Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext


ILIGATIÖIEI.

DIE KINDERBEICHTE.
Oelgemalde von Hermann Kaulbach, gestochen von Wilhelm Schmidt.


S ist eine alte Erfahrung, dass, wenn Söhne das Talent des Vaters erben, sie doch seiten
seine specielle Richtung theilen, sondern gewöhnlich ihre Selbstständigkeit zu behaupten
trachten. Bei der grossen Masse von Malersprösslingen, die wir hier in München zählen, machen
wir constant diese Erfahrung. Dies gilt denn auch von Hermann Kaulbach, der als einziger Sohn
des berühmten Wilhelm v. Kaulbach am 26. Juli 1846 in München zur Welt kam, und schon im
Kindesalter durch seine ausfallende Neigung, alle kleinen Erlebnisfe in oft allerliebst naiven Reimen
zu schildern, Auffehen erregte. Während alle Hausfreunde in dem hübschen Jungen nun einen
Schiller oder zum Minderten einen Geibel im Geilte voraussahen, verhielt sich Papa Kaulbach, seiner
Gewohnheit nach, durchaus skeptisch. Und er behielt Recht. Denn sobald unser Hermann in die
Schule kam, verlor sich der poetische Trieb auf Nimmerwiederkehr. Dafür trat später, nachdem er
das Gymnasium absolvirt, ja schon ein Halbjahr Medicin getrieben hatte, das osfenbar ererbte
malerische Talent immer unwiderstehlicher hervor, bis der Anfangs auch in dieser Beziehung miss-
trauische Vater nachgab, den Sohn aber keineswegs zu sich nahm, sonclern ihn in das Atelier Piloty's
eintreten liess, zu clessen Tendenzen das ruhigere, mehr auf feine Empsindung, als auf Gedanken-
arbeit gerichtete Naturell des Jünglings auch entschieden besfer passte. Bald gehörte er denn auch zu
Piloty's ausgezeichneteren Schülern, und überraschte besonders durch sein schönes coloristisches Talent.
Die hier von einem Schüler Raab's, Wilhelm Schmidt,* mit grosser Delicatesfe gestochene Beichtscene
ist sein erstes Auffehen erregendes Bild, dem nur der in der Pilotyschule einmal obligate „Unglücks-
fall", ein Ludwig XI. im Gefängnisfe, vorausgegangen war. Bewegte er sich in der Historie noch ganz
innerhalb der herkömmlichen Ausdrucksformen der Schule, so zeigt er dagegen in unserem Genre-
bild die anmuthigste Naturfrische in der Abwechslung der Charaktere, vereint mit jener Vorliebe
für Darstellung stofiiicher Reize, welche Piloty charakterisirt. Die bedeutendsten Schöpfungen Her-
mann Kaulbach's seit seinem besprochenen Erstlingswerke stellen den iterbenden Mozart dar, welcher
sich noch sein Requiem vorspielen lässt, und Friedrich den Grossen, der mit seinem ganzen Hofe den
Phantasien des gewaltigen Organisten Bach lauscht. Von diesen Bildern ist das eine ebenso rührend,
als das zweite voll malerischen Reizes und gelungener Charakteristik; in beiden zeigt sich überdiess
ein Verständniss der Zeit und der dargestellten historischen Charaktere, das auf eine ungewöhnliche
Bildung schliessen lässt. Dieselbe feine Auffassung im Verein mit einer angenehmen plastischen Fülle der
Formengebung, die alle Compositionen des Malers auszeichnet, finden wir auch in seinen Illustrationen,
namentlich in einem reizenden Blatte zum „Neste des Zaunkönigs" aus der „Gustav Freitao-Galerie".

München.
1 Bezüglich des Stechers vgl. „Mittheil. cl. Gel. f. vervielf. Kunst", Jahrg. II, Sp. 14.

Friedrich Pecht.
 
Annotationen