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Adenstedt, Ingrid; Thür, Hilke [Hrsg.]; Rathmayr, Elisabeth [Hrsg.]; Kanitz, Ernst [Hrsg.]
Hanghaus 2 in Ephesos, die Wohneinheit 6: Baubefund, Ausstattung, Funde (Band 8,9: Textband 2): Textband 2 — Wien: Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, 2014

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https://doi.org/10.11588/diglit.46291#0437
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XXIII Das späthellenistische Hofhaus auf der Fläche der WE 6, die kaiserzeitliche WE 6, die Besitzerfamilie

Kultgenossin des Dionysos ein. Die besondere Form des Kultes ist in der Inszenierung des Ein- oder besser Aufgangs zum Apsiden-
saal 8 mit den beiden flankierenden Aphrodite-Statuen und der Brunnenskulptur eines Eros auf dem Delphin präsent, vielleicht trug der
Apsidensaal 8 in der Apsiskuppel ein dem Gewölberaum GEW D in der WE 2 vergleichbares Glasmosaik. Einen vorzüglich erhaltenen
Höhepunkt findet das Thema in der Decke des angrenzenden Stuckzimmers 8a und insbesondere in dem Stuckrelief der Rückwand, das
Dionysos und Aphrodite als Paar begleitet von Eroten darstellt.
Einige Baustrukturen und Installationen können eventuell auch im Kontext von in der WE 6 veranstalteten Mysterienfeiern und Initi-
ationsriten gesehen werden. So kann z. B. der Wandschrank und die Aedikula im Raum 31b, dessen Zugang offenbar kontrolliert und
reguliert werden konnte, zur sicheren Aufbewahrung von Kultfiguren und -gegenständen, wie z. B. der Cista Mystica und dem darin
verborgenen Phallus, von Liknon und Thyrsosstab gedient haben. Das Bad im O-Umgang mit den Räumen Ml bis M3, aber auch das
Bodenwasserbecken im Apsidensaal 8 können für rituelle Bäder und Reinigungszeremonien genutzt worden sein. Und die kleine Kam-
mer 8c, die durch ihre überdimensionierte Heizanlage und ihren eigenartigen sehr kleinen Zugang auffällt, kann eine Funktion bei den
Ritualen der Mysterien gehabt haben181.
Mit der WE 6 dürfte somit der für Ephesos einmalige und damit sensationelle Befund eines Vereinslokals für einen Dionysosverein vor-
liegen, der mit einer historischen Person und dessen nachweislichem Wohnhaus verknüpft ist, für das außerdem eine exakte Datierung
existiert. Ob in diesem Haus nicht nur die gemeinsamen Festmähler und Bankette der Vereinsmitglieder sondern auch Mysterienfeiern
und Initiationsriten veranstaltet wurden, kann nicht bewiesen werden, einige Besonderheiten des Hauses sprechen aber m. E. dafür. Eine
Nutzung der WE 6 als Vereinshaus und Versammlungsstätte eines Dionysos-Vereins schließt aber nicht aus, dass Aptus die WE 6 auch
für Festbankette und als Empfangssäle im Kontext seiner sozio-politischen Interessen nutzte. Eine multifunktionale Verwendung von
Räumen und Bauwerken entsprach antiken Geflogenheiten und Formen.
Hilke Thür

181 Vielleicht wurde durch das Hineinkriechen und den warmen Aufenthalt in ihr die
rituelle Erfahrung der Geburt oder Wiedergeburt symbolisiert.

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