhängeösen auf641.

Datierung der Funde aus Grab 1/98
Für die Aufschüttung eines Bodens im Heroon III in Milet wurde von M. Pfrommer eine Datierung im späteren 5. Jh. vorgeschlagen. Sie basiert auf der
Anbindung der in dieser Bodenschüttung gefundenen Schwarzfirniskeramik, vor allem einer Rheneia-Schale und eines Phidiaskännchens642, an die
attische Chronologie. Aus derselben Bodenschüttung wurden auch ein etwa zu zwei Drittel erhaltener undekorierter Amphoriskos, dessen Hals allerdings
fehlt, und ein streifenverzierter, beim Brennen verzogener flacher Teller geborgen643. Auch wenn die Proportionen den kleineren, milesischen Amphoriskos
mit etwas markanterem Schulterknick und deutlicher abgesetztem, schmalem Fuß etwas fortschrittlicher erscheinen lassen, stellt doch die Vergesell-
schaftung des Amphoriskos mit einem streifig dekorierten Teller eine gute Parallele zu den Funden aus dem Grab 1/98 dar. Daran anschließend kann für
die Grabbeigaben Kat.-Nr. 256-258 eine Datierung im späteren 5. Jh. vorgeschlagen werden. Die zeitliche Einordnung der erwähnten Teller aus dem
Kultbezirk an der heiligen Straße nach Didyma durch Th. Schattner in den „Zeitrahmen“ des 5. Jh.s gehen damit konform644. Ähnlichkeiten von Kat.-
Nr. 258 sind auch mit einem Amphoriskos aus dem untersten Bereich der Verfüllung des Brunnens S-AB (Kat.-Nr. 163) im Dorf Smyrna, die gegen Ende
des 5. Jh.s zu datieren ist645, vorhanden. Ein fragmentarisch erhaltenener, tongrundiger Amphoriskos aus der wahrscheinlich vor 365 zu datierenden
Verfüllung des Bothros im Maussolleion von Halikarnassos weist bereits eine fortschrittlichere, schlankere Form als Kat.-Nr. 258 auf646.
Alabastra aus dem Reinigungsgraben auf Rheneia lassen die generelle Entwicklung vom späteren 6. Jh. bis in die Zeit um 425 erkennen: Allgemein geht
sie von schweren Formen mit kleinem Teller und kurzem, wenig abgesetztem Hals über zylindrische Körper mit noch relativ breitem Hals zu großen,
schlanken Proportionen, mit teilweise auffallend großem Teller und gelängtem Hals. Gefäße dieser im dortigen Kontext jüngsten Entwicklungsstufe
wurden einerseits im Reinigungsgraben und andererseits in direkt darüber liegenden Bestattungen verwendet647. Der Teller des Alabastrons Kat.-Nr. 259
ist zwar nicht dermaßen groß wie bei den jüngsten Stücken aus Rheneia/Delos, der Körper dürfte allerdings auffällig schlank zu ergänzen sein, wie aus
der gerade aufstrebenden Wand über dem abgerundeten Boden zu schließen ist. Der Vergleich mit den Alabastra aus Rheneia ergibt hingegen für die
beiden bauchigen, gestauchten Alabastra Kat.-Nr. 268 und 269 einen hohen Ansatz im 5. Jh.648

633 Jobst, Embolosforschungen, 17 If. Abb. 16: Die beiden Alabastra stellen die einzi-
gen Grabbeigaben in dem Steinsarkophag (Grab 3) dar. Die von K. Herold durch-
geführte Materialanalyse an einem Alabastron vom Embolos ergab normalen Kalk-
stein (freundliche Mitteilung K. Herold).
634 Langmann, Staatsmarkt; Iqten - Evren, Nekropole. Die beiden Alabastra aus Grab 2
der in Selguk angeschnittenen Nekropole zeichnen sich durch gesondert gearbeite-
te Mündungsstücke aus; größere Stückzahlen an vergleichbaren Alabastra kamen
beispielsweise in der Nekropole am Kerameikos in Athen zu Tage; Kerameikos 14,
Grab 22. 88. 92.
635 D. Bishop, Gläser aus griechischer und römischer Zeit, Ausgrabungen in Assos 1991,
Asia Minor Studien 10 (1993) 211-246, bes. 214 Taf. 28, 4. 6.
636 Siehe Anm. 633f.
637 Ein Alabstron aus Glas wurde im Sarkophag 6 auf dem ,Staatsmarkt4 gefunden. Es
lag, wie das Alabastron Kat.-Nr. 259 in Grab 1/98, neben der rechten Hand des
Verstorbenen; Langmann, Staatsmarkt, 113. Ebenfalls bei der Hand, allerdings der
linken, befand sich eines der beiden Alabastra im Grab 2 in der Nekropole in Selguk;
Icten - Evren, Nekropole, 88 Abb. 9. In Assos ist es erst ab 500 Sitte, Glasgefäße
als Grabbeigaben zu verwenden; Bishop (wie Anm. 635), 211. Zu zahlreichen Ala-
bastra aus Ton in den Nekropolen von Sardes vgl. Sardes 12, 67 und 70f.
638 Bishop (wie Anm. 635), 214 Taf. 28, 4. 6: Grabkomplex, zweite Hälfte 5. Jh. Als
Altstücke tauchen beispielsweise korinthische Aryballoi in einigen klassischen Grä-
bern in Assos auf; Stupperich (wie Anm. 605), 76.
639 B. Freyer-Schauenburg, Die Glasfunde aus Pitane (£andarh), Anadolu (Anatolica)
17, 1973, 141-175. Zu weiteren Alabastra und Amphoriskoi aus Glas vgl. B. Schlick-
Nolte, Ancient Glass Vessels, in: R.St. Bianchi (Hrsg.), Reflections on Ancient
Glass from the Borowski Collection (2002) 49ff. und 54ff.
640 Roos, Kaunos, bes. 39f. Taf. 14 (mit Literatur zu früheren Alabastra-Funden). Ein
singuläres Bruchstück aus Kaunos mit hohem Hals, der einen zusätzlichen Ring
trägt, und etwas tiefer ansetzendem Ausgussteller hat bisher keine einzige Parallele
in Ephesos. Die Einschätzung von Roos, dass dieser Typus überwiegend in Italien

und Ägypten gefunden wird, ist in diesem Zusammenhang nicht uninteressant. Er
vermutet für diesen Typus eine jüngere Entstehungszeit als für die Alabastra des
verbreiteten Typus des 4. Jhs. Somit wäre das Auftreten vergleichbarer Alabastra in
den Gräbern innerhalb der hellenistisch-römischen Stadt auch gar nicht zu erwar-
ten; eine Weiterbelegung der archaisch-klassischen Nekropolen nach der Neu-
gründung durch Lysimachos ist ohnehin auszuschließen. Im Allgemeinen fällt in
Kaunos wie auch in Assos der hohe Prozentsatz an attischer Keramik in den Grä-
bern auf. Zu jüngeren Alabstronfunden in Gordion s. R. Yagci, II Müze Kurtarma
Kazrlan Semineri 1991 (1992) 266.
641 Ein wahrscheinlich um 353/52 zu datierender, geschlossener Opferkomplex, der
mindestens 17 Alabastra bzw. Alabastronbruchstücke verschiedener Gestalt und
Zeitstellung enthielt, befand sich auf der Treppe an der Westseite des Maussolle-
ions von Halikarnassos; F. Hojlund, Finds from Newton’s Excavation, in: The Maus-
solleion at Halikarnassos I (1981) 41ff. L.E. Vaag schließt auf Grund des Fehlens
von Alabastra die Herkunft des Verfüllungsmateriales im Bothros im Maussoleum
in Halikarnassos von einer am selben Ort zu erwartenden Nekropole aus; Halikar-
nassos 7, 85.
642 Pfrommer, Milet, bes. 4 If. Nr. 17.
643 Pfrommer, Milet, bes. 42 Nr. 15. 19.
644 Schattner, Didyma, 190 Typus 73. Präzise Datierungen scheinen Schattner,
Didyma, 215, auf Grund des allgemeinen schlechten Erhaltungszustandes der Ke-
ramik aus dem Kultbezirk an der Prozessionsstraße nicht möglich; deswegen prägt
er den Ausdruck „Zeitrahmen“.
645 Siehe oben S. 95f.
646 Halikarnassos 7, A77 Taf. 6.
647 P. Zaphiropoulou, Vases et autres objets de marbre de Rhenee, BGH Suppl. 1 (1973)
bes. 633f. Abb. 18f.; Hölbl (wie Anm. 649).
648 Die Proportionen der beiden Alabastra aus dem Grab 3 am Embolos werden von
Jobst, Embolosforschungen, 172 Abb. 16, als schlank beschrieben, obgleich seine
Abb. 16 zumindest für das in der Abbildung rechts dargestellte Alabastron eher

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