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Münsterbau-Verein <Freiburg, Breisgau> [Hrsg.]
Freiburger Münsterblätter: Halbjahrsschrift für die Geschichte und Kunst des Freiburger Münsters — 2.1906

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Panzer, Friedrich: Der romanische Bildfries am südlichen Choreingang des Freiburger Münsters
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https://doi.org/10.11588/diglit.2397#0032
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Panzer, Der romanische Bilderfries am südlichen Choreingang

Ursitz ein direkter Zusammenhang besteht und zwar
in der Weise, dass unser in allen seinen Formen
gewiss jüngeres Portal nach dem von S. Ursanne
gearbeitet ist. Dies Ergebnis kann nach den all-
gemeinen Verhältnissen der Zeit nicht überraschen
und hat gewiss nichts Unwahrscheinliches in sich.
S. Ursanne liegt im Berner Jura im Flusstale des
Doubs, es gehörte zur Diözese Basel. Zu der
räumlichen Nähe kommen die bekanntlich überaus
engen Beziehungen, in denen die Gründer Freiburgs
und seines Münsters gerade zur westlichen Schweiz
gestanden haben. Als der stolze Titel eines rector
Burgundiae, den die Zähringer Herzoge führten,
1156 seinen eigentlichen Glanz eingebüßt hatte, waren
sie doch die Herren in ganz Transjuranien geblieben,
wo die ihnen damals zugewiesene Reichsvogtei über
die Bistümer Genf, Sitten und Lausanne ihre Stel-
lung noch erhöhte. Gerade Berthold V. hatte in
diesen Gegenden die lebhafteste Tätigkeit in Krieg
und Frieden entwickelt, hier ja 1191 Bern gegründet;
was Wunders, wenn die Architekten eines unter
seinen Auspizien ausgeführten, zu seiner Grabes-
kirche bestimmten Baues sich Anregung und Vor-
bild für ihr Werk gleichfalls aus diesen Gegenden
holten. Die nächste Aufgabe wäre nun natürlich, zu
untersuchen, ob der älteste Teil des Freiburger
Münsters etwa auch sonst Beziehungen zu S. Ur-
sanne aufweist. Mir fehlen dazu ebensosehr alle
Unterlagen wie der Beruf und ich muss den Archi-
tekturkundigen überlassen, die hier gegebenen An-
regungen weiter zu verfolgen.

Zum Schlüsse sei nur noch ein Wort verstattet
über die Bedeutung des behandelten Portalschmuckes
als Ganzes. Es ist wohl gerade auch in Rücksicht
auf unsere Skulpturen behauptet worden, dass wir
in diesen Darstellungen des auffahrenden Griechen-
königs, in diesen Wolfsgeschichten, Kentauren, Grei-
fen und Sirenen nichts anderes vor uns hätten als
heitere weltliche Szenen, Ausflüsse fröhlicher Künst-
lerlaune, die für den notwendigen Schmuck ihrer
Architektur die Gegenstände ebenso unbesorgt wählte,
wie der naive Sinn des Publikums und die Toleranz
der Geistlichkeit das für uns Anstößige auch an
heiliger Stätte zu dulden bereit war. Einer solchen
Erklärung sollte schon das Dasein der Davidszene
mitten unter diesen angeblich rein dekorativen Skulp-
turen Bedenken machen. Ich muss dem gegen-
über jedenfalls an der christlich-symbolischen Mei-
nung sämtlicher Darstellungen unseres Portales fest-
halten.

Es ist ja ganz sicher, dass in der Deutung ro-
manischer Symbolik mit Vorsicht zu verfahren ist
und zwei Schranken besonders sind, wie mir scheint
da manchmal übersprungen worden. Einmal duldet
gewiss nicht jede Ranke und jeder Löwenschwanz
romanischer Skulpturen eine allegorische Auslegung;
unzweifelhaft läuft da vieles bloß Dekorative mit
unter. Auf der andern Seite aber darf man nicht,
wie das zu oft geschieht, in einer größeren Reihe
beisammenstehender Darstellungen immer gleich einen
großen einheitlichen Gedanken, ein zusammenhängen-
des logisches System finden wollen.

Die Entscheidung wird hier immer nur von Fall
zu Fall sich treffen lassen, aber sie kann gewiss nie
zuversichtlich getroffen werden ohne gleichzeitige
Berücksichtigung der mittelalterlichen Literatur. Wir
haben nun in unserem Falle eine Szene, an deren
rein theologischem Charakter von vornherein kein
Zweifel bestehen kann: Davids Löwenkampf; dass
aber alle andern mit ihr vereinigten Darstellungen,
einschließlich der Greifenfahrt, von der Zeit, in der
sie entstanden, wirklich symbolisch, wirklich spiri-
tualiter, allegorice, mystice, wie man das nannte, ge-
nommen wurden, ist, denke ich, durch die bei-
gebrachten Belege aus der Literatur hinlänglich
deutlich geworden. Der allgemeinere Gedanke aber,
der unsern keineswegs mit systematischer Logik an-
geordneten, sondern einfach lose aneinander gereihten
Skulpturen zu Grunde liegt, ist derselbe, der an un-
gezählten andern Portalen dieser Zeit in ähnlichen
Formen immer und immer wieder sich ausspricht:
draußen rast die Welt mit ihren Leidenschaften, ihrer
Hoffart und Heuchelei, ihrem Zwiespalt, ihren Lok-
kungen und Gefahren: komm herein, der du dich
bedroht fühlst und du wirst Schutz finden und sichere
Hilfe, denn hier waltet der wahre David, der dich er-
lösen wird aus dem Rachen des Löwen, hier wohnt,
der da gesprochen hatjoh. 16 33: In der Welt habt ihr
Angst, aber seid getrost, ich habe die Welt überwunden.

Wir haben uns lange vor einem unbedeutenden
Denkmal aufgehalten. Der Fries bildet nur ein sehr
bescheidenes Teilchen, kaum einen leisen Akkord
in der gewaltigen Sinfonie, die den Empfänglichen
in unserem Münster von allen Seiten umrauscht,
ihm die selige Gewissheit gibt, dass hier die Gott-
heit leibhaft wohne. Aber ohne Interesse sind diese
unbeholfenen Gestalten doch nicht. Auch diesen
Steinen entspringt noch ein lebendiger Quell, wenn
nur der Mosesstab geschichtlicher Betrachtung an sie
rührt.


 
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