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Gesellschaft für Vervielfältigende Kunst [Hrsg.]
Die Graphischen Künste — N.F. 4.1939

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Nisser, Wilhelm: Erik Jönson Dahlbergs deutsche Bilder: Eine Studie über einige Stadtansichten im Skizzenbuch eines schwedischen Topographen des 17. Jahrhunderts
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https://doi.org/10.11588/diglit.6339#0096
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Daneben werden Plätze, Springbrunnen und Treppenanlagen von Michelangelos bis zu
Berninis Tagen wiedergegeben. In den Fassadenzeichnungen kommen Dahlbergs scharfe
Beobachtungsgabe, verfeinertes Stilgefühl und hochentwickelte Manier zu ihrem vollen Recht.
Als Perspektivenzeichner hat er eine bedeutende Leistung auf schwedischem Boden voll-
bracht. Seine Skizzen dieser Art verraten jedoch während dieser Jahre noch eine gewisse
Unsicherheit. Die Diagonalveduten zeigen mit ihrem schnellen Rhythmus und ihren länglich-
schmalen Proportionen eine augenfällige Verwandtschaft sowohl mit seinen Fassaden- und
Perspektivdarstellungen aus den in Italien verbrachten Jahren als auch mit seinen Zeich-
nungen für das Suecia-Werk aus den Sechzigerjahren. Da diese Veduten aus architektur- und
kulturgeschichtlichen Gründen alle in die Fünfziger jähre datiert werden können, habe ich
keinen Anlaß zu bezweifeln, daß auch sie Zeichnungen von Dahlberg selbst sind, die er im
Anschluß an seine an Ort und Stelle gemachten vorbereitenden Skizzen ausgeführt hat.

Man muß jedoch damit rechnen, daß er hier wie bei der Gestaltung seiner Landschafts-
kompositionen mit deutschen Motiven in geringem Umfang Vorlagen benutzt haben kann.
Solche sind gegenwärtig nicht bekannt, könnten aber sehr wohl existieren. Hiefür spricht
natürlich der Umstand, daß Matthäus Merian d. J. zu jener Zeit Material für eine italieni-
sche Topographie sammelte. Möglicherweise hat er selbst Bilder mit venezianischen und an-
deren Motiven ausgeführt oder beschafft, welche Dahlberg mitgebracht haben kann. Zehn
von Dahlbergs venezianischen Veduten haben nahezu identische Gegenstücke in einem Album
mit Skizzen aus dem klassischen Süden, die von dem oben erwähnten schwedischen Hofmaler
David Klöcker Ehrenstrahl gemacht worden sind. Auch dies scheint mir vielleicht darauf
hinzudeuten, daß die Bilder beider Künstler auf eine gemeinsame Vorlage zurückgehen. Ich
gestatte mir deshalb die Anfrage an die Leser dieser Zeitschrift, ob sich eine solche Bilder-
serie in öffentlichem oder privatem Besitz befindet. Die fraglichen Motive sind: Piazzetta di
San Marco vom Markusplatz und vom Molo, S. Maria della Salute im Bau, S. Giustina, S. Zac-
caria, S. Francesco della Vigna und S. Pietro di Castello (Abb. 18, 14, 19—22).

Diese beiden schwedischen Skizzenbücher aus der Mitte der Fünfzigerjahre des 17. Jahr-
hunderts mit Motiven aus dem klassischen Süden sind nicht einzig in ihrer Art. Sowohl Jean
de la Vallee als Nicodemus Tessin d. Ä. haben gleichartige Studienreisen gemacht. Ihre Skizzen
aus diesen Jahren sind unbekannt. Dagegen finden sich im Stockholmer Nationalmuseum
zeitgenössische Zeichnungen mit italienischen Motiven, ausgeführt von anderen, in schwedi-
schem Dienst stehenden Meistern. Ich meine u. a. teils die Bilder mit Motiven von Italien,
Griechenland, Ägypten und Malta, die von dem Amateur Mathias Palbitzki, Hofjunker im
Dienst der Königin Christine und später Präsident des Wismarschen Tribunals, stammen,
teils die künstlerisch vollwertigen Bilder des Architekten Nicodemus Tessin d. J. vom Italien
der Siebziger- und Achtzigerjahre des 17. Jahrhunderts.24

In unserer späteren Veröffentlichung werden wir eine Stilanalyse von Dahlbergs italieni-
schen Skizzen geben. Die Entwicklung von germanischem zu einem auch durch französisch-
italienische Vorbilder beeinflußten Stil, die wir bei Dahlberg konstatieren können, ist typisch
für die Entwicklung in der schwedischen Kunst während der Vierziger- und Fünfzigerjahre
des 17. Jahrhunderts. Die Monumente und Bildwerke der folgenden Jahrzehnte tragen deut-
liche Spuren sowohl des deutschen als des französisch-italienischen Einflusses. In einem
größeren Zusammenhang werden wir auf die Frage zurückkommen, welche Bedeutung diesen
Stilströmungen für die Entwicklung der schwedischen Landschaftskunst im 17. Jh. zukommt.

24 R. Josephson, Tessin I och II, Sveriges allmänna konstförenings publikation, Stockholm, 1930/31. W. Nisser,
Mathias Palbitzki, Uppsala universitets arsskrift, Uppsala 1934.

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