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So können wir nur jenem Urtheile' beistimmen, welches in der besprochenen Publication einen Beweis
erblickt, „wie schr das Talent Unger's lieh Werken der verschiedensten Schulen und Epochen zu aecomodiren ver-
mag" und beifügen, dass die hundert grossen Blatter, die Unger zu bringen gedenkt, in ihrer Vereinigung nicht
bloss eine durchwegs intcressantc Interpretation der hervorragendsten Bilder der Belvedere-Galerie, sondern auch
ein im Hinblick auf den Umfang sowie auf die künstlerische und stosfliche Verschiedenheit der reproducirten Ori-
ginale in unserer Zeit ohne Bcispiel dastehendes Werk eines Aquafortisten bieten werden, dessen rasches Fort-
schreiten auch der Arbeitskraft des Künstlers ein ehrendes Zeugniss ausstellt.
Wir sind dem Künstler und dem Verleger zu lebhaftem Danke dafür verpflichtet, dass sie uns in den Stand
gesetzt haben, unseren Lesern in dem beiliegenden Selbstporträt Rembrandt's eines der glänzendsten Blätter ihrer
reizvollen Publication bieten zu können. Unger zeigt sich in dieser Arbeit gewissermassen auf seiner eigensten
Domäne und in seiner vollsten, wahrhaft blendenden Virtuosität. Er hat dem „Grosskophta der Malerei", wie Fro-
mentin den holländischen Farbenzauberer genannt hat, das Geheimniss seiner Lichteffeste und seines verwegenen
Vortrages entrissen, und auf dem Blatte folgen wir mit hoher Lust dem Spiele des Lichtes, das sich vom Antlitz
herab über den Körper magisch ergiesst und den kühnen breiten Zügen der Nadel, welche den mächtigen Evolu-
tionen des Rembrandt'schen Pinsels unentwegt zu folgen versteht. Auch an unserer Vignette, einer zinkographi-
schen Reduclion der Radirung Unger 's nach Dürer's „Madonna mit dem säugenden Kinde", worin der Meister
Dürer's Art des Radirens sehr geschickt nachgeahmt hat, dürften unsere Leser Gefallen finden, obsehon die aus-
nehmende Feinheit der Radirung unserer für den Buchdruck eingerichteten Reproduktion selbstverständlich uner-
reichbar bleiben musste. Diese Vignette soll nur eine schwache Idee geben von den in den Text gedruckten und
demselben zu einer besonderen Zierde gereichenden Illustrationen: pikant und virtuos radirten Miniaturen, die
Unger oft mit grossem Aufwand von Witz und Sorgfalt in die Welt gesetzt hat, so dass wir nicht ohne besonderes
Vergnügen den Finessen folgen, welche gerade an diese Blättchen mit Vorliebe gewendet worden sind. Dass der
von Prof. v. Lützow geschriebene Text seiner Bestimmung in vollstem Masse entspricht, braucht im Hinblick auf
die bekannten Leistungen dieses Schrisstellers kaum gesagt zu werden. Mit erschöpfender Beherrschung des
literarischen Materials klar und lichtvoll geschrieben, bringt der Text einen abgerundeten monographischen Com-
mentar zu jedem einzelnen Bilde, an welchem namentlich die ebenso genaue wie ansehauliche Beschreibung der
reproducirten Gemälde hervorzuheben ist.
Schliesslich dürfen wir auch die prächtige, bis in das kleinste Detail mit äusserster Sorgfalt überwachte Aus-
stattung, welche Miethke dem besprochenen Unternehmen zur Ehre des österreichischen Verlages angedeihen
lässt, ebensowenig unerwähnt lassen, wie die treffliche Leistung des Kupferdruckers Pisani und die tadellose Her-
stellung des Textes in der Fromme'ichtn Officin. Hosfen wir, dass das schöne Unternehmen jenen raschen und
erfreulichen Abschluss finden werde, welchen das bisherige erfolgreiche Zusammenwirken aller Factoren verdient.
1 R. von Eitelberger: „Die Kunstbewegung in Ost erreich seit der Pariser Weltausstellung 1876 u Im Auftrage des k. k Unterrichts
Ministeriums dargestellt. Wien, k. k. Schulbücher-Verlag 1878, S Si.

STUDIENKOPF VON J, B, GREUZE,
Lichtdruck von Roemmler lind Jonas nach einer Zeichnung von H. Roemer. Berlin, Paul Bette.


IR nehmen von diesem Blatte hauptsächlich desshalb Kenntniss, weil es darthut, zu welcher Vollkommenheit
die Technik des Lichtdruckes bereits gediehen ist. Die für den Kupferstich bestimmte, mit grosser Deli-
catesse und feiner coloristischer Empfindung äusserst sorgfältig hergestellte Kreidezeichnung Roemer's nach
dem bekannten Gemälde von Grenze im Berliner Museum erselicint im Lichtdruck bis in die zartesten Schattirungen
wiedergegeben; das Original mag vor dieser Copie vielleicht an Kraft der tiefsten Schattenpartien etwas voraus
haben, an Klarheit und Harmonie des Gesammteindruckes lässt sich aber die letztere nicht überbieten. Hiezu
kommt der Vorzug der Unverwischbarkeit des Lichtdruckes gegenüber der Kreidezeichnung selbit. Das Sujet:
ein blondes Mädchen, welches von einem Notenbuche aufblickt, gehört zu den anmuthigsten Studienköpfen des
graziösen franzosischen Meisters; nichts ist lieblicher, als das reine Oval des Köpfchens, die grossen unschuldsvoll
aufblickenden Augen, das üppige, die griechische Stirne in leichten Wellen umfliessende aschblonde Haar und der
zarte Hals des knospenden Körpers. Als Zeichenvorlage für Damen und zur Ausschmückung von Boudoirs dürfte
das mit vollendetem Geschmack ausgestattete Blatt rasch sehr beliebt werden.
 
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