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Vorwort.

Als Schüler Anton Springers und Hubert Janitscheks habe ich es
mir nicht träumen lassen, dass ich einmal ein Buch über Lucas Cranach
schreiben würde. Während meiner Studienzeit war er von allen deutschen
Künstlern derjenige, mit dem ich mich am wenigsten befreunden konnte.
Sein Altarwerk von 1518 in der Katharinenkirche in Zwickau fand allein
etwas mehr Gnade vor meinen Augen, als die Bilder, die ich sonst
noch von ihm kannte, namentlich die der Dresdener Galerie, aber daran
war, offen gestanden, weniger das Altarwerk selbst, als meine Vaterstadt
Zwickau schuld.

Trotzdem war Lucas Cranach der erste Künstler, mit dem ich mich
zu beschäftigen begann, nachdem ich der Universität den Rücken ge-
wandt und mich in Dresden niedergelassen hatte. Möglich war das
nicht ohne eine Wandelung in meinen bisherigen Anschauungen über
die wichtigsten Aufgaben und Ziele der Kunstwissenschaft. Im Spät-
sommer 1892, während eines fast vierwöchigen Aufenthaltes in Wien,
ging die Häutung vor sich. Theodor von Frimmel nahm sich meiner
an und führte mich vor den Bildern der kaiserlichen Galerie in die
Kunstkennerschaft ein, die mir bis dahin ein Buch mit sieben Siegeln
gewesen war. Erst jetzt lernte ich von ihm, dass man über den künst-
lerischen Wert eines Bildes nicht eher urteilen dürfe, als bis man es
auf seine Echtheit, auf seinen materiellen Zustand geprüft habe. Ich
lernte von ihm, wie oft die geringfügigste Einzelheit wissenschaftlich von
der grössten Wichtigkeit sein könne. Die Augen, die er mir so geöffnet
hatte, behielt ich von da an offen, und die kurze Lehrzeit bei ihm
wurde entscheidend für meine ganze weitere wissenschaftliche Thätigkeit.

An den Bildern der Dresdener Galerie habe ich mich dann selb-
ständig weiter zum Kenner ausgebildet. Dass ich den Anfang gerade
mit Cranach machte, ist eigentlich nur Sache des Zufalls gewesen. Die
Dresdener Galerie besitzt zwei Bilder von Cranach aus dem Jahre 1537,
die beide bezeichnet sind, aber merkwürdigerweise mit zwei ganz ver-
 
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