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Wer kennt ihn nicht, den berühmten Lucas Cranach, den Freund
Luthers und seiner Mitstreiter um die evangelische Sache, den treuen
Diener seiner Fürsten? Wer hat von ihm nicht wenigstens ein Bild
gesehen, ein Marienbild oder ein Bildnis Luthers oder Friedrichs des
Weisen oder eine seiner nackten weiblichen Gestalten, eine Venus oder
Lucretia oder wie sie sonst heissen mögen? Wo wäre denn auch die
öffentliche Sammlung, die nicht stolz wäre auf ihre ein oder zwei Dutzend
Cranachs, wenn es ihr versagt ist, einen Dürer, Holbein oder Baidung
zu besitzen? Und wer auch keinen von diesen drei Grossen so recht
kennt, den vierten Grossen kennt er natürlich. Alle, alle kennen sie
ihn, den berühmten Lucas Cranach.

Sie glauben es wenigstens. Aber giebt es wohl auch nur einen,
der ihn wirklich kennt?

Man beurteilt doch einen Künstler gewöhnlich nach dem, was er
in seinen besten Jahren geschaffen hat. Als Lucas Cranach sein
50. Lebensjahr vollendet hatte, konnte er gewiss auf eine reiche künst-
lerische Thätigkeit zurückblicken. Wie viele Bilder mochte er wohl bis
dahin gemalt haben, er, dessen Schnelligkeit und Fleiss die Zeitgenossen
schon frühzeitig rühmten? Es mögen doch einige Hundert gewesen sein,
die Zahl ist kaum zu hoch gegriffen. Und wie viele davon sind be-
kannt? Wenn wir die bis 1522 entstandenen Bilder, die in unseren Samm-
lungen unumstritten als Werke Lucas Cranachs gelten, an den Fingern
unserer beiden Hände abzählen, so sind wir schon beim zweiten Male
Durchzählen fertig: etwa 20 Bilder, das ist für uns die Summe alles
dessen, was der Meister in seiner besten Zeit geschaffen hat. Nun
giebt es freilich noch eine grosse Zahl von Holzschnitten, aber die
werden ja meist nur so als Ballast mitgeführt. Als ob sich die künst-

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