Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Gesellschaft für Vervielfältigende Kunst [Hrsg.]
Die Graphischen Künste — 54.1931

DOI Artikel:
Tietze-Conrat, Erika: Georg Ehrlich: Aquarelle aus der Heimat
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.6346#0017
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Georg Ehrlich. Xovembertag (Hütteldorf). Wien, Privatbesitz.

Aquarell.

als Ausdrucksträger; es ist eine Kindergesellschaft, die hier Blumen pflückt, das Verteilen der
Sträuße ist dann eine Episode für sich, die auch erzählt werden möchte (Wien, Galerie des XIX.
Jahrhunderts), oder e^ ist eine grämliche Frau, die zu schwer aufgeladen hat, ein mitleidiges Mädchen
hilft ihr, andere gehen lachend vorüber — nein, während andere lachend vorübergehen, ist es
doch Sittenmalerei und die Verknüpfung der Motive wichtig. Die Leute sind wohl gekleidet, wie
auch das Stadtvolk damals ging, für uns heute ist es aber richtige Bauerntracht geworden, und so
bringen sie einen fremden Klang in die vertraute Stimmung (Wien, Galerie des XIX. Jahrhunderts).

Aber vielleicht war der Wienerwald vor dreiviertelhundert Jahren nicht das, was er heute ist.
Wenn auch das Gelände geblieben, eine Landschaft ist doch nicht nur Berg und Tal und Fluß und
Luft und die Sonne über den Bäumen, sie ist auch die Straße, die zu ihr hinausgeführt hat, und die
Stadt, die dahinter liegt, und sie ist auch der Mensch, der krank ist von dieser Stadt, die er noch im
Rücken spürt wie eine überstarke böse Macht, und der endlich aufatmet draußen und doch nur einen
Augenblick Zeit hat zum Aufatmen. Darum muß für uns heute der Wienerwald auch einsam sein
und keine fernste Turmspitze am Horizont darf uns erinnern an das, was hinter uns liegt. Die Stadt
ist hinausgewachsen in den Wienerwald, das Hauptverkehrsnetz greift noch Hütteldorf auf, in dem
schon das ganze Vielerlei, das die Großstadt dahinter braucht, den ursprünglichen Charakter über-
wuchert hat, Fabriken und Zinskasernen, Villen und Schrebergärten und weiter dann das architek-
tonische Gelände der Staubecken des Wienflusses. Hier draußen ist an den letzten Novembertagen
der angelegte Park und die gewachsene Wildnis, in die er ausläuft, eine Einheit geworden; vielleicht
daß überhaupt nur die gangbaren Wege noch an eine Anlage erinnern und daß es Zäune gibt, die

7
 
Annotationen