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Gesellschaft für Vor- und Frühgeschichte in Württemberg und Hohenzollern [Hrsg.]; Württembergischer Altertumsverein [Hrsg.]; Württembergischer Anthropologischer Verein [Hrsg.]; Württembergischer Geschichts- und Altertumsverein [Hrsg.]
Fundberichte aus Schwaben — 19.1911(1912)

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Paret, O.: Stammheim OA. Calw. Eine villa rustica
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https://doi.org/10.11588/diglit.43335#0088
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west. Auch die Maße von etwa 31 m auf 25 m (bezw. 28 111 mit den An-
bauten) kehren oft wieder. Der wenigstens teilweise ungewöhnlich
gute Erhaltungszustand ist vor allem dem Umstand zu danken, daß in
nächster Nähe gutes Baumaterial (Buntsandstein) in Menge zur Verfügung
stand.
Der offene Hof war auf der Nordseite vermutlich durch eine
bedeckte Halle abgeschlossen. Ihr Dach wurde von einer Reihe von
Holzpfosten getragen, an deren Stelle zu beiden Seiten des Hofes je
ein Steinpfeiler trat. Der Osttrakt enthält 4 Räume (s. auch Schnitt
A—B auf dem Plan). Im nördlichsten war der alte Estrichboden
noch sehr gut erhalten, nur an einer Stelle in der SW-Ecke einge •
sunken. Nachdem der Estrich durchgeschlagen war , zeigte sich ein-
gefüllter, mit Knochen, Kohle und Scherben vermengter Boden und
dieser führte, wie auch die Mauern des Raums, bis in 3 m Tiefe. Der
Raum hat also einmal als Keller gedient. Der Estrichboden 3 m über
der Sohle des Kellers stammt aus einer späteren Zeit, als sich die Raum-
bedürfnisse der Bewohner geändert hatten und ein weiteres Zimmer
gewünscht wurde. Da der tiefe Keller unbenutzt dastand, füllte man
ihn zu, brachte auf die festgestampfte Erde eine Vorlage aus Bruch-
steinen und goß darüber den Estrich als Fußboden des neu geschaffenen
Zimmers, und dessen Wände wurden rot bemalt, wie einige Verputz-
stücke beweisen. Wir können also hier zwei Bauperioden unterscheiden.
Dazu fand sich in der Mitte der Westwand unseres Raumes eine steinerne
Tiirschwelle etwas oberhalb des Estrichs eingemauert und auf ihr saß
eine etwas schwächere Mauer. Die Schwelle stammt aus der ersten Bau-
periode, und zwar von einer 1,07 m breiten Türe, die zunächst auf einen
Holzboden führte, der rings auf einem gut erhaltenen Mauerabsatz auf-
lag. Von hier aus stieg man dann vermittelst einer Leiter in den Keller
hinab. Beim späteren Umbau wurde der Keller eingefüllt und in das
so entstandene Zimmer gelangte man vom südlich angrenzenden Raum
aus. Die Türe gegen den Hof war also überflüssig geworden und wurde
zugemauert. Am Fehlen der Türgewände aber und am Mauerverband
sehen wir, daß die ganze Westwand bis zur Schwelle abgetragen war
und neu aufgeführt wurde. Dange nachher, als das ganze Gebäude
längst zerstört und dem Wetter preisgegeben war, setzte sich die ein-
gefüllte Erde unter dem Estrich infolge des langsam eindringenden
Wassers und letzterer sank nach.
Östlich außerhalb des beschriebenen Raumes (hier wurde die
Beinnadel Abb. 40, 10 gefunden) beginnt eine Sickerdohle, 10 bis
12 cm breit und 15 cm hoch, und mit Platten abgedeckt; sie führt ent-
lang der Ostseite des Gebäudes nach Süd, wo sie in die vorspringende
Mauer des Kellers eindringt. Weiter konnte sie nicht verfolgt werden,
da sie hier stark zerstört war. An das Nordostzimmer schloß sich süd-
lich ein zweiter schmaler Raum mit Estrichboden an; daran wieder
eine Stufe tiefer ein dritter, ebenfalls mit Estrich. In seiner NW-Ecke
lag das stark vermoderte Skelett eines ca. 50jährigen Menschen in nord-
west-südöstlicher Richtung. Aus welcher Zeit der Fund stammt, läßt
sich nicht mit Sicherheit angeben, da an Grabbeigaben nur ein nichts-
sagender eiserner Ring sich fand. Auf keinen Fall aber steht er mit dem
römischen Haus in Beziehung. Die annähernd ostwestliche Richtung
des Skelettes läßt am ehesten auf alamannische Herkunft schließen,
wenn es sich nicht um eine später hier niedergelegte Bestattung handelt.
Die Mörtelfugen der Wände waren rot ausgemalt. Diese drei Räume
können nach den Angaben des römischen Architekten und Schrift-
stellers Vitruv als Schlafzimmer gedeutet werden.
Die SO-Ecke nimmt ein Keller ein, der ausnahmsweise schön
erhalten war. Sein Fußboden liegt ca. 1,60 m tiefer als das Niveau
des zuletzt genannten Gelasses. Man betrat ihn vom Hof her durch
einen besonderen Zugang. Zwischen der Westwand des Osttraktes und
einer in den Hof vorspringenden Mauer fand sich eine Rampe, die,
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