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Adenstedt, Ingrid; Thür, Hilke [Hrsg.]; Rathmayr, Elisabeth [Hrsg.]; Kanitz, Ernst [Hrsg.]
Hanghaus 2 in Ephesos, die Wohneinheit 6: Baubefund, Ausstattung, Funde (Band 8,9: Textband 2): Textband 2 — Wien: Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, 2014

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https://doi.org/10.11588/diglit.46291#0417
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XXIII Das späthellenistische Hofhaus auf der Fläche der WE 6,
die kaiserzeitliche WE 6, die Besitzerfamilie

1 HELLENISTISCHE STRUKTUREN UND FUNDE: ERGEBNISSE UND INTERPRETATIONEN1
Die Fläche auf der in der frühen Kaiserzeit, die WE 6 errichtet wurde, war bereits zuvor bebaut (Taf. 325). Ebenso wie im gesamten H 2
und auch auf dem Areal des östlich benachbarten H 1 wurden in der WE 6 Strukturen hellenistischer Zeit - Mauern, Brunnen, Kanäle
etc. - beobachtet2. Während diese meist nicht auf ein Gebäude einer bestimmten Funktion zu beziehen sind, stand auf der nördlichen,
an die Kuretenstrasse anschließenden Fläche des H 1 in späthellenistischer Zeit ein mehrgeschossiges Peristylhaus3. Es war von der
STG 1 zu betreten (Textabb. 1, Kap. I), einer Gasse, die zwischen dem H 1 und dem H 2 von der Kuretenstrasse zur Hanghausstrasse
verläuft. In der WE 6 können der hellenistischen Zeit noch in situ vorhandene Mauern, Tiefbrunnen, Kanäle und Mosaikböden zugewie-
sen werden (Taf. 325). Von diesen wurden die Brunnen und einige der Mauern bei der Errichtung der WE 6 weiter verwendet. Weitere
hellenistische Strukturen, die zu dieser Zeit aufgegeben worden waren, wurden bei archäologischen Nachuntersuchungen, die man
unter den jüngsten Böden der WE 6 durchführte, entdeckt4 (Taf. 384).
Die Errichtung der hellenistischen Bebauung auf der Fläche der kaiserzeitlichen WE 6 wird Funden (Keramik, Glas, Münzen5) zufolge
ins spätere 2. und 1. Jh. v. Chr. datiert. Nur die zwischen dem Raum 32 im OG und dem Raum 25 der WE 5 in O-W-Richtung verlau-
fende Terrassenmauer wurde bereits im 372. Jh. v. Chr. errichtet und ist damit älter6. Ins mittlere 2. Jh. v. Chr. können die Fundamente
der N- und W-Mauer des OG-Raums 32b datiert werden7. Im Untergeschoß der späteren WE 6 haben die Gewölberäume T.III.G und
T.II.G bereits in späthellenistischer Zeit bestanden (Taf. 21; 384). TILG diente als Substruktion für einen darüberliegenden Raum, der mit
einem Mosaikboden ausgestattet war, von dem Teile noch in situ liegen8. Außerdem wurden bei Grabungen im W- und N-Umgang von
31a zwei in N-S-Richtung orientierte Mauern angeschnitten9 und im Innenhof von 31a ein Mosaikboden in situ angetroffen10. Letzterer
diente wahrscheinlich als Bodenbelag eines hellenistischen Hofes11. Ferner sind wasserwirtschaftliche Einrichtungen aus späthellenisti-
scher Zeit vorhanden12: Ein Kanal aus dem 2./1. Jh. v. Chr. wurde bei der Grabung im N-Umgang von 31a angetroffen13. Die Tiefbrunnen
in 31a liegen im nördlichen Bereich des Innenhofs und unter der S-Mauer. Sie bestanden schon in hellenistischer Zeit und wurden im
kaiserzeitlichen Haus weiter genutzt.
Als Ausstattung der beschriebenen Vorgängerbebauung blieben Reste von Mosaikböden hellenistischer Zeitstellung in situ erhalten14.
Das im nordwestlichen Teil des Raums 31c heute frei liegende Mosaik15 (Taf. 310) kann aufgrund von fehlenden Bezügen zu den umlau-
fenden kaiserzeitlichen Mauern relativchronologisch der Zeit vor der Errichtung der WE 6 zugewiesen werden16; es ist als Bodenbelag
des Vorgängerraums von 31c anzusprechen17. Sein Bodenniveau liegt um ca. 0.30 m tiefer als das des Mosaikbodens im benachbarten
Raum 31b mit einer absoluten Höhe von 18.90 m. Der Mosaikboden erstreckte sich ursprünglich nach Westen über die Raumgrenzen des
kaiserzeitlichen Raumes 31c hinaus. In den von weißen Steinchen dominierten Boden sind einzelne rote, graue und schwarze Tesserae
eingestreut.

1 Im Text zu den hellenistischen Strukturen werden für eine leichtere Lokalisierung
der Bereiche die kaiserzeitlichen Raumnummem verwendet.
2 Zur Bebauung der hellenistischen Zeit ausführlich Thür, Kap. IV. 1.
3 Ebenso wie im H 2, ging auch hier der Errichtung des Hauses eine Terrassierung
des von Süd nach Nord abfallenden Geländes voraus. Die S-Mauer des Peris-
tylhauses ist eine O-W-Terrassenmauer. Die Räume waren um einen dorischen
Peristylhof angeordnet. Der Zugang von der Stiegengasse 1 erfolgte über einen
schmalen Korridor, der direkt in den N-Umgang des Peristyls führte. Die Wasser-
versorgung war durch einen Tiefbrunnen gewährleistet und das Wasser des Hofes
wurde über einen Kanal unter dem N-Umgang in einen größeren Kanal unter der
STG 1 abgeleitet; s. Lang-Auinger, Hanghaus 1, 86-91. 181-186 Plan 4 Abb. 72.
4 Thür Kap. IV. 1; und Thür - Waldner - Sokolicek - Koller, Kap. XIII (archäo-
logische Nachuntersuchungen).
5 Waldner, Kap. XV; Schindel, Kap. XVI; Schätzschock, Kap. XVII. 1.
6 Aufgrund eines keramischen Fundkomplexes wird sie ans Ende des 3. bzw. die 1.
Hälfte des 2. Jh. v. Chr. datiert; s. Ladstätter, Grabungen 2004, 263-266.
7 Ladstätter, Grabungen 1999, 372 f.

8 Scheibelreiter-Gail, Kap. X.2.
9 Zur Mauer im W-Umgang, die im kaiserzeitlichen Haus als Fundament der W-
Mauer des Peristyls 31a diente, s. Outschar, Grabungs- und Fundbericht, S. 11,
13.7.1988 (Grabungsbericht); zur Datierung dieser Mauer in die zweite Hälfte
des 1. Jhs. v. Chr. siehe Waldner, Kap. XV, Fundkomplex H/5; zur Mauer im N-
Umgang siehe Waldner, Kap. XIII.2.
10 Scheibelreiter-Gail, Kap. X.5.
11 s. u. S. 835
12 Zu diesen Einrichtungen im Detail siehe Thür, Kap. VII.
13 Waldner, Kap. XIII.2 und XV.
14 Scheibelreiter-Gail, Kap. X.
15 Das Mosaik wurde unter dem jüngsten Boden des Raums, einem Steinplattenpa-
viment, gefunden; siehe Scheibelreiter-Gail, Kap. X.2.
16 Eine genauere Datierung ist nicht möglich, da das Mosaik nie gehoben wurde,
weshalb auch mögliche datierende Funde fehlen.
17 Nach Thür, Kap. IV. 1 dürfte dieser dieselbe Ausdehnung besessen haben wie die
darunter liegende taberna T.II.G aus späthellenistischer Zeit.

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