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Tritonen und Nereiden.


JCHWIND'S Lebensgang gleicht dem Gesammtbilde seiner künstlerischen Produktion darin,
dass der Grundcharakter sich schon in früher Jugend unverkennbar, mitunter sogar scharf aus-
spricht und im Laufe der Jahre keine Umbildung, keine Veränderung erfährt, sondern sich nur
vertieft, läutert und stetig dem Höhepunkte zuschreitet, welcher spät, ja eigentlich erst in den letzten
Lebens- und Schaffensjahren des Meisters erreicht wird. Als Mensch wie als Künstler trägt Schwind
in ausgeprägtester Weise alle Züge, welche den Deutsch-Oesterreicher bezeichnen, und Pecht' trisft das
Richtige, wenn er dieses Moment an der Spitze seines geistvollen Essay's über unseren Meister betont.
„Wie man die Totalität des deutschen Volkscharakters niemals ganz verstehen wird" — so lautet die
Stelle — „ohne den liebenswürdigen, heiter sinnlichen, phantasievollen österreichischen Bestandtheil, so
wird man auch die deutsche Kunst nie vollständig zu würdigen vermögen, ohne ihn. Oesterreich hat in
unserem Geistesleben das Sonnige, die Grazie und Naivetät, die seiige Kinderzeit wie den willkom-
mensten Begleiter des Alters, den treuen Gesellen Humor, fast jederzeit und in jeder Richtung, von
Haydn und Mozart an bis zu unserem Schwind vertreten!" Und sörmige Heiterkeit, ungesuchte Grazie und
unbewusstes Erfassen des Natürlichen wie des Menschlichen findet man nicht blos im Wesen des Meisters,
sondern auch in allen seinen Werken; auch der Humor ist ihm allezeit ein treuer Geseile, nur class im
persönlichen wie im briessichen Verkehr Schwind's Humor oft — echtösterreichisch!—-in Selbstironisirung
und in jenes „Raisonniren" übergeht, welches im Vormärz, wo die Ventile der Presse und der Tribüne
nicht bestanden, noch landläufiger war, als heutzutage.
Ein weiterer Grundzug des Meisters ist die völlige Ursprünglichkeit seines Schaffens, welche er von
allen Einssüssen, die ihn umgaben, stets frei zu erhalten und selbstthätig fortzubilden verstanden hat.
Diese in sich geschlossene Entwicklung beruht einerseits in der angebornen Stärke seiner Individualität
und seines Charakters, welche es nicht zuliess, class Schwind sich irgend einer herrschenden künstleri-
schen Richtung, die nicht die seinige war, anschliesse; andererseits aber auch darauf, dass er mit seiner
Auffassung der Romantik so ziemlich vereinzelt stand, wesshalb es gar nicht dazu kommen konnte, dass
er von einem andern, den gleichen Zielen zustrebenden Künstler beeinssusst werde. Von Bedeutung
für die selbstständige Entwicklung seiner Persönlichkeit war es jedenfalls, dass Schwind, wie wir gesehen
haben, in seiner Jugend keiner künstlerischen Autorität begegnete, welcher er sich hätte unterordnen und
von der er eine bestimmte Richtung hätte empfangen können; so war er von Anfang an gewohnt, sich
seiner Persönlichkeit, seinen Anssehten und der im Kreise gleichgesinnter Freunde empfangenen Ein-

1 S. dessen cit. Werk S. 195.
Berggruen: Die Galerie Sehack.

XVII

Schivind III.
 
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