Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Gartenkunst — 30.1917

DOI Artikel:
Heicke, C.: Die XXIX. Hauptversammlung der Deutschen Gesellschaft für Gartenkunst E. V. Würzburg, 28. bis 30. Juli 1917
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.21302#0163

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
beseitigen befugt, als auch, anregend und be-
fruchtend zu wirken befähigt war.

Durch die Allerhöchste Kabinettsordre, welche
das Einsetzen künstlerischer Beiräte befahl,
wurde diesem Mangel im Februar 1917 abge-
holfen. Das Generalgouvernement Warschau er-
hielt den Bildhauer Hosaeus, Professor an der
Technischen Hochschule und Mitglied der Aka-
demie der Künste in Berlin, hauptamtlich als
Kunstbeirat zugewiesen und befahl im März d. J.
nebenamtlich den Regierungsbaumeister Richter
in Demblin als Architekten und die Gartenarchi-
tekten Hirsch-Warschau, Großmann-Grodzisk
und Bromme - Podzamcze (Lukow) als weitere
Mitarbeiter zum künstlerischen Beirat.

Damit begann eine neue, rege Tätigkeit: Be-
sichtigungsreisen zur Feststellung der Verhält-
nisse und des Standes der Arbeiten in den Gou-
vernements, Aussprachen mit allen am Werke
Befindlichen, Erlaß fördernder und auch die
Stellung der einzelnen Fachleute stärkender Ver-
fügungen durch das Generalgouvernement, Ge-
stattung zum Tragen von Zivilkleidung für die
nicht im Offiziersrang stehenden leitenden Fach-
leute, unmittelbare Unterstellung aller Krieger-
gräberabteilungen und Kommandos unter die
Militärgouvernements ohne Abhängigkeit von
den Ortskommandanturen, Unterstellung der
Werkstätten unter die Gartenarchitekten, plan-
mäßige Verteilung der fachlichen Kräfte auf alle
Arbeitsfelder und Heranziehung von weiteren
Sachverständigen aus den einsdilägigen Berufs-
kreisen.

Geplante und in Ausführung befindliche
Friedhofsanlagen, Denkmäler, Grabzeidienfor-
men, Umwehrungen und architektonische Bei-
werke müssen vorgelegt werden, sodaß durch
Besprechung der Entwurfsideen und Bepflan-
zungsfragen sich Klärung mancher Lösung und,
wenn nötig, eine kameradschaftliche Einwirkung
auf die Entwerfer oder aber auch die Beein-
flussung maßgebender Dienststellenherbeiführen
läßt. In vielen Fällen war freilich die Arbeit
schon zu weit vorgeschritten, um einem neuen
Vorschlag angepaßt zu werden, auch fielen nicht
immer die Anregungen auf fruchtbaren Boden.

Dieser vorbereitenden Tätigkeit folgte die
Herausgabe eigner Entwürfe für Grabzeichen in
Kreuz- und Stelenform, gußeiserne Grabplatten,
Vorschläge für die Beschriftung, Aufstellung
von Entwürfen für Umwehrungen, Tore und
Hochkreuze, Kapellen und andere Gedächtnis-
mäler.

Fielen so dem Bildhauer wie dem Architekten
von vornherein mannigfache Einzelaufgaben zu,
denen die Künstler leicht ihre Note aufzudrücken
vermochten, so blieb das Augenmerk des Bei-
rates hauptsächlich darauf gerichtet, den ge-
samten ArbeitsstofF zu beleben, zu vereinfachen
und die Fertigstellung in möglichst kurzer Zeit

zu bewältigen. Hierzu diente die Beschaffung
alter Eichenhölzer für fabrikmäßig e Verarbeitung
zu Grabzeichen, ihre Vergebung an Gefängnis-
werkstätten in Warschau und ihr Vertrieb in
den Gouvernements, denen es an Material oder
Werkstätten mangelte, Erweiterung der Gou-
vernementswerkstätte in Warschau und allge-
meine Durchführung eines Stempelbrennverfah-
rens für die Inschriften bei Bedarf großer Mengen
an hölzernen Grabzeichen, Unterweisung der
Handwerker, Versuche der Anfertigung von
Grabplatten aus Beton, Ton und Gußeisen usf.
Als weitere Anregungen zur Vereinfachung der
Arbeit und Vereinheitlichung des Friedhofsbildes
sind die Entwürfe für Sammelgrabzeichen, die
für ganze Gräberreihen und Gräbergruppen be-
stimmt sind, Vorschläge zur Zusammenfassung
von Gräberfeldern u. dergl. zu nennen.

Darüber hinaus entstand die Frage, ob in
den Fällen, wo die planmäßige Lösung nicht unter
Anlehnung an bisher übliche Gestaltungsarten
möglich ist, also wo der Entwerfer an ganz neue
Aufgaben herantreten kann, die bisher geübte
Arbeitsweise nicht durch eine originalgestaltende
und dabei vereinfachende ersetzt werden kann.
Die zahlreichen Anregungen zu neuen Lösungen
in der neuerstandenen Kriegergräberliteratur
scheitern meistens an der Material- und
Kostenfrage, oder es fehlen die zutreffenden
Vorbedingungen. Sie werden mithin nur als
im einzelnen wertvolle Sonderlösungen, nicht
aber für die Masse der zu bewältigenden
Arbeiten zu verwerten sein.

Den Künstler beschäftigt daher — unbeein-
flußt von fachlichen Traditionen — das Suchen
nach einer neuen Ausdrucksform für die Ruhe-
statt des Kriegers in fremdem Lande, welche
Würde, Schlichtheit und leichte Ausführbarkeit
mit starkem Eindruck und Anpassung an den
Charakter des Landes vereinigt. Professor Ho-
saeus glaubt eine solche Form für die Schlacht-
felder Polens in der Errichtung großer Erdmale
zu finden, die als Hügelanlagen mit verschieden-
artigen Querschnitten Massen- und Einzelgräber
in sich aufnehmen, alsBekrönung weithinragende
Zeichen tragen oder von Baumgruppen umsäumt
und bekrönt werden o. a.*)

Inwieweit die Ausführung dieser „Male"
unter dem Gesichtspunkte der Vereinfachung
und Verbilligung möglich ist und sich mit dem
im deutschen Volke gepflegten Totenkult ver-
einigen läßt, wird die weitere Ausreifung dieses
großzügigen Gedankens und die praktische Er-
fahrung lehren; jedenfalls ist die Anwendbar-
keit in allen Fällen denkbar, wo namenlose
Krieger in großen Mengen zu bestatten sind und

*) Man vergleiche „Leitsätze für die Anlage
von Begräbnisstätten im Kriegsgebiet", aufgestellt
von der D. G. f. G., Gartenkunst 1916, Februarheft,
Seite 22, 2. Spalte, Abs. 4 u. 5.

161
 
Annotationen