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Die Gartenkunst — 30.1917

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Heicke, C.: Die Kriegstätigkeit der Gartenverwaltungen in ihrer Bedeutung für die Entwicklung der Gartenkultur
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https://doi.org/10.11588/diglit.21302#0069

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die beide Forderungen, die der Schönheit und
Wirtschaftlichkeit vereinigen.

Wie beim Bau und der Einrichtung des Sied-
lungshauses, so wird man auch beim Garten
und der gartenkünstlerischen Ausgestaltung der
Siedlungen die Erfahrung machen, daß gerade in
der Einfachheit eine Grundbedingung der guten
Wirkung gegeben ist. In den Aufsätzen und Bil-
dern, die den Inhalt unseres letzten Heftes gebil-
det haben, ist mancher Fingerzeig in dieser Rich-
tung enthalten. Durch Einfachheit der Ausstat-
tung und Beschränkung auf Schaffung guter
Verhältnisse und Gliederung, die viel Takt und
feines Verständnis erfordern, läßt sich das Ziel
erreichen, vorausgesetzt, daß man vollständig
mit den Zwecken vertraut ist, die in den Gärten
erfüllt werden sollen. Und hier kommen wir wie-
der auf unseren Ausgangspunkt zurück, auf den
Nutzen, den die Erfahrungen in Zukunft bringen
werden, die viele unserer namhaftesten Garten-
gestalter auf dem Gebiete des Nutzgartenbaues,
der Gemüseanzucht jetzt machen konnten. Diese
Erfahrungen werden sie überall da zugrunde
legen, wo ihnen Gelegenheit geboten ist, sich an
den Aufgaben zu beteiligen, die nach dem Krieg
in großer Anzahl hervortreten werden.

Freilich haben wir da zunächst eine gewisse
Schwierigkeit zu überwinden. Wo wir unsere
Mitarbeit anbieten, begegnen wir dem Vorurteil,
als wollten wir „Verschönerungsanlagen" schaf-
fen. Diese vorgefaßte Meinung muß unablässig
bekämpft werden, wir müssen davon überzeugen,
daß wir das gerade Gegenteil wollen, daß unan-
gebrachte „Verschönerungen" keinen schärferen
Gegner finden, als den sich seiner Aufgabe be-
wußten Gartenfachmann. Ist diese Erkenntnis
einmal zur Geltung gebracht, dann werden wir
erfahrungsgemäß gern als Mitarbeiter ange-
nommen.

Nicht um Erzielung unmittelbarer geschäft-
licher Vorteile, sondern um Förderung gemein-
nütziger Ziele handelt es sich für uns, nämlich
um Hebung des Gartenbaues, um Förderung der
Anteilnahme am Gartenleben. Hierzu brauchen
die breiten Schichten des Volkes Anleitung. Nicht
nur die Großstadtbevölkerung, auch die der Mit-
tel- und Kleinstädte hat verlernt, im Garten zu
leben, den Garten zu schätzen, aus dem Garten
Nutzen für Körper und Geist zu ziehen. Die Er-
fahrungen im Gartenbau, in der Gartenpflege
und Gartennutzung sind verloren gegangen. Sie
wieder zu beleben und zu verbreiten, können
nicht fachkundige Berater und Helfer genug ge-
wonnen werden. Unter den Fachleuten Verständ-
nis und Bereitschaft dafür zu erwecken, ist wie-
derum eine Aufgabe unserer Gesellschaft. In

Geschmacksfragen ist die große Mehrheit unseres
Volkes noch sehr rückständig. Das Gefühl und
der Sinn für Schönheit und gute Formen ist
selbst in Kreisen, von denen man erwarten
sollte, daß sie mit den Zwecken und Zielen der
neuzeitlichen Kulturbewegung vertraut seien,
noch sehr oberflächlich.

Es widerstrebt einem fast, Belege hierfür
zu bringen; trotzdem wird es nützlich sein. In
der Deutschen landwirtschaftlichen Presse vom
30. August v. J. schließt ein Aufsatz über eine
Neuerung in der Schweinehaltung mit folgenden
Sätzen:

„.....Muß denn immer nach der alten Schablone

gebaut werden, muß denn jedermann schon von
weitem sehen, daß dies ein Viehstall, jenes ein
Pferdestall usw. ist. Es ist doch wahrhaftig nicht
schwer, auch äußerlich einem Stall das Prosaische,
wenn idi mich so ausdrücken darf, zu nehmen durch
eine gefällige andersartige Fassade, durch Anbrin-
gung eines Turmes, durch Anbau sogenannter kleiner
Dependencen, welche nicht sofort den Charakter
des Gebäudes erraten lassen. All diese Um- und
Anbauten brauchen ja nicht massiv zu sein. Man
hat heute so hübschwirkende Gips- und Zement-
fassaden, die mindestens so haltbar sind, wie manche
Massivbauten usw."

Dem Verfasser, einem Rittergutsbesitzer aus
dem Osten, braucht man diese Ausführungen
nicht schwer anzurechnen, unbegreiflich ist aber,
daß eine führende landwirtschaftliche Zeitschrift
sie abdruckt.

Und ein ergänzendes Gegenstück hierzu aus
dem Kladderadatsch. Dieser legte dem Ober-
präsidenten von Batocki folgende gegen die Mit-
arbeit der Künstler beim Wiederaufbau Ost-
preußens sich richtende Worte in den Mund:

„Was hilfts, daß ihr beim Bau des Stalles

Mit allerschönsten Stilen spielt.

Das beste ist doch jeden Falles,

Daß drin der Ochse wohl sich fühlt.

Ob's gotisch, ob's romanisch sei

Und wenn's arabisch-maurisch ist,

Dem Bullen ist es einerlei,

Wo er sein gutes Futter frißt usw."

Man soll auf derartige Ergüsse nicht allzu
viel Gewicht legen, aber sie lassen erkennen,
wie wenig selbst Kreise, denen man Fühlung
mit dem Geist der Zeit zutrauen sollte, unbe-
rührt von den nun schon durch Jahrzehnte fort-
gesetzten Bestrebungen zur Hebung unserer
Ausdrucks-Kultur geblieben sind. Es ist drin-
gend notwendig, immer und immer wieder mit
größtem Nachdruck zu wiederholen, daß es bei
allen Bestrebungen auch auf unserem Arbeits-
gebiet auf die Verbindung von Zweckerfüllung
und guter Form unter Anwendung einfachster
Mittel jetzt und künftig ankommt.

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