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Die Porträts widersetzen sich einer zeitlichen Ansetzung — soweit
keine entsprechenden ausgeführten Gemälde erhalten sind — am
stärksten. Doch glaube ich 3 besonders schöne Bildnisstudien in die
Zeit um 1515 ansetzen zu können: den Mann mit dem Hut im Bri-
tischen Museum zu London, den bartlosen Männerkopf in Berlin
und den Kopf eines jungen Mannes mit Mütze im Louvre (Kat. 41
bis 43). Alle 3 unterscheiden sich von den späteren Kopfstudien
Cranachs besonders darin, daß die Konturlinien des Gesichts gegen-
über den mit breitem Pinsel übertrieben stark hervorgehobenen
Umrissen der Spätzeit vergleichsweise noch unaufdringlich und dünn
sind. Die Struktur der 3 Köpfe ist erstaunlich fest und großzügig
behandelt. Der Detailnaturalismus hat noch nicht so wie bei den
späteren Zeichnungen die Oberhand gewonnen. Die Modellierung
ist ohne Uebertreibung klar entwickelt. Eine besondere Großzügig-
keit der Behandlung spricht aus diesen teils monumental gestalteten
Köpfen, die ein Maximum Cranachschen Könnens darstellen. Die spä-
teren Porträtstudien gehen auf eine schärfere realistische Ausdeu-
tung und Hervorhebung von charakteristischen Einzelheiten aus,
sie wirken aber in ihrer Vielfältigkeit kleinlicher als die nur auf die
Größe der Form gesehenen Porträts der mittleren Zeit. Wer die
3 Dargestellten sind, wissen wir nicht. Gewisse Aehnlichkeiten mit
anderen Porträtgemälden Cranachs sind nicht ausreichend, um eine
Identifizierung mit Sicherheit vornehmen zu können.

Das Ende des reifen Cranachstils

Eine Reihe von Zeichnungen Cranachs, die um 1525 entstanden
sind, rücken besonders durch eine charakteristische Naturwieder-
gabe und einen breiten, freien Zeichenstil, der durch eine kräftige
Lavierung unterstützt wird, zu einer Gruppe zusammen. Mit die-
sen Zeichnungen erreicht der Meister einen gewissen Höhepunkt
stilistischer Freiheit und Beweglichkeit. Die besondere Vorliebe für
die Wiedergabe der Natur, die seit den Wiener Jahren ein Leitmotiv
Cranachscher Kunst bildete und sich auf den Gemälden bestimmter
Zeitpunkte mit Macht immer wieder in den Vordergrund drängt,
findet auf den Blättern in Dresden, Wien und Berlin ihren beredten
Ausdruck. Die Zeichnung „Abschied Christi von seiner Mutter"
(Kat. 44) im Kupferstichkabinett des Dresdener Museums dürfte die
erste dieser Reihe sein. Man muß schon auf die Zeichnungen der
Wiener Jahre (besonders der des Hlg. Martin in München) zurück-
greifen, um etwas der Landschaftsdarstellung unseres Dresdener
Blattes Vergleichbares zu finden, denn die Zeichnung der Hlg. Mar-

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