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VI. Die Nachblüthe der griechischen Kunst.

Dieser Abschnitt umfasst die drei Jahrhunderte zwischen
Alexander und den römischen Kaisern, eine arme und stille
Zeit, wenn man die dürftigen Nachrichten über die künstleri-
sche Thätigkeit derselben als maassgebend betrachten wollte,
eine in künstlerischen Richtungen und Bestrebungen reiche
und mannigfaltige Zeit aber, wenn man die erhaltenen Werke
mustert, welche dieser Periode zugeschrieben werden müssen.

Zwar auf dem idealen und namentlich religiösen Gebiet
ist die Kunst dieser Zeit am wenigsten glücklich, denn es
fehlte ihr der Glaube an die Realität des Idealen und der
sittliche Ernst in der Behandlung des Heiligen. Sie hatte
bereits von der früheren Periode gewisse sinnenreizende Dar-
stellungen als Erbschaft überkommen und ging nun so weit,
sittlich Anstössiges, ja "Widerwärtiges nicht bloss im Menschen-
leben sondern sogar unter den Göttern darzustellen. Aber
auch die sittlich tadellosen Götterbilder dienen doch nicht
mehr dem religiösen Interesse, die Entwicklung der religiösen
Kunst ist jetzt dahin gekommen, dass das Element der for-
mellen Schönheit ausschliesslich dominirt und keine Rücksicht
mehr auf den religiösen Gehalt genommen wird. Je tiefer
der religiöse Werth des Götterbildes sank, um so mehr ver-
feinerte sich die äussere Form, wie auch im Leben so oft
innere Werthlosigkeit mit äusserer Eleganz sich verbindet.
Die Künstler, die nicht mehr in heiliger Begeisterung für den
Gegenstand arbeiteten und sich nicht mehr hingaben an die
Sache, mussten nun gleichsam als Ersatz für das verlorene
 
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