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Gesellschaft für Vervielfältigende Kunst [Hrsg.]
Die Graphischen Künste — 54.1931

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Chytil, Alois: Von moderner ostasiatischer Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.6346#0063
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Lehrer, sondern auch der gewesene
Präsident Tsao-Kun war mit ihm,
dem großen Meister, unzufrieden,
als dieser ihm einmal einen Beutel
Geld und viele Körbe Obst mit
seiner Visitkarte schickte und sagen
ließ, er wünsche ein Bild mit Feen
und überhaupt Wesen aus höheren
Sphären! »Und wissen Sie, was ich
ihm gemalt habe?« erzählt gerne
und lachend der Meister, »Zwei Frö-
sche unter einemLotosblattund noch
dazu unter einem gebrochenen«.

Will der Europäer die Genia-
lität der Kunst Tschi-Bai-Shi's er-
kennen, so muß er sich darüber klar
werden, daß in der chinesischen
Malerei das Hauptgewichtim Pinsel
selbst und seinen Ausdrucksmög-
lichkeiten lag und liegt! — dem
Pinsel, der so alt wie die chinesische
Kultur ist. Dieser Pinsel war und ist
das Gestaltungs- und Ausdrucks-
werkzeug der ganzen chinesischen
Malerei. Dieser Pinsel gebar nicht
nur die chinesische kalligraphische
Schrift, sondern auf seinen Aus-
drucksmöglichkeiten basierten auch
die chinesischen und japanischen
Schulen seit Jahrhunderten.

Beispiellos ist die Virtuosität,
mit welcher Tschi-Bai-Shi diesen
Pinsel beherrscht, von den feinsten,
haardünnen Linien bis zu leiden-
schaftlichen handbreiten Pinselstri-
chen! SeineBilder sind dieFluteines
jubelnden Rhythmus von Linien,
seine Komposition und sein raffinier-
ter Primitivismus sprengen alleGren-
zen unserer okzidentalen Phantasie.

Seine Malkunst ist eine Art ly- Tschi-Bai-Shi, Am Meeresuier. Tusch und Aquarell.

rischer Poesie, basierend auf den künstlerischen Prinzipien des Subjektivismus und Expressionismus.

Die Welt, aus der er schöpft, ist seine Imagination. Sujets, die er wählt, sind Blumen und Insekten,
Landschaften am Meere, Wellenspiel, und hauptsächlich seine in Tusch ausgeführten Skizzen

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