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Gesellschaft für Vervielfältigende Kunst [Hrsg.]
Die Graphischen Künste — N.F. 4.1939

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Holzhausen, Walter: Die Rolle der Graphik im Werk Johann Melchior Dinglingers
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https://doi.org/10.11588/diglit.6339#0118
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Auch der Möns philosophorum steht in der Tradition des Stil „rustique", wenn auch wieder
nicht auf dem Wege des mechanischen Naturabgusses, sondern der frei gestaltenden Bildung
natürlicher Einzelheiten. Das Schema des Aufsteigens für den beginnenden Adepten und des
Gipfels als Ruhepunkt der Vollendung gibt die Gestalt des Berges in nicht zu überbietender
Klarheit. Graphisch liegt seinem Umriß die Form des auf breiter Basis lastenden Dreiecks, pla-
stisch das Raumsymbol des Kegels zu Grunde. Dieses Schema gibt vor allem auch hinreichende
Möglichkeit, die Stufen der Vervollkommnung 29 in Zonen mit Zinnenkranz und Eingangs-
portalen darzustellen. Es liegt dem mittelalterlichen Tischbrunnen so gut zu Grunde wie den
Kalvarienbergen, dem Gang zur Erlösung im christlichen Leben wie dem Lehrgebäude zur
Vervollkommnung in der Weisheit. Berg und Dreieck machen den Neuplatonismus sinnfällig.
Man betrachte daraufhin den Holzschnitt der dreiblättrigen Tabula Cebetis Thebani des Erhard
Schoen oder die Inversion, seinen witzigen Einfall des Lügenbergs. Ein Berg ist auch das bron-
zene Inferno Riccios, wenngleich dessen Realismus die platonische Ideenkrone fehlt.

Die undatierte Kostenberechnung zu dem Möns philosophorum Dinglingers im Grünen Ge-
wölbe, die die Mitarbeit Balthasar Permosers deutlich macht, geben wir wieder:

Bey dem Möns Philosophorum befinden sich bey läuffig
150 Carat Diamant Thlr 3756

180 Mark Silber Thlr 1800

am Gold Thlr 280

An allerhand Coleurten steinen
Schmaragden, Rubinen ballais
Jaspis, perlen, und perlmutter Thlr 1200
4 helffen beinerne bilder Von
balthasar a 100 Thlr Thlr 400

Thlr 7436

Der Betrag für das Gold betrifft wohl die Figuren der Adepten, die nach Hirsching aus Gold
waren. Es würde sich also ähnlich wie beim Großmogul und beim Obeliscus Augustalis ver-
halten, wo die Figuren aus Gold gegossen und emailliert sind. Permoser hat die vier Elemente
in Elfenbeinschnitzerei beigesteuert. Nach dieser Nachricht dürfen wir die Mitwirkung Per-
mosers auch bei anderen Schöpfungen Dinglingers wenigstens vermuten: so möchten wir aus
stilkritischen Gründen, die weitläufig zu erörtern wären, ihm die Figuren des Herkules und der
Fama an der Gemma Augustalis zuschreiben und halten es für sehr wahrscheinlich, daß auch
die geschnitzten Negerfiguren samt den dazugehörigen Pferden und dem Dromedar aus der
Hand Permosers hervorgegangen sind. Sie wirken wie eine kleinplastische Inventionsgruppe.
Aus stilkritischen Gründen haben wir diese neben dem 1715 datierten Bilderrahmen im Grünen
Gewölbe bereits früher, was die Arbeit ihrer goldemaillierten Fassungen betrifft, Dinglinger
zugewiesen.30

29 Der Gedanke der „Stufen der Vervollkommnung" reicht bis in die Welt des Klassizismus in der zweiten Hälfte
des 18. Jahrhunderts.

30 Holzhausen, W., Neues von Dinglinger. Aus wissenschaftlicher Arbeit im Grünen Gewölbe. Dresd. Anz. vom
26. VII. 36 Nr. 206. Es handelt sich um Neger im Federschmuck der Westindier. Ganz in der Art wie die Neger-
Bogenschützen im Grünen Gewölbe sind zwei solche in Kopenhagen, Schloß Rosenborg. Dinglinger sind außerdem
die beiden couteaux de chasse mit Karneolen und Smaragden im Grünen Gewölbe auf Grund von zeitgenössischer,
bzw. späterer Nachricht zuzuweisen. Vielleicht ist sein Anteil an den Garnituren Augusts des Starken erheblich
größer. Rechnet man die Ordenskreuze und die verschollenen Galanterien, bzw. Kabinettstücke, die v. Arps-Aubert
in Rechnungen fand, hinzu, so ist das Lebenswerk Dinglingers im Lichte der Forschung noch in ständiger Aus-
weitung begriffen.

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