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Schwind.
charakterisirenden Eigenthümlichkeiten des Künstlers zur Anschauung zu bringen." 1 In diesen beiden
Blättern spielt der Einsiedler, eine Lieblingsfigur des Meisters, die Hauptrolle: auf dem einen führt er
die Rosse eines reisenden Ritters, den er beherbergt, zur Tränke; auf dem andern, höchst humor-
vollen Blatte," sehen wir einen fahrenden Mann, der sich in einer Einsiedelei behaglich einquartiert.
Auf der letzteren Darsteilung namentlich weist die landschastliche Umgebung und selbst die Figur des
ungebetenen Gastes entschieden auf den Nürnberger Meister hin. Und dieses Studium Dürers,
welches ihm auch von Cornelius angerathen worden war, sollte nicht ohne den heilsamsten Einssuss aus
den jungen Wiener Künstler bleiben. Denn er entwickelte — wie Pecht°" treffend sich ausdrückt —
„in dem Stahlbade Dürer'scher Strenge, Knappheit und Einfachheit mehr und mehr jenes specisisch
deutsche Wesen, das verbunden mit der herrlich naiven, unverwüstlichen Frische des Wieners und
einem Schönheitssinn, welcher den kleinsten Dingen seltenen Formenreiz mitzutheilen versteht, seinen
Werken einen so unwiclerstehlichen Zauber verleihen sollte. Wenn er sein Vorbild Dürer an echtem
Naturgefühl und an Tiefe allerdings nicht erreicht, so übertrisft er es dagegen an Geschmack umso-
mehr, als er denselben in der Jenem unbekannten Schule der Antike und der grossen Italiener ausbilden
konnte . . . ."
Das Zurückgehen auf den Nürnberger Meister und das eindringliche Studium seiner Werke hat
wohl auch'dazu beigetragen, unseren Künstler in der romantischen Richtung zu erhalten, welcher er
Zeit seines Lebens treu geblieben. In dieser Beziehung war übrigens eine Fahnenflucht von Schwind
nie zu besorgen. Schon in früher Jugend entnimmt er seine Stoffe denselben Kreisen, die auch in der
letzten Zeit seines Schasfens ihm lieb und vertraut waren, und die Formensprache des Schülers hat
auch der Meister, wenngleich viel reiner und edler gesprochen. Im Jahre 1823, neunzehn Jahre alt,
beschreibt Schwind in einem Briefe an seinen Freund Schober die seither verschollenen Skizzen, welche
er zu einem ungedruckten episch-lyrischen Gedichte „Stillfried und Sigunde" von Josef Kenner ent-
worsen, und die Wahl dieses Stosfes4 ist für die besten künftigen Arbeiten des Künstlers bezeichnend.
Das geheimnissvolle, phantastische Eingreifen von „Wasferweibern" in Menschenschicksale, auf welches
er seine „Schöne Melusine" gebaut; die erlösende Macht der Liebe und Treue, welche er nachmals in
seinen „Sieben Raben" so herrlich geschildert, die Krönung des in Leid und Ungemach bewahrten
demüthigen Gottvertrauens durch ein glückliches Geschick, die er im „Aschenbrödel" so reizend vor-
geführt — cliese Elemente alle sinden sich im erwähnten Gedichte. Uns bleibt nur das lebhafte Be-
dauern, dass von den Skizzen Schwind's nichts mehr erhalten ist; sicherlich hätten sie eine Illustration
mehr zur merkwürdigen Thatsache geliefert, wie frühreif und aus sich selbst heraus sein Talent sich
entwickelt hat. Denn in diesen, aus reinem Schasfenstriebe entstandenen und nur für seine Freunde
bestimmten Entwürfen hätte sich der geistige Gehalt der Compositionen Schwind's aus jener Epoche
viel sicherer bestimmen lassen, als aus den verschiedenartigen Arbeiten, welche er damals um des lieben
Brotes willen anfertigen musste. Dass ihm einige seiner späteren Hauptwerke, wie „Ritter Kurt's Braut-
fahrt" und „Die sieben Raben" schon in früher Jugend vorgeschwebt, dass er diese Stoffe durch Jahr-
zehnte in sich herumgetragen, bis ihm endlich der richtige Augenblick zu ihrer Ausgestaltung erschienen
war, ist erwähnt worden. Fast gewinnt es den Anschein, dass Schwind auf die Werke der Minnesänger,

1 Vgl. C. A. Regnet in seinem cit. Werke S. 242.
2 Führich (in seinem cit. Werke, S. 45) gibt von diesem äusserst seltenen Blatte solgende tresssiche Beschreibnng: „In der ve.lassenen
Behausung des Einssedlers hat sich ein ganz behäbiger Pilgersmann eingesunden. Er hat Feuer angelegt, einen Tops angeschoben, um sseh ein
kleines Mahl zu bereiten und sitzt nun gemüthlich aus einer Bank und bläst den Dudelsack, während der Einsiedler nach Hause kommt und sich
den wunderlichen Gast von weiten beschaut.*
3 In dessen cit. Werke, S. 206.
* Vgl. die Inhaltsangabe von „Stillsried und Sigunde" in Holland's cit. Werke, S. 5.
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