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Mit dem Jahr 1509 haben wir die Grenze von Cranachs früher
Wittenberger Tätigkeit erreicht, die sich auf das prächtigste in den
großen Holzschnitten dieses Jahres entfaltet. Von diesem Zeitpunkt
ab tritt die Arbeit am Holzschnitt hinter dem Gemäldewerk mehr
und mehr zurück, eine Tatsache, die auch für die Entwicklung des
Cranachschen Linienstils nicht ohne Folgen geblieben ist. Ein deut-
licher Einschnitt ist allerdings bei den wenigen erhaltenen Zeich-
nungen nicht mit Sicherheit feststellbar, doch glaube ich bei dem
Vergleich zwischen der Braunschweiger Zeichnung, dem Stuttgarter
Liebespaar und den beiden Lucretia-Blättern in Berlin einen ge-
wissen stilistischen Unterschied zu spüren, obwohl alle 4 Blätter
in einem — allerdings entscheidenden — Jahre entstanden sind.
Schließen sich die erstgenannten Blätter mehr den Holzschnitten an,
so finden wir in den Berliner Zeichnungen Tendenzen, die in
späteren Gemälden mit entscheidender Deutlichkeit sichtbar werden.
Der Wandel des Frauenideals in diesem Jahr ist nicht nur ein
äußerlicher Zug Cranachscher Kunst, die sich keineswegs gleich-
mäßig fortentwickelt. Der Werkstattbetrieb und die Arbeitsüber-
lastung brachten es mit sich, daß ein überraschend schönes Werk
neben einer gleichzeitig entstandenen Gelegenheitsarbeit steht, die
ihm gegenüber trocken und uninteressant erscheint.

Das zweite Jahrzehnt in Wittenberg:

Die Arbeiten für Kaiser Maximilian, die frühen Portrait-
zeichnungen und Altarentwürfe

Aus der ersten Hälfte des neuen Jahrzehnts liegen wenige
Proben von Cranachzeichnungen vor. Dafür ist aber das Dessauer
Silberstiftblättchen um so reizvoller und interessanter, das auf der
einen Seite Judith, auf der anderen einen Hlg. Georg zu Pferde
(Kat. 22 u. 23) zeigt. Wir kennen nur 3 Proben von Silberstiftzeich-
nungen Cranachs, die beweisen, daß sich der Künstler auch
in dieser Technik mit Sicherheit zu bewegen versteht. Die Judith-
darstellung in Dessau geht den bekannten Gemäldekompositionen
der Jahre um 1530 (Friedländer-Rosenberg, Nr. 190) zeitlich weit
voraus. Für den konservativen Sinn der Cranachschen Kunst ist
es charakteristisch, daß die späteren Gemälde alle im Grunde auf
die einmal geschaffene Komposition, der wir in Dessau zum ersten
Male begegnen, zurückgehen. Judith erscheint hinter einer Brüstung
in 3/4-Ansicht nach rechts, in der Linken hält sie das aufgerichtete

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