Vorstellungen in bezug auf jene fernen, seltsamen und außerordentlichen Länder mit dem vor-
handenen Wissensstoff verband. Die fernen Länder übten im ganzen 17. Jahrhundert ihren
Zauber auf die europäische Geisteswelt aus. Für Dresden ist Eckhouts Wirken neben inter-
essanten Einzelbildern in der Ausstattung der Hoflösnitz seit 1653 bedeutungsvoll geworden.11
Als der Weltreisende Tavernier zehn Jahre später durch Dresden kam, wurde er zur kurfürst-
lichen Tafel gezogen. Die Mitteilsamkeit des Literarischen in Frankreich, England und vor
allem in den Niederlanden (Amsterdam) zeitigte eine riesige Produktion aufwendiger und groß-
formatiger Werke völkerkundlicher Reisebeschreibungen. Die fernen Länder Ost- und West-
indiens, Afrikas, besonders aber Asiens fanden im Abendland ein Interesse, das gewisser-
maßen der Begeisterung über eine neue Entdeckung glich. Es war die Zeit des Ausbaues des
kolonialen Besitzes. Die Werke der Nieuhof, Dapper und Schultze, der Bernier und Tavernier
lieferten durch ihre gedruckten Reisebeschreibungen sowohl wie durch ihre Kupfertafeln die
Vorbilder zu vielen Einzelheiten im Großmogul. Was aber bisher nicht beantwortet werden
konnte, war die Frage, auf Grund welcher Vorlage unmittelbar die Raumvorstellung für die
Hofanlage und die Bewegungsvorstellung für die Vorgänge entstanden seien. Denn die „Fürst-
liche Puppenstube" ist, wenn man nicht die Häuservorstellungen der spielenden Kinderwelt
des 17. Jahrhunderts zu Rate ziehen will, ohne Vorgang. Die gesuchte Vorlage bildet der Stich
„Hof oder Thron des Großen Mogols" von J. A. Bauer in dem Werk „Asia oder: Ausführliche
Beschreibung des Reichs des Großen Mogols . . ." von 0. Dapper (Abb. 15). Das Werk war
ursprünglich 1672 in niederländischer Sprache verfaßt, dann von Johann Christoph Beer 1681
in Nürnberg herausgegeben worden. Die Stiche von Bauer sind im Gegensinne nach den Kupfern
des ursprünglichen Werkes gefertigt.
In seiner Ausführung hat sich Dinglinger jene erwähnte Freiheit seiner Phantasie und seiner
Zierfreudigkeit im Zeitstil genommen, die schon als sein schöpferisches Recht bemerkt wurde,
aber gewisse Formen wie der Baldachin (einer mit Federbüschen u. a.) wurden für ihn entschei-
dend. Ein äußeres Zeichen, daß er diesen Stich maßgeblich benutzt hat, ist die Übernahme der
Zierkugeln auf der Mauerbekrönung von dem Stich in die Ausführung. Indes muß noch auf eine
andere Tatsache aufmerksam gemacht werden, die einerseits für die Unmittelbarkeit der ver-
wendeten Vorlage spricht, andrerseits die künstlerische Freiheit der barocken Auffassung zeigt,
die bis zu köstlicher Unbekümmertheit führte. Das Bildnis des „Schach Selim" wie das des
„Schach Orangzef" aus demselben Werk (Abb. 16 u. 17) hat Dinglinger als goldemaillierte
Figuren unter dem Treiben am Geburtstagsfest nachgebildet (Abb. 18). Auf diese Weise kommt
der Großmogul, da er ja auch auf seinem Thron sitzt, an seinem Geburtstagsfest zweimal vor!
Ähnlich geht es dem „Schach Selim", der als plastischer Guß zweimal, und dem nach oben
Zeigenden, der sogar dreimal erscheint, nur daß ein lebendiger Unterschied der Figuren durch
die Emailmalerei bewirkt wird.
Als zweites für die Gestaltung des Großmoguls maßgebliches Werk ist die „Ost-Indische
Reyse . . . Alles beschrieben durch Mster Walter Schultzen, von Harlem . . . ins Hochdeutsche
übergesetzt durch J. D. Amsterdam 1676" zu nennen. Viele der „kunstreichen Figuren", flott,
lebendig und fein radiert, stammen von C. Decker. Die Gruppe unter dem Thronhimmel, d. h.
der Großmogul, die Schildträger als Ehrenwache, die sich Niederwerfenden wie auch die mit
dem Auspacken der Schatztruhe Beschäftigten sind durch die „Feyerung seines Geburtstages"
(Buch III, S. 165) angeregt worden, nur daß Dinglingers Figuren ethnographisch genauer, d. h.
richtiger sind. In dieser graphischen Vorlage flimmert es von Fülle und Glanz der Formen in
übersprudelnder Phantasie und gerade von diesen sind Elemente in die Kunst des Juweliers
11 Th. Thomsen hat unlängst Eckhout eine schöne Studie gewidmet (Kopenhagen 1938): die Dresdner Zeit Es.
daselbst S. 100 ff. mit zahlr. Abbildungen.
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handenen Wissensstoff verband. Die fernen Länder übten im ganzen 17. Jahrhundert ihren
Zauber auf die europäische Geisteswelt aus. Für Dresden ist Eckhouts Wirken neben inter-
essanten Einzelbildern in der Ausstattung der Hoflösnitz seit 1653 bedeutungsvoll geworden.11
Als der Weltreisende Tavernier zehn Jahre später durch Dresden kam, wurde er zur kurfürst-
lichen Tafel gezogen. Die Mitteilsamkeit des Literarischen in Frankreich, England und vor
allem in den Niederlanden (Amsterdam) zeitigte eine riesige Produktion aufwendiger und groß-
formatiger Werke völkerkundlicher Reisebeschreibungen. Die fernen Länder Ost- und West-
indiens, Afrikas, besonders aber Asiens fanden im Abendland ein Interesse, das gewisser-
maßen der Begeisterung über eine neue Entdeckung glich. Es war die Zeit des Ausbaues des
kolonialen Besitzes. Die Werke der Nieuhof, Dapper und Schultze, der Bernier und Tavernier
lieferten durch ihre gedruckten Reisebeschreibungen sowohl wie durch ihre Kupfertafeln die
Vorbilder zu vielen Einzelheiten im Großmogul. Was aber bisher nicht beantwortet werden
konnte, war die Frage, auf Grund welcher Vorlage unmittelbar die Raumvorstellung für die
Hofanlage und die Bewegungsvorstellung für die Vorgänge entstanden seien. Denn die „Fürst-
liche Puppenstube" ist, wenn man nicht die Häuservorstellungen der spielenden Kinderwelt
des 17. Jahrhunderts zu Rate ziehen will, ohne Vorgang. Die gesuchte Vorlage bildet der Stich
„Hof oder Thron des Großen Mogols" von J. A. Bauer in dem Werk „Asia oder: Ausführliche
Beschreibung des Reichs des Großen Mogols . . ." von 0. Dapper (Abb. 15). Das Werk war
ursprünglich 1672 in niederländischer Sprache verfaßt, dann von Johann Christoph Beer 1681
in Nürnberg herausgegeben worden. Die Stiche von Bauer sind im Gegensinne nach den Kupfern
des ursprünglichen Werkes gefertigt.
In seiner Ausführung hat sich Dinglinger jene erwähnte Freiheit seiner Phantasie und seiner
Zierfreudigkeit im Zeitstil genommen, die schon als sein schöpferisches Recht bemerkt wurde,
aber gewisse Formen wie der Baldachin (einer mit Federbüschen u. a.) wurden für ihn entschei-
dend. Ein äußeres Zeichen, daß er diesen Stich maßgeblich benutzt hat, ist die Übernahme der
Zierkugeln auf der Mauerbekrönung von dem Stich in die Ausführung. Indes muß noch auf eine
andere Tatsache aufmerksam gemacht werden, die einerseits für die Unmittelbarkeit der ver-
wendeten Vorlage spricht, andrerseits die künstlerische Freiheit der barocken Auffassung zeigt,
die bis zu köstlicher Unbekümmertheit führte. Das Bildnis des „Schach Selim" wie das des
„Schach Orangzef" aus demselben Werk (Abb. 16 u. 17) hat Dinglinger als goldemaillierte
Figuren unter dem Treiben am Geburtstagsfest nachgebildet (Abb. 18). Auf diese Weise kommt
der Großmogul, da er ja auch auf seinem Thron sitzt, an seinem Geburtstagsfest zweimal vor!
Ähnlich geht es dem „Schach Selim", der als plastischer Guß zweimal, und dem nach oben
Zeigenden, der sogar dreimal erscheint, nur daß ein lebendiger Unterschied der Figuren durch
die Emailmalerei bewirkt wird.
Als zweites für die Gestaltung des Großmoguls maßgebliches Werk ist die „Ost-Indische
Reyse . . . Alles beschrieben durch Mster Walter Schultzen, von Harlem . . . ins Hochdeutsche
übergesetzt durch J. D. Amsterdam 1676" zu nennen. Viele der „kunstreichen Figuren", flott,
lebendig und fein radiert, stammen von C. Decker. Die Gruppe unter dem Thronhimmel, d. h.
der Großmogul, die Schildträger als Ehrenwache, die sich Niederwerfenden wie auch die mit
dem Auspacken der Schatztruhe Beschäftigten sind durch die „Feyerung seines Geburtstages"
(Buch III, S. 165) angeregt worden, nur daß Dinglingers Figuren ethnographisch genauer, d. h.
richtiger sind. In dieser graphischen Vorlage flimmert es von Fülle und Glanz der Formen in
übersprudelnder Phantasie und gerade von diesen sind Elemente in die Kunst des Juweliers
11 Th. Thomsen hat unlängst Eckhout eine schöne Studie gewidmet (Kopenhagen 1938): die Dresdner Zeit Es.
daselbst S. 100 ff. mit zahlr. Abbildungen.
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