Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Gesellschaft für Vervielfältigende Kunst [Hrsg.]
Die Graphischen Künste — N.F. 4.1939

DOI Artikel:
Preime, Eberhard: Unbekannte Tierzeichnungen von Johann Christian Reinhart im Kasseler Kupferstichkabinett
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.6339#0036
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
so viel Tiere gezeichnet haben, angeschaut mit fühlendem Verständnis hat sie der Jägers-
mann und Naturfreund stets. Keine Theorie hat ihn von diesem seinem echten Realismus,
aus dem seine große ideal gerichtete Kunst Kraft sog, abwenden können.

Von allen Kasseler Blättern das reizvollste ist das Eselein Nr. 5. Wie das junge Tier mit dem
dicken kurzen Kopf auf seinen vier Beinen unbeholfen dasteht, ein wenig scheu und so innig
„kindlich" empfunden, wie die flotte kurzstrichige Technik das Struppige, aber doch Flaumig-
Weiche des Felles vor allem an Kopf und Hals zu charakterisieren weiß, wie auch der stehen
gebliebene Papierton an keiner Stelle leer, vielmehr stets mitgestaltend wirkt, das ist mit dem
Gefühl und der Meisterschaft echter Kunst gemacht. Die beiden kleinen Köpfe Nr. 1 und 2
scheinen nach demselben Tier gezeichnet zu sein, und man sieht daran, wie Reinhart mit man-
nigfachen technischen Mittel sich um den charakteristischen Ausdruck des weichen Felles des
jungen Tieres bemüht hat. Die malerische Wiedergabe auf Nr. 1 ist von der größten Fein-
heit. Ein Blick auf die Tuschfederzeichnung Nr. 3, die mit kurzen scharfen Federstrichen die
prägnante Form in die getuschte Modellierung einträgt, und von da auf die reine Tuschpinsel-
zeichnung Nr. 5 lehrt die technische Freizügigkeit des Meisters, der keinen Augenblick irgend
einer Manier Untertan wird. Diese Blätter erscheinen gegenüber denen aus den Jahren 1790
und 1791 reifer, lockerer und freier. Die frühen Blätter, beispielsweise Nr. 8, arbeiten noch
zu viel Einzelwissen in die Form hinein, die daher kleinteilig gesehen und addiert wirkt. Auch
die Striche sind noch sehr an die Erscheinung und ihre Formgrenzen gebunden, haben noch
nicht das Freie und andeutend Treffsichere; oder sie sind systematisiert und spröder als in
der ersten Gruppe der vermutlich später entstandenen Blätter. Das Meisterblatt dieser zweiten
Gruppe ist das mit den vier Ziegen (Nr. 12), wo das langhaarige Fell der Tiere glänzend cha-
rakterisiert ist. Doch fällt das Blatt bei näherem Betrachten nicht aus der Gruppe heraus.
Es hat noch die scharf bestimmende Nahsicht der Einzelformen, die Köpfe und Beine zeigen
dies deutlich. Verblüffend geistreich ist der kecke Kopf Nr. 13, der mit raschen Strichen die
Physiognomie sicher trifft. Der flott skizzierte und leicht lavierte Hund verrät ein absolut
sicheres Verständnis des Knochen- und Muskelbaues des mageren jungen Tieres.

Da die Kasseler Blätter gänzlich unbekannt geblieben sind, auch bei Thieme-Becker nicht
verzeichnet werden, geben wir hier eine Liste des Vorhandenen.

1) Kopf eines jungen Eseleins, im Profil nach rechts.
Schwarze Kreide. 111 x 115. (Abb. 9.)

2) Kopf eines jungen Eseleins im Profil nach rechts.

Schwarze Kreide und rötlichbraune Lavierung. 110 x 116. (Abb. 10.)

3) Liegender Maulesel nach links hin, mit einem Glöckchen am Hals und Reitdecke.
Braun lavierte Federzeichnung. 153 x 105. (Abb. 14.)

4) Köpfe von zwei Schafen. Der eine im Profil nach links, der andere fast von vorn.
Bez. u. r. eigenhändig: Reinhart. Auf der Rückseite der Vermerk: in Rom 1790.
Schwarze Kreide, ganz leicht braun laviert. 92 x148. (Abb. 11.)

5) Stehendes Eselein nach links im Profil.
Rötelzeichnung. 218 x 171. (Abb. 6.)

6) Bepackter, ungeschirrter Maulesel nach rechts im Profil; die Beine sind nur angedeutet.
Tuschpinselzeichnung. 204 x 158.

7—14 aus J. A. Nahls Besitz:

7) Maulesel, stehend, fast von vorn gesehen und leicht nach rechts gewendet.
U. r. von W. Nahls Hand bez.: Reinhard del. Roma 1790.

Schwarze Kreide, leicht braun angetuscht. 206 x 164.

32
 
Annotationen