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Arehaisirende Kunst.

und eben daher kommt es, dass der alte Stil auch in der
späteren Kunst wenigstens für religiöse Zwecke in fortwähren-
dem Gebrauch blieb. Wir besitzen eine Anzahl von Statuen
und Reliefs, deren Bestimmung für den Cult als Tempelbild
oder Tempelgeräth theils sicher, theils mit Wahrscheinlichkeit
anzunehmen ist und die zwar nicht genaue Copien alter-
thümlicher Werke sind, aber sich doch wenigstens insoweit
dem alten Stil anschliessen, dass sie den Schein eines echt
alterthümlichen Werks erwecken. Wie gut den späteren
Künstlern diese Nachahmung . einer früheren Kunstweise
manchmal gelang, geht daraus hervor, dass noch heutigen
Tages bei einzelnen Werken die Meinungen über den echt
oder scheinbar alterthümlichen Ursprung derselben getheilt
sind. Für die grosse Mehrzahl der alterthümlichen Werke
ist freilich diese Unterscheidung nicht schwer, der nachah-
mende Künstler, dem der frühere Stil nicht mehr natürlich
ist, offenbart sich durch Einmischung späterer Typen, freierer
Formen und Linien und besonders auch durch Karikirung.

Es versteht sich von selbst, dass ausser dieser Verwen-
dung des alten Stils für Zwecke des Cultus auch andere
Gründe, namentlich die einer bestimmten Zeit eigene Ge-
schmacksrichtung, zur Imitation desselben Veranlassung geben
konnten, sowie man in Hadrian's Zeit sogar in dem noch
steiferen ägyptischen Stil componirte. Für die grosse Mehr-
zahl der erhaltenen Werke, deren Zeit übrigens nur in den
seltensten Fällen genauer bestimmt werden kann, ist aber
der erstere Gesichtspunkt fest zu halten. So wenig künstle-
rische Befriedigung diese Werke aber, als von Nachahmern
herrührend, gewähren mögen, so sind sie doch wegen der
Lückenhaftigkeit der echt alterthümlichen Denkmäler eine
sehr willkommene Ergänzung für unsere Kenntniss der alter-
thümlichen Göttertypen und selbst in künstlerischer Hinsicht,
nämlich für das bessere Verständniss des echt alterthümlichen
Stils sehr anregend.

56. Artemis*, von Marmor, am 19. Juli 1760 in
Pompeji gefunden und zwar innerhalb eines kleinen Tempels^
die Statue war ein Cultusbild. Ergänzt sind die Finger an
beiden Händen und das kleine Gewandstück, das sie mit der
Rechten hält. In der Linken scheint sie ein Attribut, Bogen
oder Fackel, gehalten zu haben; darf man einer Nachbildung

* Im Niobidensaal n. 15.
 
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