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Die Gartenkunst — 30.1917

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Heicke, C.: Zur dritten Kriegs-Jahreswende!
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https://doi.org/10.11588/diglit.21302#0002

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licher Kargheit stehen wird. Das könnte
die Behauptung rechtfertigen, daß für künst-
lerische Aufgaben im allgemeinen und für
die Gartenkunst im besonderen ausge-
sprochene Hungerjahre kommen würden.
Das ist in gewissem Sinne wohl zutreffend,
und es werden daran auch die großen Ge-
winne aus Kriegslieferungen, auf die gegen-
über dieser Beurteilung der Zukunft ver-
wiesen werden könnte, wenig ändern. Aber
trotzdem braucht aus dieser Feststellung
unserm Dafürhalten nach keineswegs der
Schluß gezogen zu werden, daß der frei-
schaffende wie der beamtete Gartenarchitekt
nach dem Kriege keine irgendwie bedeu-
tungsvollen Betätigungsmöglichkeiten fin-
den werde. Gerade die Lehren des Krieges
weisen mit unzweifelhafter Bestimmtheit
daraufhin, daß Gartenbau und Gartenkultur
einer Zeit höherer allgemeiner Bewertung
in ihrer Wichtigkeit für das Volksganze ent-
gegengehen, daß mithin die Vorbedingungen
eines Aufschwungs im guten Sinne gegeben
sein werden und daß es nur auf uns an-
kommen wird, sie richtig auszunutzen.

Wir hatten in einem Vortrag auf der
Hauptversammlung unserer Gesellschaft im
Jahre 1915 in Hannover auf die Gefahr
hingewiesen, die der Gartenkunst drohe,
wenn ein für uns glänzender Abschluß des
Krieges eine Wiederholung der sich über-
stürzenden wirtschaftlichen Entwicklung in
den Jahren nach dem deutsch-französischen
Krieg von 187071 begünstigen werde. Wir
hatten damals gesagt, daß der gute Ge-
schmack auf unserem Schaffensgebiete und
das Verständnis für unsere Bestrebungen
noch nicht so sehr Allgemeingut geworden
und in die Tiefe gedrungen seien, um gegen
eine Überwucherung der in den Jahren vor
dem Krieg hervorgetretenen Entwickelungs-
ansätze durch die üblenBegleiterscheinungen
einer Zeit der Hochkonjunktur gesichert zu
sein. Diese Gefahr scheint jetzt allerdings
ausgeschlossen! Nicht ein stürmischer Auf-
schwung im Sinne der Geschäftemacher,
sondern ein ruhiger und stetiger Auf-
schwung in gutem Sinne scheint sich vor-
zubereiten.

Der Krieg hat gezeigt, daß wir Gärten
brauchen, mehr als wir vor dem Krieg ge-
habt haben. Aber nicht Gärten von jener
Üppigkeit, deren einzige Voraussetzung in
der Freiheit von jeder Rücksicht auf die Ko-
stenfrage besteht. Wir haben Gärten nötig
und werden sie haben und schaffen, denen
strengste Sachlichkeit und weitgehende Er-
füllung der Zweckfragen den Ausdruck
geben. Wir brauchen Kleingärten, Haus-
und Wohngärten, Gartensiedelungen und

Kriegerheimstätten; wir brauchen Anlagen
zur Heranbildung eines gesunden, wehr-
fähigen Nachwuchses, dem man bald nicht
mehr ansehen soll, daß er den „Hunger-
krieg" mit durchgefochten hat, man nenne
sie Jugendparks oder wie man sonst will;
wir brauchen die Gartenkunst bei der
Schaffung von Gedenkstätten der großen
Zeit und ihrer Opfer. Wir brauchen auch
in Zukunft unsere öffentlichen Anlagen der
verschiedensten Zweckbestimmung.

Aber alles dies werden wir in Rück-
sicht auf sparsamste Wirtschaftsführung
mit erheblich geringerem Kostenaufwand
erstellen und unterhalten, als wir uns vor
dem Kriege in den fetten Jahren erlauben
konnten. Es wird übrigens nichts aus-
machen, wenn z. B. manches mit Gras ein-
gesäte Blumenbeet in Zukunft Rasen bleibt;
denn die Überladung unserer Anlagen hatte
einen Grad erreicht, der bereits zu Ein-
schränkungen herausforderte. Wer sich des-
halb sorgt und glaubt, unsere Gärten
müßten nun nüchtern und reizlos werden,
der ist zu bedauern! Die dicke goldene
Uhrkette ist noch nie das Kennzeichen des
guten Geschmackes gewesen. Wer anderer
Auffassung ist, kann vielleicht künftig in
die Lage kommen, seine Betriebsamkeit
einschränken zu müssen; der allgemeine
Fortschritt wird keinen Schaden davon
haben.

Gesunder Fortschritt hat sich immer
herausgebildet in Zeiten wirtschaftlicher
Knappheit, wo mit wenigen Mitteln und
unter dem dadurch erzwungenen Verzicht
auf jeden Aufwand geschaffen werden
mußte. Liegt nicht ein sehr deutlicher
Fingerzeig darin, daß wir schon vor dem
Krieg erkennen mußten, wie unsere Groß-
und Urgroßeltern trotz der Einfachheit ihrer
Lebenshaltung eine höhere Kultur besaßen
als wir mit all unserem Reichtum? Es ist
ja auch ganz natürlich, daß bei beschränk-
ten Mitteln künstlerisch wertvollere Lei-
stungen gezeitigt werden als zu Zeiten des
Überflusses; man ist eben gezwungen, auf
das Wie mehr Gewicht zu legen als auf das
Was! Vorausgesetzt natürlich, daß über-
haupt Sinn für schlichte Schönheit und Ver-
ständnis für Gediegenheit vorhanden ist.
Wo diese fehlen, ist allerdings alles ver-
loren. Aber so gering wollen wir doch vom
deutschen Volke nicht denken, das sich zu-
traut, der Welt in Zukunft das Gesicht zu
geben.

Wenn wir so aus den Gegenwartsver-
hältnissen auf die Richtlinien der künftigen
Entwickelung zu schließen versuchen und
vergleichend rückwärts schauen auf die Zeit

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