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Adenstedt, Ingrid; Thür, Hilke [Hrsg.]; Rathmayr, Elisabeth [Hrsg.]; Kanitz, Ernst [Hrsg.]
Hanghaus 2 in Ephesos, die Wohneinheit 6: Baubefund, Ausstattung, Funde (Band 8,9: Textband 2): Textband 2 — Wien: Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, 2014

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https://doi.org/10.11588/diglit.46291#0303
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XX Wandmalereien aus den Grabungen

1 EINLEITUNG
Im Sommer 2004 wurden bei der Grabung im Nordumgang des Peristylhofes 31a der WE 6 im H 2 von Ephesos in zwei Sondagen
(Taf. 384) zahlreiche Wandmalereifragmente geborgen, die von späthellenistischen und frühaugusteischen Wanddekorationen stammen1.
In den Zwickelflächen seitlich eines Kanals der ersten Bauphase der kaiserzeitlichen insula in einer etwa 34 cm starken, lockeren Auf-
schüttungsschicht (SE 475, SE 469) befand sich der größte Anteil an Wandmalereifragmenten in dichter Fundlage (Taf. 384; 386.5-7;
388.15; 389.16a-b)2. Die Malereien waren in Fragmenten bis zu 47 x 31 cm Größe erhalten und generell nicht sehr klein zerstückelt. Die
Malereifragmente lagen in verschiedenen Schräglagen mit der Malschicht nach oben oder unten völlig durchmischt in der Planierung3.
Die zahlreichen Fragmente in den dokumentierten Profilen der Sondage belegen die hohe Anzahl zu erwartender nicht geborgener Stü-
cke außerhalb der Sondagengrenzen, sodass die hier vorgelegten Malereien nur einen geringen Ausschnitt aus der gesamten, unter dem
Peristyl von WE 6 planierten Wandmalereiausstattung repräsentieren4.
Die Malereifragmente aus den Grabungen 1988 stammen aus dem Fundkontext F8/6 und F9/65 bzw. aus einem oder mehreren nicht mehr
sicher zuweisbaren Kontexten der Untersuchungen im Peristyl 198 86 (Taf. 384).
Alle Malereifragmente gehören zu zwei stilistisch und technisch unterscheidbaren Gruppen. Die erste Gruppe (Gruppe I) zeichnet sich
durch profilierte Platten, Quader und Dekorleisten, geritzte Quaderspiegel und verschiedene Flächen mit Marmorimitationen aus; sie
kennzeichnet die späthellenistische Malerei im gesamten Mittelmeerraum und wird in Pompeji als erster Stil bezeichnet. Die zweite
Gruppe (Gruppe II) beschränkt sich mit Verzicht auf profilierten Stuck auf zweidimensionalen, gemalten Dekor mit illusionistisch,
verschütteten Quaderspiegeln, was die Fragmente als Teile von Wanddekorationen zweiten Stils definiert7. Die Fragmente zweiten Stils
machen den Hauptanteil innerhalb der Wandmalereifunde aus den Sondagen 4/04 aus.
Die Malereien unterscheiden sich nicht nur stilistisch, sondern auch materialtechnisch von den kaiserzeitlichen Malereien in H 2. Der
Putzaufbau der Malereien zweiten Stils besitzt eine bis zu 1 cm starke, weiße Feinputzschicht, die charakteristisch für diese Stilstufe ist
und sich vom Putzaufbau der kaiserzeitlichen Malereien deutlich abhebt8. Die Fragmente ersten Stils besitzen hingegen meistens eine
weitaus dünnere Feinputzschicht aus Stuck, die höchstens eine Stärke von bis zu 0,7 cm erreicht9.

1 Das Material übergaben mir freundlicherweise H. Thür und N. Zimmermann zur
Bearbeitung. S. Ladstätter danke ich für den reibungslosen Ablauf bei der Fund-
aufnahme im Sommer 2008 und der vorausgehenden Restaurierung. F. Öztürk
danke ich für die Hilfe beim Sortieren, Beschriften sowie der Suche nach Anpas-
sungen.
2 Detaillierte Auswertung der Fundkontexte und Analyse der Fundverteilung s. u.
Tober, Kap. XX.4; vgl. Ladstätter u. a., Grabungen 2004, 266-272 bes. 266 f.
Abb. 23. 24; 268 Abb. 27; 271 Abb. 29; vgl. Waldner, Kap. XIII.2.
3 Vgl. Ladstätter u. a., Grabungen, 2004, 268 Abb, 27.
4 Aus diesem Grund ist auf statistische Auswertungen zu verzichten, da unbekannt
ist, wie viel Malereifläche noch vorhanden, aber nicht ausgegraben ist. Mengen-
angaben sind nur in Verbindung mit stratigraphischen Auswertungen sinnvoll und
können einen Überblick über Anteile von Fragmenten ersten oder zweiten Stils
innerhalb einer Schicht geben.
5 Vgl. Tober, Kap. XX.4.
6 Auf dem Fundzettel stand nur „HH2/WE 6/1988“.
7 Stuck bei Gruppe II nur als profilierte Stuckleisten in der Frieszone. Zum techni-
schen Unterschied als Definition von erstem und zweiten Stil: vgl. Mau, Wand-
malerei, 7-8; Winkes, Illusionismus, 928-929; Bragantini, pittura, 128; Ander-
sen, Origini, 71. Durch gesicherte Anpassungen von Fragmenten in der Ephesos-
Kampagne 2008 ergaben sich nach den vorläufigen Ergebnissen neue Aspekte
für eine Rekonstruktion der Wandsysteme: vgl. Tober, Hanghaus 2, 420-423.
Wichtige Partien von System B (Tober, Hanghaus 2, 422 Abb. 3) passten an Sys-
tem A und C an, sodass System B als Teilrekonstruktion irrelevant wurde und die

Wandsysteme A und C konkrete Erweiterungen erfuhren. Die neuen Rekonstruk-
tionen wurden als Malsystem 11-1 und 11-2 bezeichnet; s. auch Tober, Überblick.
8 Vgl. Thür, WE 4, 28-30 mit Anm. 74. Die Wände mit Malsystemen zweiten
Stils wurden zunächst mit grauem Grobputz bedeckt worauf eine charakteristi-
sche, sehr starke weiße Feinputzschicht folgte. Im Zuge des FWF-Projektes (FWF
P17974-G02) „Leben mit Bildern in Ephesos und Ostia“ wurden zum Vergleich
kunst- und materialhistorischer Aspekte der Wandmalerei Proben der Malereif-
ragmente aus der Sondage in WE 6 analysiert. Die Putz- und Pigmentproben wer-
den an der Universität für Angewandte Kunst in Wien und der Montanuniversität
Leoben von J. Weber und W. Prochaska untersucht. Für die Kooperation und
Unterstützung sei der Soprintendenza di Ostia antica und dem Grabungsteam der
Scuola del Traiano gedankt. Erste Vorberichte: Prochaska - Weber - Zimmer-
mann, Malerei 2. Stils; J. Weber, Ein Blick in das Innere der Wandmalerei, in:
Ladstätter - Zimmermann, Wandmalerei, 19 mit Abb. 10-11; S. Falzone - B.
Tober - J. Weber - N. Zimmermann, La parte invisibile della pittura. Qualitä,
cronologia e provenienza nell'analisi petrografica: l’esempio di Efeso e Ostia, in:
I. Bragantini (Hrsg.), Atti del X Congresso Intemazionale dell’AIPMA, Napoli
17-21 settembre 2007 (2010) 925-930; Tober, Hanghaus 2, bes. 420 Anm. 22.
Diese Ergebnisse aus WE 6 ermöglichten eine Identifikation stilistisch unsigni-
fikanter Wandmalereifragmente als Reste von Dekorationen zweiten Stils: vgl.
Tober, Hanghaus 1, 240-242; Tober, Überblick.
9 s. u. Tober, Kap. XX.5 und Kap. XX.2. Die Analyse einer Probe einer Ornament-
leiste mit ionischem Kyma (Kat.Nr. WML3; WM Probe 1/2007/521.04-2) steht
noch aus.

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