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IV. Die erste Hälfte der griechischen Kunstblüthe.

Die griechische Plastik steht von der Mitte des fünften
bis gegen den Schluss des vierten Jahrhunderts auf einer
solchen Höhe, dass wir diesen ganzen Zeitraum als die Periode
der Blüthe bezeichnen müssen. Doch treten innerhalb des-
selben erhebliche Verschiedenheiten hervor, die am fühlbarsten
sind an den Götterstatuen. Die Zeit des Phidias glaubt an
die Götter und glaubt sie so, wie die edelsten Zeugen dieser
Zeit, Pindar und Aeschylus, sie verkünden, ernster, reiner,
heiliger als in Homer's Dichtungen, die Künstler des vierten
Jahrhunderts aber sind Söhne einer ungläubigen Zeit und
konnten die Götter zwar wohl wie liebliche Phantasiebilder
mit allem Reiz der Anmuth darstellen, aber den ethisch
ernsten und strengen Charakter der früheren Götterbilder,
der aus dem Bewusstsein von der Realität der Götter hervor-
geht und zur Andacht und Verehrung stimmt, erreichten sie
nicht mehr. Die Entwicklung der religiösen Kunst ist in
der Kürze diese, dass zuerst in den ältesten Cultusbildern
nur das religiös Bedeutsame ohne irgendwelche Rücksicht
auf künstlerische Schönheit, ja sogar nicht selten mit ge-
flissentlicher, empfindlicher Verletzung derselben ausgedrückt
wurde, dass aber allmählich und immer mehr das Element
der formellen Schönheit sich geltend machte und zuletzt allen
religiösen Gehalt überwucherte und aufzehrte. Diese Ent-
wickelung war nun im fünften Jahrhundert so weit gediehen,
 
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