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unter deutschen Schutz gestellt war, wurde der Versuch alsbald wieder
ausgenommen, führte jedoch erst 1896 zum Ziele. Der Vikariatssitz
war bis 1895 das im äußersten Westen der Mission gelegene Dorf
Puoli. Irr diesen: Jahre siedelte der Bischof jedoch nach der großen,
mitten in der Mission am Kaiserkanal liegenden Handelsstadt
Tsiningtschou über.
Ein äußerst anschauliches Bild von der Thätigkeit der Missionare in
Süd-Schantung giebt ein Brief des Missionars Stenz, der einige Monate
vor dem Gemetzel geschrieben ist, in welchem die Missionare Nies und
Henle ermordet wurden, Stenz jedoch abermals durch einen Zufall den:
Tode entging. Er schreibt:
„Vor einigen Tagen bin ich nur mit knapper Noth dem Tode ent-
gangen. Ich hatte im Süden des nur anvertrauten Distriktes zwei neue
Gemeinden eröffnet. Früher war das Christentum ganz unbekannt dort
und einige vornehme Heiden wollten uns nicht da haben. Ich ritt von
der Stadt aus mit zwei Pferden dorthin, um einige nothwendige
Sacher: zu regeln. Morgens um 7 Uhr hatte ich schon den sieben- bis
achtstündigen Weg zurückgelegt. Nachdem ich Alles geordnet, war es
schon spät geworden, ich war ermüdet und wäre gern geblieben. Christen
und Heiden des Dorfes baten mich auf den Knieen zu bleiben, doch eine
unbestimmte Ahnung ließ mir keine Ruhe, um 4 Uhr Nachmittags trat
ich den weiten Rückweg dennoch an. Die Heiden des Nachbardorfes
hatten nicht geglaubt, daß ich an diesen: Tage noch zurückreiten würde.
Gegen Mitternacht stürzten sie, 20 bis 30 Mann stark, in's Dors auf
das Gebetslokal los. Bald hatten sie Thor und Thüren erbrochen, und
sofort schossen sie ihre Gewehre aus das Bett ab. Andere warfen ihre
Lanzen dorthin, andere schlugen mit Knitteln darauf los. „Sie wollten
den Europäer, den Lehrer der Religion, erschlagen, ihm die Haut ab-
ziehen u. s. w. u. s. w." Erst beim Anzünden der Fackel erkannten sie,
daß sie mich nicht getroffen, sondern daß nur ein armer Christ, der das
Haus bewachte, mit Blut bedeckt, stöhnend aus dem Bett lag. Sie
suchten nun weiter nach mir, wurden aber von den Christen, die sich
unterdessen gesammelt, vertrieben. Das sind so kleine Abwechselungen
die uns von Zeit zu Zeit ermahnen, daß wir in Feindesland sind. Wir
wurden schon sehr häufig ausgeraubt. Voriges Jahr wurde mein Dekan,
Herr Henle, vollständig geplündert und entsetzlich geschlagen; vor Kurzem
wurde ein Christenvorsteher meinetwegen vollständig ausgeraubt, eine
Katechistin wurde beraubt, mehreren Katechisten wurde all' ihre Habe
genommen, ein anderer Katechist wurde Nachts weggeschleppt und Löse-
 
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