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Gesellschaft für Vervielfältigende Kunst [Hrsg.]
Die Graphischen Künste — 54.1931

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Eckhardt, Ferdinand: Berliner Graphiker der Nachkriegszeit, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.6346#0027
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Aus derselben Impressionistentradition hervor-
gegangen sind die virtuosen Kaltnadelblätter von Hans
Meid, geboren 1883 in Pforzheim, seit 1919 Professor
an der Hochschule für bildende Künste in Berlin, der
ein Jahrzehnt lang geradezu der Liebling der deut-
schen Graphiksammler war. Einer der ganz wenigen
Nur-Graphiker, beherrscht er seine Technik wie kaum
ein zweiter. Er arbeitet auf vernickeltem Zink, um den
bei Kupferkaltnadel auftretenden Grat zu vermeiden
und dadurch den Einzelstrich klarer und zarter hervor-
treten zu lassen. Mit nervösen, kurzen Strichen gibt
er das malerische Durcheinander von Bäumen und
Sträuchern, die nächtliche Atmosphäre eines gespen-
stisch erleuchteten Raumes oder das Spiegeln eines
Wassers. Gerne läßt er sich auch von den Komposi-
tionen der großen Barockmeister anregen. Viel Roman-
tik und eine feine Sinnlichkeit liegen in allen diesen
Blättern, den immer wiederkehrenden amurösen
Parkszenen, südlichen Straßenbildern, theatralischen Hans .Meid, Aus »Die Brunzilla« (Heinrich Mann). Kaltnadel.
Geschichten, oft mit religiösem Vorwand, die aber

schließlich gerade vielleicht, weil wir sie anfangs so gerne aufgenommen haben, auf die Dauer
ermüden. In den letzten Jahren hat er neuerdings einige Folgen herausgebracht: Aimee Lebeufs
Abenteuer (Radgn., Gurlitt), Wallensteins Tod (Lithos, Maximilian-Gesellschaft), 6 Lithos aus dem
Berliner Tiergarten (Paul Cassirer), Diego de Mendoza: Lazarillo von Tormes (28 Radgn., Pro-
pyläen-Verlag) und im letzten Jahr Kabale und Liebe.'

Routinier, aber doch ein ausgezeichneter Techniker ist Paul Pacschke (geboren 1875), der
sich etwas die Art von Liebermann zurechtgemacht hat. Wie dieser einer von den ganz wenigen
geborenen Berlinern, kann er auch etwas Kaltes, Schnoddriges nicht verleugnen. Mit kalter Nadel,
Roulette und Molette, aber ebenso mit Schmirgelpapier und rauhem Stein zerkratzt er die Platte,
um seinen Strandbildern, Eislauf-, Kinderspiel- und Badeplätzen eine starke Lebendigkeit zu
verleihen, aber die ewige Wiederkehr der Motive langweilt schließlich, man hat den Eindruck,
daß es sich um eine einmal erworbene Technik handelt, die zum Manierismus ausartet. Motive
aus London, Venedig, Hamburg und eine Mappe »Berlin« schließen sich den obengenannten
Arbeiten an.

Auch Lesser Ury, geboren 1862 in Birnbaum in der Schweiz, war eine Zeitlang Liebling der
Sammler, vor allem der Berliner. Seine kalten, ganz unmalerischen Schilderungen von Großstadt-
straßen mit pompöser Lichtreklame verblüffen in erster Linie den nichtmälerisch empfindenden Men-
schen. In seinen Graphiken ist er entweder stark akademisch oder er schließt sich den französischen
Impressionisten an und ist dann auch noch am erträglichsten. Seine Kreidelithographien und Kalt-
nadelblätter schildern immer wieder eine Großstadtstraße bei Regen oder ein Motiv aus einem
Kaffeehaus, auch das jüdische Genre hat er gepflegt. An Folgen brachte er heraus: »Biblische

1 Literatur: Oeuvre-Katalog (in Vorbereitung) von Aug. Klipstein. Bern. Brieger, H. M. (Graphiker der Gegenwart, Band 7). Friedländer,
H. M., Mappe mit Lichtdrucken (Tyrsos-Verlag). Fischet, H. M., Handzeichnungen (Rembrandt-Verlag). Kunst für Alle 1919 (Voss). Kunst und Kunstler
1922, S. 79ff., und 1929 (Scheffler). Velhagen und Klasings Monatshefte 1922 (Friedländer). Velhagen und Klasing, Almanach 1930 (P. F. Schmidt).

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