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Die Gartenkunst — 30.1917

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Kittel, Josef Balduin: Der Königl. Hofgarten Veitshöchheim: ein Juwel der Barock-Gartenkunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.21302#0128

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neuzeitlichen Kunst hat die Aufmerksamkeit
weiterer Kreise wieder auf den gut erhaltenen
Veitshöchheimer Garten hingelenkt. Maler, Bau-
künstler, Bildhauer und Gartengestalter ver-
tiefen sich seitdem in seine Reize. Aber auch
in den breiten Volksschichten scheint man sich,
wie der stetig wachsende Besuch beweist, der
Schönheiten dieses Gartens immer mehr bewußt
zu werden. Freilich, wer zu ihrem Genuß wirk-
lich durdidringen will, darf den Park nicht in flüch-
tiger Eile durchmessen; um dieses eigenartige
Gartenkunstwerk zu begreifen, dazu gehört schon
eine Spanne aufmerksamer Betrachtung, ein Ver-
senken in seine Einzelheiten in stillen Stunden.
Dann erschließen sich aber auch seine Reize und
Stimmungen zu einer Fülle reinen Genusses und
nachhaltiger Befriedigung. Besonders die Stun-
den am frühen Vormittag und gegen Abend, wenn
die Sonne tief steht, sind dazu die geeignetsten.

* e

«■

Aus der Geschichte Veitshöchheims sei kurz
das Folgende gesagt: Das Hochstift Würzburg
erwarb 1619 in Veitshöchheim zwei Adelshöfe,
die zuletzt im Besitz der Echter von Mespelbrunn
gestanden. Auf diesem Besitz ließ der lebens-
frohe Fürstbischof Peter Philipp von Dernbach
1680 bis 1682 ein Jagdschlößchen errichten, dem
ein Tiergarten angegliedert wurde. Dieser Tier-
garten, der unter dem folgenden Fürstbischof
noch vergrößert wurde, bildet den Grundstock
des heutigen Hofgartens. Der bau- und pracht-
liebende Fürstbischof Johann Philipp II. von
GreifFenklau, 1699bisl719, der auch den Fürsten-
garten auf der Feste Marienberg anlegte, hat
wahrscheinlich den Tiergarten in Veitshöchheim
als Lustgarten für den Sommeraufenthalt ein-
gerichtet. Dafür spricht das Westtor der Schloß-
auffahrt mit seinem Wappen und der Jahres-
zahl 1702.

Aber erst Adam Friedrich von Seinsheim,
ein höchst geistvoller und kunstsinniger Herr
unter den Würzburger Fürstbischöfen, 1755 bis
1778, wandte Veitshöchheim seine besondere Für-
sorge zu. Von 1763 an kam eine großzügige Neu-
anlage zur Ausführung, die gegen 1775 in der
Hauptsache vollendet war. AdamFriedrichvon
Seinsheimmuß also als dereigentliche
Schöpferdes Hofgartens inderaufuns
überkommenenForm angesehenwerden.

Die Nachfolger Adam Friedrichs waren teils
von andern Neigungen erfüllt, teils durch die
Zeitverhältnisse an künstlerischer Betätigung
gehindert; immerhin wurde unter ihnen noch
manches an dem Figurenschmuck des Gartens
ergänzt. Dann kamen auch einige Anklänge des
romantischen Zeitgeistes in den bis dahin streng
architektonisch gehaltenen Garten.

Nach der Säkularisation drohte dem Hof-
garten zeitweilig völlige Vernichtung durch Auf-

teilung des Geländes in Pachtgrundstücke. Doch
rettete ihn das Interesse des Großherzogs Fried-
rich von Toskana, 1806 bis 1814, vor diesem
Los. Aber es kamen in dieser Zeit auch immer
mehr stilwidrige Zutaten hinein, so die Pflanzung
von Pappeln an der Süd- und Westmauer und
die Verschleierung der Seeformen durch Trauer-
weiden, Hängeeschen und Platanen, Umände-
rung der Ausstattung der Schloßterrasse und die
Verschüttung der kleinern Seen im nordöstlichen
Gartenteil.

König Ludwig I., der schon als Kronprinz
in Würzburg wohnte und oft Veitshöchheim be-
suchte, machte der Pachtwirtschaft ein Ende und
sorgte in jeder Beziehung für die Erhaltung des
Gartens, und König Max II. rettete ihn abermals,
indem er die geplante Führung der Bahnlinie
Würzburg-AschafFenburg durch das Parkgelände
verwarf. Von größter Bedeutung war endlich
die unter der Regierung des Prinzregenten Luit-
pold durchgeführte Erneuerung und Wiederher-
stellung des Schmuckes des Gartens an Bildwer-
ken, wozu das warme Interesse des Kgl. Ober-
hofmarschalls von Seinsheim, eines Abkömmlings
der Familie des Fürstbischofs Adam Friedrich,
in hohem Grade beitrug.

# *

Für die Anlage des Schloßgartens waren zwei
Vorbedingungen maßgebend, eine geschichtliche
und eine natürliche. Zunächst war das Schloß
früher vorhanden als der Park. Dieser konnte
nicht mehr, wie es bei den Barockanlagen sonst
Regel ist, vor die Hauptfront des Schlosses gelegt
werden, zumal der Platz zwischen Schloß und
Dorf mit Kirche sehr beschränkt war; der Garten
mußte vielmehr seitlich neben dem Schlosse an-
geordnet werden, beide konnten infolgedessen
auch nicht in so innige und einheitliche Verbin-
dung zueinander gebracht werden, wie wir es
bei anderen Barockanlagen wahrnehmen.

Das Gelände hatte zum andern keinerlei
eigene Reize, entbehrte im Gegensatz zu dem be-
nachbarten Oberzell des Vorzuges landschaftlich
schöner Lage oder eigenartiger Vorbedingungen
für die Ausgestaltung, wie sie z. B. im Hofgarten
in Würzburg in den Wallanlagen gegeben waren.
In Veitshöchheim stand vielmehr ein nahezu
ebenes, jeder Eigenart bares Grundstück zur Ver-
fügung, nach Norden und Westen begrenzt durch
die ländlichen Anwesen des Dorfes, nach Osten
durch langsam ansteigende landwirtschaftliche
Grundstücke; nur nach Süden bot sich ein be-
scheidener Reiz in dem anmutigen Ausblick ins
obere Maintal mit Zell*).

*) Diese einzige Gelegenheit zum Genuß der
landschaftlichen Umgebung wurde auch geschickt
durch das Aussichtsgitter in der Südmauer und ein
Aussichtstürmchen über dem Sdineckenhäuschen an
der Südostecke ausgenutzt.

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